Sparmaßnahmen bei Jugendprojekten:Morgen, Kinder

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Finanzminister Christian Lindner (li.) drängt auf Einhaltung der Schuldenbremse, Ministerien wie das von Lisa Paus (re.) müssen sparen - auch auf Kosten von Kindern und Jugendlichen. (Foto: Florian Gaertner/Imago)

Jugendverbände schlagen Alarm: Das Bundesjugendministerium plant, Mittel zu kürzen. Sogar ein Programm gegen Extremismus soll verschwinden. Oder geht da doch noch was?

Von Michael Schlegel

Christoph Mann geht derzeit oft an Münchner Schulen, er gibt dort Workshops zum Nahostkonflikt. Mit den Jugendlichen macht er ein Quiz zur Geschichte der Region und spricht mit ihnen über Friedensinitiativen. "Viele Schüler haben Aha-Erlebnisse. Sie sehen: Sowohl Muslime als auch Juden haben eine lange Geschichte in der Region", sagt er. Mann arbeitet für die Arbeiterwohlfahrt als Respekt-Coach, sie hat ihn dafür ausgebildet. Schulen können mit ihm Unterrichtseinheiten zu Themen wie Rassismus, Antisemitismus, Extremismus und demokratische Werte vereinbaren.

Doch ab Januar 2024 ist Christoph Mann voraussichtlich arbeitslos. Das Fördergeld von 31 Millionen Euro für die Respekt-Coaches in Deutschland soll komplett gestrichen werden. Bundesweit wären 260 Coaches davon betroffen. Auch an anderen Stellen seines Etats plant das Bundesjugendministerium starke Kürzungen. Zumindest, wenn die Abgeordneten am Donnerstag in der entscheidenden Sitzung im Haushaltsausschuss nichts daran ändern.

Der Bund fördert punktuell Projekte von überregionaler Bedeutung

Zwölf Vertreter von Jugendhilfeverbänden schlugen in der vergangenen Woche deshalb Alarm - und traten aus dem von Ministerin Lisa Paus initiierten "Bündnis für die junge Generation" aus. Mit dem Bündnis aus Wissenschaftlern, Sozialverbänden und Politikern hatte Paus die Interessen der jungen Generation in den Fokus rücken wollen.

Doch "de facto ist nicht viel passiert", sagt Karin Böllert. Die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ) gehört zu jenen, die das Projekt enttäuscht verlassen haben. "Die Haushaltskürzungen laufen dem Anliegen des Bündnisses zuwider", sagt Böllert. Viele Einrichtungen müssten jetzt mit Sparmaßnahmen und Stellenabbau rechnen. Betroffen wären auch die Jugendmigrationsdienste, bei denen die Respekt-Coaches angesiedelt sind. Sie beraten und begleiten Jugendliche mit Migrationshintergrund individuell auf ihrem Bildungsweg.

Zwar finanzieren Länder, Städte und Kommunen einen großen Teil der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland, die Kindertagesbetreuung etwa. Aber der Bund fördert punktuell Projekte und Programme von überregionaler Bedeutung. Ohne diese Förderung gäbe es auch die Stelle von Respekt-Coach Christoph Mann nicht.

Der Hauptverantwortliche für den Sparkurs sitze im Bundesfinanzministerium, kritisiert Karin Böllert. "Wir hätten uns gewünscht, dass dieses Bündnis dafür genutzt wird, um Lindners Sparvorhaben öffentlich zu problematisieren", sagt sie. Auch bei den Bundesfreiwilligendiensten soll heftig gespart werden. 207 Millionen Euro gibt der Bund 2023 dafür aus, 2024 sollen es noch 154 Millionen sein.

Entschieden wird am späten Donnerstag: Tagesordnungspunkt acht

Das Bundesjugendministerium bekundet Bedauern über die Austritte aus dem Bündnis, teilt aber auch mit: "Ein Zusammenhang zwischen der wichtigen Arbeit des Bündnisses und den Haushaltskürzungen ist für das BMFSFJ nicht unmittelbar erkennbar." Ziel sei es gewesen, den Anliegen der Jugend eine stärkere Stimme in Zeiten multipler Krisen zu geben.

Bruno Hönel wundert sich vor allem über den Zeitpunkt der Austritte. Der grüne Bundestagsabgeordnete verhandelt für seine Fraktion den Etat des Bundesjugendministeriums. In einem Statement schreibt er: "Ergebnisse über die künftige Finanzierung der Freiwilligendienste und aller anderen Programme wird es Ende der Woche geben." Geht da also doch noch was?

Karin Böllert glaubt, dass die Austritte aus dem Bündnis ein Weckruf waren. "Wir wollten ein Signal vor den abschließenden Haushaltsberatungen setzen", sagt die Vorsitzende der AGJ.

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Und Christoph Mann? Hat sich schon damit abgefunden, vom kommenden Jahr an nicht mehr als Respekt Coach zu arbeiten. Er will erst mal auf Reisen gehen. Fünf Jahre Arbeit mit Kindern und Jugendlichen liegen dann hinter ihm. Er hat in dieser Zeit Vertrauen zu vielen Schülern aufgebaut. "Man leistet Beziehungsarbeit und kann dann ganz anders mit den Jugendlichen zu sensiblen Themen arbeiten." All das ginge mit den Coaches verloren. "Man bekommt den Eindruck, dass Jugendliche nicht ganz oben auf der Prioritätenliste stehen", sagt Mann.

Endgültig entscheidet der Haushaltsausschuss über die Zukunft der Respekt Coaches und der Bundesfreiwilligendienste voraussichtlich am späten Donnerstag. Dann steht der Etat des Bundesjugendministeriums auf der Tagesordnung. An achter Stelle.

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