Chronologie des Heizungsstreits:Jahrelanges Heckmeck

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Das Heizungsgesetz von Wirtschaftsminister Habeck bringt viele Menschen auf die Barrikaden - hier sammelt der CDU-Politiker Mario Voigt (2.v.l) in Thüringen Unterschriften dagegen. (Foto: Michael Reichel/DPA)

Das Gebäudeenergiegesetz, das die Gemüter gerade so erhitzt und die Ampelkoalition entzweit, ist seit Jahren ein Ärgernis für die Bundesregierung. Ein Rückblick.

Von Michael Bauchmüller

Das Gesetz hängt fest, die Koalition kann sich nicht einigen. Und die Zeit drängt. Am Ende bleiben nur noch Krisengespräche und Koalitionsgipfel, doch sie können das Scheitern nicht mehr verhindern. Die Koalition vertagt das Gebäudeenergiegesetz. So geht es zu - im Frühjahr 2017.

Damals will noch niemand die deutschen Heizungskeller modernisieren, das Gesetz soll vor allem die Standards für neue Häuser verschärfen. Aber ein Fluch lastet schon damals darauf. Und die Parallelen sind frappierend. Auch damals herrscht Zeitdruck, drängen Parlamentstermine. Auch damals gibt es eine Fraktion, der zu viele Zumutungen im Gesetzestext stehen - in der großen Koalition von damals ist das die Union. Und auch damals dräut ein Wahltermin. Nur wartet seinerzeit nach der Sommerpause nicht eine Landtagswahl in Hessen und Bayern, sondern die Bundestagswahl. Und im Wahlkampf geht das Gesetz schließlich sang- und klanglos unter.

Als es ein Jahr später wieder auftaucht, bilden immer noch Union und SPD eine Koalition. Inzwischen aber gibt es freitags auch Schülerdemos fürs Klima, die Regierung gerät zunehmend unter Druck. Ein Klima-Kabinett wird eingesetzt, ein Klimaschutzgesetz vorbereitet. Im September 2019 beschließt die große Koalition nach einer Nachtsitzung ihr "Klimaschutzprogramm 2030", mit dabei: das Gebäudeenergiegesetz. Erstmals haben fossile Heizungen darin ein Verfallsdatum von 30 Jahren, dies aber mit so vielen Ausnahmen, dass es für die wenigsten Kessel gilt. Neue Ölheizungen sollen nach 2026 nicht mehr eingebaut werden. 2020 wird das Gesetz schließlich verabschiedet - gut vier Jahre nach Beginn der ersten Beratungen.

Was soll "erneuerbare Energie" sein?

Dieses Heckmeck hatte die Ampelkoalition eigentlich vermeiden wollen. "Wir ändern das Gebäudeenergiegesetz wie folgt", schrieb sie schon Ende 2021 in den Koalitionsvertrag: "Zum 1. Januar 2025 soll jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden." Nur was diese "erneuerbare Energie" sein soll, regelte sie nicht. Konnte ja keiner ahnen, dass das, unter dem Rubrum der "Technologieoffenheit", zu einem der großen Streitpunkte werden würde.

Er kann sich nur die Haare raufen: Robert Habeck bei einer aktuellen Stunde auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion zu den Heizungsplänen der Bundesregierung. (Foto: Kay Nietfeld/DPA)

Im März 2022 hat die Koalition noch ein ganz anderes Problem: Der Krieg in der Ukraine hat die Energiekosten explodieren lassen. Als die Spitzen der Koalition am Ende des Monates zusammentreten, beschließen sie nicht nur alle möglichen Entlastungen, eine vorübergehende Senkung der Mineralölsteuer und das Neun-Euro-Ticket - sondern auch eine raschere Verschärfung des Gebäudeenergiegesetzes. "Wir werden jetzt gesetzlich festschreiben, dass ab dem 1. Januar 2024 möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien betrieben werden soll", schreiben sie in ihren Beschluss. Was "jetzt" genau heißt, bleibt allerdings offen.

"Heizungs-Hammer" belastet Ampelkoalition

Den zugehörigen Gesetzentwurf sieht die Öffentlichkeit ein knappes Jahr später. Ende Februar wird er vorzeitig publik, durchgestochen an die Bild-Zeitung. Sie macht daraus den "Heiz-Hammer". Es ist der Moment, in dem sich der Fluch des Gesetzes einmal mehr ausbreitet. Von nun an belastet nichts das Klima in der Koalition so sehr wie der Versuch, den Klimaschutz in Gebäuden zu organisieren. "Bewusst" sei der Entwurf geleakt worden, "um dem Vertrauen in der Regierung zu schaden", beklagt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Gespräche seien mit Absicht zerstört worden, "des billigen taktischen Vorteils wegen". Die FDP dagegen sieht in den Plänen eine Zumutung für Millionen Haushalte. Der Entwurf wird abgeschwächt.

Ende März 2023, fast genau ein Jahr nach dem "jetzt"-Beschluss, befasst sich ein weiteres Mal der Koalitionsausschuss mit dem Gesetz. Ergebnis: Jetzt aber wirklich. Der Entwurf werde "von der Bundesregierung im April im Kabinett auf den Weg gebracht, um das Gesetz vor der Sommerpause im Bundestag zu beschließen". Und tatsächlich passiert der Entwurf im April das Kabinett. Allerdings mit einer Protokollnotiz von Finanzminister Christian Lindner (FDP): Sein Ministerium stimme in dem Bewusstsein zu, dass die Fraktionen des Bundestages "im parlamentarischen Verfahren diesen Gesetzentwurf intensiv beraten und auch weitere notwendige Änderungen vornehmen werden".

Knapp zwei Monate später kann dieses Verfahren nun beginnen. Der Plan ist festgehalten, wieder einmal schwarz auf weiß: "Wir werden in dieser Sitzungswoche eine erste Lesung im Parlament vornehmen", heißt es nun im Papier der Ampelfraktionen. "Mit dem Ziel, das Gesetz vor der Sommerpause zu verabschieden."

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