Familienpolitik:Wie und warum die Bundesregierung beim Elterngeld sparen will

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Die Ampelkoalition möchte die Einkommensgrenze von Paaren auf 150 000 Euro halbieren. Das träfe etwa 60 000 Familien in Deutschland, die Familienministerin nennt das "kein Glanzstück". Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Vivien Götz und Saladin Salem

Lange hat die Bundesregierung um einen Haushaltsentwurf für das Jahr 2024 gerungen. Nun steht er - und eine geplante Einsparung betrifft das Elterngeld. Die Ampelkoalition will die Einkommensgrenze halbieren, damit es weniger Familien als bisher bekommen. Sie bedauere das, sagt Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne), aber sie habe diese Einsparung erbringen müssen. Die Antworten auf die wichtigsten Fragen im Überblick:

Was ist das Elterngeld?

Wer nach der Geburt seines Kindes weniger oder gar nicht mehr arbeitet, bekommt in Deutschland bis zu 14 Monate lang Elterngeld. Damit sollen Familien und Alleinerziehende finanziell unterstützt werden und Eltern die Möglichkeit geben, sich Zeit für ihr Kind zu nehmen, wie das Bundesfamilienministerium schreibt. Die Höhe des Elterngeldes ist abhängig davon, wie viel der jeweilige Elternteil vor der Geburt des Kindes verdient hat und ob Einkommen nach der Geburt wegfällt.

Wer bekommt Elterngeld?

Alle Eltern in Deutschland, die ihr Kind selbst betreuen und die nicht mehr als 32 Stunden pro Woche arbeiten. Auf die Art der Berufstätigkeit kommt es dabei nicht an. Auch Erwerbslose, Studierende und Minijobber erhalten Elterngeld, genauso wie Selbständige und Beamte. Anspruch darauf hat auch, wer Bürgergeld oder Sozialhilfe bekommt oder Asylbewerber ist - in diesen Fällen wird es aber auf diese Leistungen komplett als Einkommen angerechnet.

Aktuell erhalten nur Paare Elterngeld, die zusammen 300 000 Euro oder weniger im Jahr verdienen. Für Alleinerziehende liegt die Grenze bei 250 000 Euro. Spitzenverdiener, die über diesen Grenzen liegen, bräuchten keine spezielle Unterstützung, um die Elternzeit finanziell zu überbrücken, argumentierte das Bundesfamilienministerium bisher.

Welche Änderungen könnten nun kommen?

Die Bundesregierung will die "Ausgabendynamik" beim Elterngeld dämpfen, sprich: Sie will sparen. An der Höhe soll sich dabei nichts ändern, aber der Kreis derer, die es bekommen, soll kleiner werden. Die Grenze für elterngeldberechtigte Paare soll von 300 000 auf 150 000 Euro zu versteuerndes Jahreseinkommen halbiert werden, wie Familienministerin Paus mitteilt. Das träfe etwa 60 000 Familien. Welche Änderungen für Alleinerziehende geplant sind, ist noch nicht bekannt.

Im kommenden Jahr sollen so die Ausgaben im Vergleich zu diesem Jahr um 290 Millionen Euro auf knapp acht Milliarden Euro sinken, wie der Spiegel berichtet.

Das Bundesfamilienministerium möchte die Regeln fürs Elterngeld ändern und sieht sich durch die Ergebnisse der Studie bestärkt. (Foto: Felix Kästle/DPA)

Welche Kritik gibt es daran?

Das Kabinett will den Haushaltsentwurf an diesem Mittwoch verabschieden. Die Änderungen kommen kurzfristig und könnten vor allem Paare, die ein Kind erwarten und mit dem Elterngeld fest geplant haben, kalt erwischen. Kritiker befürchten zudem, dass die geplanten Kürzungen Paare mit ähnlichen Einkommen besonders hart träfen. Dann würde während der Elternzeit eines Elternteils die Hälfte des Haushaltseinkommens wegfallen. Verdient ein Elternteil deutlich mehr als das andere, könnte es für Familien deutlich schwieriger werden, sich die Elternzeit zwischen den Partnern überhaupt aufzuteilen.

Für die Gleichstellung von Frauen sei das indes "kein Glanzstück", räumt Paus ein. Es sei ihr aber wichtig gewesen, die Leistung selbst nicht zu kürzen für diejenigen, die das Elterngeld brauchen. Finanzminister Christian Lindner (FDP), mit dem sie lange über Einsparungen gerungen hat, kontert via Twitter: "Wenn die zuständige Kollegin selbst von der Änderung beim Elterngeld nicht überzeugt ist, dann kann und sollte sie ihren Konsolidierungsbeitrag in anderer Weise erbringen."

Strapaziert das die Zusammenarbeit in der Ampelkoalition?

Ja, für Grüne und FDP ist das nun ein weiterer Streitpunkt. Aus den Reihen seiner Partei erhält Lindner Zuspruch. Unter anderem sagt der FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer, die Senkung der Einkommensgrenzen sei die freie Entscheidung der Familienministerin gewesen: "Woanders sparen ist möglich." Die Grünen widersprechen: Lindner habe Einschnitte beim Elterngeld vorgegeben. Paus' Ministerium habe dies dann so sozial wie möglich umgesetzt, sagt Fraktionsvize Andreas Audretsch.

Was war und ist der Sinn des Elterngelds?

Vor allem auf Betreiben der SPD wurde das Elterngeld im Jahr 2007 von der großen Koalition eingeführt. Es sollte nicht zuletzt die niedrigen Geburtenzahlen, vor allem unter besserverdienenden Akademikern und Akademikerinnen, versuchen zu erhöhen. Die Geburtenrate in Deutschland lag damals bei 1,36 Kindern pro Frau - eine der niedrigsten der Welt, wie der entsprechende Gesetzentwurf feststellte.

Das Elterngeld funktioniert vor allem als Einkommensausgleich für den Elternteil, der zu Hause bleibt. Vor allem für Frauen sollte es das Risiko der finanziellen Abhängigkeit schmälern. Gleichzeitig sollte jungen Familien die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtert werden.

Für den besserverdienenden Elternteil (meistens der Mann) wurde ein Anreiz geschaffen, ebenfalls in Elternzeit zu gehen. Deshalb wurde das Gesetz als wichtiger Faktor für eine gleichberechtigtere Aufteilung der Kinderbetreuung gewertet. Vor allem der Partnerschaftsbonus, der das Modell der doppelten Teilzeit fördert, unterstützt dies. Kinderbedingte Einkommenseinbußen führten bei Frauen immer noch zu "unaufholbaren finanziellen Nachteilen" und vergrößerten "Armutsrisiken", hieß es in der Begründung des Gesetzes.

Wie viel Elterngeld wird gezahlt?

Das Elterngeld gibt es in verschiedenen Varianten. Das "Basiselterngeld" steht beiden Eltern für zusammen insgesamt 14 Monate ab der Geburt zur Verfügung. Es beträgt zwischen 300 Euro und 1800 Euro im Monat, je nachdem, wie viel man vor der Geburt verdient hat. Jeder Elternteil kann zwei bis zwölf Monate "Basiselterngeld" in Anspruch nehmen. Alleinerziehende erhalten bis zu 14 Monate Elterngeld. Das "Elterngeld Plus" gibt es doppelt so lange; es richtet sich an Eltern, die bereits wieder beginnen, in Teilzeit zu arbeiten. Die Höhe hängt davon ab, wie viel sie nach der Geburt ihres Kindes verdienen. Außerdem gibt es die Möglichkeit, für bis zu vier zusätzliche Monate einen "Partnerschaftsbonus" zu erhalten. Dieser erlaubt es Paaren, parallel jeweils zwischen 24 und 32 Stunden in der Woche zu arbeiten.

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