Bundesregierung:Ampel einigt sich im Heizungsstreit

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Im Berliner Reichstagsgebäude diskutierten am Dienstag nicht mehr nur Unterhändler, sondern Scholz, Habeck und Lindner über das Gesetz. (Foto: Christoph Soeder/dpa)

Das Gesetz zum Aus für neue Öl- und Gasheizungen soll doch noch in dieser Woche in den Bundestag. Hauseigentümer sollen mehr Zeit für den Umstieg bekommen. Kanzler Scholz hatte die Verhandlungen zuletzt zur Chefsache gemacht.

Von Claus Hulverscheidt und Paul-Anton Krüger, Berlin

SPD, Grüne und FDP haben ihren monatelangen Streit über das sogenannte Heizungsgesetz vorerst beigelegt. Wie die Chefs der drei Koalitionsfraktionen am frühen Dienstagabend mitteilten, soll der Entwurf noch in dieser Woche erstmals vom Bundestag beraten und vor Beginn der Sommerpause am 8. Juli verabschiedet werden. Damit ist ein Konfliktthema zunächst vom Tisch, das die Handlungsfähigkeit der gesamten Ampelkoalition zuletzt infrage gestellt hatte.

Der Durchbruch gelang allerdings erst, nachdem sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) persönlich in die Verhandlungen eingeschaltet hatten. Habeck sprach anschließend von einem "Meilenstein für die Wärmewende".

Mit der Reform will die Regierung erreichen, dass von 2024 an möglichst jede neu eingebaute Heizung zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbarer Energie betrieben wird. Der Einbau einer Wärmepumpe oder auch einer Pellet-Heizung soll dabei staatlich gefördert werden. Eine funktionierende Öl- oder Gastherme austauschen muss aber niemand, kaputte dürfen auf viele Jahre hinaus noch repariert werden. Die FDP hatte dennoch über Wochen kritisiert, dass mit Habecks Gesetzentwurf die Wärmepumpe etwa gegenüber einer wasserstoffbetriebenen Gasheizung bevorzugt werde. Die SPD verlangte darüber hinaus längere Übergangsfristen sowie eine bessere soziale Abfederung des Programms.

Koalition will niemanden überfordern

Um der vielfältigen Kritik Rechnung zu tragen, wollen die Koalitionsfraktionen in den kommenden drei Wochen zahlreiche Änderungen in den Entwurf einarbeiten. Zentrales Ziel sei ein Gebäudeenergiegesetz (GEG), "das sowohl den Klimaschutzaspekten Rechnung trägt, die Menschen in ihren unterschiedenen Lebensrealitäten nicht überfordert und gleichzeitig auch wirtschaftlich vernünftig ist", heißt es in einem zweiseitigen Papier, das die Fraktionen veröffentlichten. Zugleich werden die Bedingungen für das Erreichen des 65-Prozent-Ziels für Neubau und Bestand noch einmal einheitlich überarbeitet.

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Um den Menschen Wahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen Heizformen zu geben, soll spätestens 2028 deutschlandweit eine kommunale Wärmeplanung vorliegen. Bis es soweit ist, werden die ab 2024 eigentlich geltenden GEG-Vorschriften für einen Austausch kaputter Heizungen ausgesetzt. Wer die Heizung dennoch ersetzen will oder außerhalb von Neubaugebieten ein Haus errichtet, darf auch eine auf Wasserstoff umrüstbare Gastherme einbauen.

Um regionalen Unterschieden Rechnung zu tragen, sollen beim Umstieg auf klimaneutrale Heizungen alle infrage kommenden Optionen gleichwertig behandelt und bisher vorgesehene "diskriminierende technischen Anforderungen" an einzelne Systeme gestrichen werden. Das bedeutet beispielsweise, dass Holz- und Pellet-Heizungen ausnahmslos akzeptiert werden. Bei der Förderung dürfe es aber keine "Fehlanreize" geben. Ziel es offenbar zu verhindern, dass in großem Stil Bäume gefällt werden, um sie als Brennstoff zu verwenden. Bisher werden solche Heizungen meist mit Holzresten befeuert.

Die Koalitionsfraktionen wollen zudem sicherstellen, dass Mieter nicht über Gebühr belastet werden. So sollen Vermieter, die in eine moderne Heizung investieren, staatliche Fördermittel erhalten. Sie müssen aber nachweisen, dass davon auch die Mieter finanziell profitieren.

Umwelthilfe spricht von einem "Tiefpunkt für die Klimapolitik"

Ganz generell gelte, dass "Haushalte im Rahmen der notwendigen Neuinvestitionen nicht überfordert werden" dürften, heißt es in dem Koalitionspapier. Deshalb werde der Bund ein Förderprogramm auflegen, das sich aus dem Klima- und Transformationsfonds speist und möglichst passgenau die einzelnen Lebenslagen sowie soziale Härten "bis in die Mitte der Gesellschaft" berücksichtige. Auch die Ausnahmeregeln etwa für ältere Menschen werde man überarbeiten und plausibler gestalten. "Wir wollen niemanden zu etwas verpflichten, das in der jeweiligen Lebenslage nicht leistbar ist", so die Koalition.

Habeck sagte, er sei zufrieden, weil das GEG nun komme und "der Kern gewahrt" bleibe. "Klimaschutz wird konkret, das klare Signal für den Umstieg auf klimafreundliches Heizen wird gesetzt", betonte er. Die Menschen erhielten mehr Zeit, zudem werde die Reform besser mit der kommunalen Wärmeplanung verzahnt. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sprach von einem "Paradigmenwechsel", sein FDP-Amtskollege Christian Dürr berichtete, die Abgeordneten seiner Partei hätten der ersten Lesung des Gesetzes im Bundestag bei einer Fraktionssitzung zugestimmt - mit 100 Prozent.

Weit weniger euphorisch zeigte sich die Deutsche Umwelthilfe, die von einem "Tiefpunkt für die Klimapolitik" sprach. Am schwersten wiege, "dass die Wärmewende bei Bestandsgebäuden auf einen Zeitpunkt nach 2028 und damit auf eine nächste Regierung verschoben wird", klagte Geschäftsführerin Barbara Metz.

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