Seidenstraßen-Gipfel:Ein holpriges Jubiläum

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Hinter Russlands Präsident Wladimir Putin und Chinas Staatschef Xi Jinping winkt der einzige anwesende Vertreter eines EU-Staats: Viktor Orbán, Ungarns Premierminister. (Foto: SUO TAKEKUMA/AFP)

China feiert den zehnten Geburtstag des Megaprojekts "Neue Seidenstraße". Kritiker werfen dem Land vor, kleinere Staaten in eine Schuldenfalle zu locken. Xi beschuldigt den Westen.

Von Lea Sahay, Peking

Zur Eröffnung des sogenannten Seidenstraßen-Gipfels hat Chinas Staats- und Parteichef vor einer Entkopplung der Weltwirtschaft gewarnt. Ohne die USA direkt zu benennen, erklärte Xi: "Wir setzen uns gegen einseitige Sanktionen ein, wirtschaftlichen Zwang und das Abkoppeln und die Störung von Lieferketten." Ideologische Konfrontation, geopolitische Rivalität und Block-Politik seien keine Option für China.

Bei der zweitägigen Konferenz feiert Peking das zehnjährige Bestehen seiner sogenannten "Ein Gürtel und eine Straße"-Initiative oder, kürzer, der "Seidenstraßen-Initiative". Bei einer Reise 2013 nach Kasachstan hatte Chinas Präsident das neue "Jahrhundertprojekt" angekündigt, das heute zu den umstrittensten außenpolitischen Offensiven der Volksrepublik zählt.

Auch wenn Xi Jinping in seiner Rede davon sprach, dass seine Initiative "die größten gemeinsamen Nenner für die Entwicklung der Menschheit" zusammenbringe, zeigte die Gästeliste am Mittwoch in Peking, dass das Interesse an Chinas Megaprojekt deutlich nachgelassen hat. Insgesamt fiel die Teilnahme ausländischer Staats- und Regierungschefs geringer aus als bei den letzten zwei Konferenzen im Jahr 2017 und 2019. Westliche Vertreter reisten fast gar nicht an, die meisten der 140 Vertreter stammten aus Afrika und Südamerika.

Der höchstrangige EU-Vertreter war der außenpolitisch isolierte Viktor Orbán

Zum runden Geburtstag war der höchstrangige EU-Vertreter der zweitägigen Konferenz am Mittwoch der außenpolitisch isolierte Viktor Orbán, Ungarns Ministerpräsident. Als Ehrengast hatte Xi Jinping seinen russischen Amtskollegen Wladimir Putin eingeladen, der direkt nach ihm eine Rede hielt.

In den Staatsmedien wurde in den vergangenen Tagen über jeden Staatsgast ausführlich berichtet, Staats- und Parteichef Xi Jinping begrüßte viele persönlich. Zu den Gästen gehörten unter anderem der chilenische Präsident Gabriel Boric, der Ministerpräsident von Papua-Neuguinea, James Marape, und Kasachstans Präsident Kassym-Schomart Tokajew. Auch ein Vertreter der Taliban reiste nach Peking.

In den ersten zehn Jahren umfassten Infrastruktur- und Energieprojekte im Rahmen der Seidenstraßen-Initiative nach chinesischen Schätzungen mehr als eine Billion Dollar weltweit: darunter Häfen, Staudämme, Zugstrecken und Gasleitungen. Viele der Projekte wurden anfangs vor allem auf staatlicher Ebene eingefädelt, Xi Jinping nannte sie in seiner Rede am Mittwoch das "Knochengerüst" der Initiative, um den Austausch von Waren, Technologie und Menschen zu fördern. Das Modell ähnelte den Großinvestitionen in die Infrastruktur, mit denen Peking zu Hause seine Konjunktur am Laufen hält.

Die gewaltigen Kredite haben China den Ruf eingebracht, kleinere Länder in die Schuldenfalle zu locken

Doch vieles spricht dafür, dass die Initiative an Schwung verloren hat. Insgesamt ist die Aktivität in Ländern, die sich zur Initiative zählen, rund 40 Prozent niedriger im Vergleich zu 2018. Wiederholte Kritikpunkte an der Großstrategie sind mangelnde Transparenz und Nachhaltigkeit sowie Korruption. In den zehn Jahren wurde auch nie klar, welche Investitionen genau zu der Initiative gehören und welche nicht.

Die gewaltigen Kredite haben dem Land zudem den Ruf eingebracht, kleinere Länder in eine Schuldenfalle zu locken. Kritiker nennen als Beispiel Sri Lanka, das im vergangenen Jahr in die Zahlungsunfähigkeit rutschte. China ist größter Gläubiger des südasiatischen Landes, investiert wurden viele der Kredite in Projekte, die sich nie rentiert haben. 2017 musste Sri Lanka seinem Gläubiger sogar für 99 Jahre seinen größten Hafen überlassen, dafür erließ Peking dem Land einen Teil seiner Schulden.

Xi Jinping zog in seiner Rede hingegen eine positive Bilanz. Der chinesische Markt sei heute so eng mit den internationalen Märkten verknüpft wie nie zuvor. "Chinas Investments in ausländischen Ländern und Direktinvestitionen in China zeigen Selbstbewusstsein und Hoffnung", sagte Xi. "Nur durch Win-win-Kooperationen können Dinge erreicht werden."

In einem Papier, das Peking einige Tage vor der Konferenz veröffentlichte, kritisiert China die "wirtschaftliche Globalisierung", die von "einigen wenigen Ländern" dominiert werde. "Bestimmte Länder", heißt es darin, verhielten sich als Hegemonie-Mächte und betrieben Protektionismus. Eine Kritik, die Peking immer wieder gegen die USA erhebt.

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Während Peking 2013 noch für eine engere Anbindung an westliche Staaten in Europa warb, vor allem über neue Zugstrecken, Straßen und Gasleitungen, versucht Peking nun stärker, die Seidenstraßen-Initiative als ein Gegenmodell zum "westlichen Wachstumsmodell" in Stellung zu bringen. Ohne die USA zu nennen, kritisierte Xi in seiner Rede die Haltung, "die Entwicklung anderer Menschen als eine Gefahr zu sehen und wirtschaftliche Verflechtung als ein Risiko". Länder sollten stattdessen einander respektieren.

Weniger Großprojekte, mehr "kleine und schöne" Vorhaben

Damit wird die Seidenstraßen-Initiative zu einem weiteren Feld, in dem das Land die westlichen Staaten offensiv als negative Kräfte in der Welt darstellt. Und sich selbst als Gegenpol: "Bei Chinas Entwicklung geht es nicht nur um das Land selbst", sagt Xi, sondern um "gegenseitig vorteilhafte Kooperationen und gemeinsamen Wohlstand". Gerade erst ist es Präsident Xi gelungen, die Vergrößerung der Brics-Gruppe durchzusetzen und ihre antiwestliche Ausrichtung zu verstärken. Unter anderem mit der Aufnahme des US-Erzfeinds Iran.

In seinem Papier erklärt China, es sei bereit, "die Ressourcen noch zu erhöhen", die in das Projekt fließen. Allerdings gibt die Führung in dem Dokument selbst zu, dass sich die Initiative in den letzten Jahren von Großprojekten hin zu "kleinen und schönen" Vorhaben gewandelt habe.

China war zu diesem Kurswechsel gezwungen. In den vergangenen zehn Jahren hat sich das geopolitische Umfeld massiv verändert. Aus dem Handelsstreit mit den USA ist offene Rivalität geworden. Der Ukraine-Krieg belastet seit zwei Jahren die Weltwirtschaft, China steht in dem Konflikt fest an Russlands Seite. Dazu kamen die Pandemie, steigende Warenpreise und Zinsen. Zu Hause kämpft das Land selbst mit einer drohenden Wirtschaftskrise.

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