Alles klingt nach Fortschritt am Montag im Wirtschaftsministerium, soll es auch. Ein "starkes Signal" macht dort der grüne Minister Robert Habeck aus, "Entschlossenheit" und ein "breites Bündnis" - und das alles rund um die Wärmewende. Lauter Dinge also, um die in der Ampelkoalition seit Wochen gerungen wird, wenn es an die deutschen Heizungen geht. Doch bei Habeck und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) waren am Montag nicht die Koalitionäre zu Gast, sondern Vertreter von Kommunen, Stadtwerken, Verbraucherschutz: zum "Fernwärme-Gipfel". Die Ampel stritt derweil.
Der Ausbau der Fernwärme ist eines der entscheidenden Puzzlestücke für die Wärmewende der Ampelkoalition. Denn gerade in den Städten ist die direkte Versorgung mit Wärme oft die einfachste Art, Gebäude von fossiler Energie unabhängig zu machen. Nicht mehr Gas- oder Ölkessel sorgen dann für die Wärme in Heizkörpern und Wasserleitungen, sondern mehr oder weniger weit entfernte Heizkraftwerke. Die wiederum müssen bis 2030 mindestens zur Hälfte mit erneuerbarer Energie laufen - sei es aus der Verbrennung von Biomasse, mit Großwärmepumpen oder Geothermie. "Es sollen mittelfristig jährlich mindestens 100 000 Gebäude neu an Wärmenetze angeschlossen werden", heißt es in der gemeinsamen Erklärung der Fernwärme-Allianz.
Damit spielt die Fernwärme eine wichtige Rolle bei den Vorgaben, die künftig auf Deutschlands Heizkeller zukommen sollen. Schließlich soll in absehbarer Zeit jede neue Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien laufen - oder mit Fernwärme. Wo genau die Wärmenetze verlegt werden sollen, soll in Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern künftig eine "Wärmeplanung" offenlegen, das entsprechende Gesetz könnte noch diesen Monat das Kabinett passieren. Große Widerstände zeichnen sich bisher nicht ab.
Bis Dienstagvormittag muss klar sein, ob das Heizungsgesetz auf die Tagesordnung kommt
Doch während im Wirtschaftsministerium die Freunde der Fernwärme eine neue Allianz schmieden, reden sich ein paar Hundert Meter weiter die Koalitionsfraktionen die Köpfe heiß - über den heikleren Teil der Wärmewende: Welche Auflagen genau kommen auf Millionen Hausbesitzerinnen und -besitzer zu? Wann spätestens müssen sie alte Heizungen rausschmeißen, und welche Unterstützung erfahren sie dabei? Bis Dienstagvormittag muss klar sein, ob das "Gebäudeenergiegesetz" auf die Tagesordnung des Bundestages kommt. Gelingt das den Regierungsfraktionen nicht, wird es vor der Sommerpause nichts mehr mit der Heizungsnovelle. Dann hätte die Koalition bei einem ihrer Kernanliegen, dem Klimaschutz, ein ernstes Problem - und auch ihre Handlungsfähigkeit stünde infrage.
Dabei ist die Wärmewende längst unterwegs, jedenfalls bei neuen Gebäuden. Just am Montag legt das Statistische Bundesamt neue Zahlen dazu vor, sie dokumentieren einen Siegeszug der elektrischen Wärmepumpe. Demnach werden drei Viertel der Häuser, die im vorigen Jahr errichtet wurden, ganz oder teilweise mit erneuerbaren Energien beheizt. In 57 Prozent der neuen Gebäude übernimmt das eine Wärmepumpe. Erdgas, das im Jahr 2015 noch in jedem zweiten Neubau die wichtigste Heizenergie war, kommt 2022 noch auf gut ein Viertel Anteil. Noch deutlicher wird der Trend bei Baugenehmigungen, also bei Häusern, die erst noch errichtet werden: Bei drei Vierteln ist die Hauptwärmequelle erneuerbar. In 71 Prozent der Fälle heizt dereinst die Wärmepumpe. "Die Zahlen deuten auf einen absolut positiven Trend hin", sagt der SPD-Wohnungspolitiker Bernhard Daldrup. Der Neubau im Land sei "konsequent auf dem Weg zur Klimaneutralität".
Umstritten bleiben dagegen die Alternativen jenseits von Fernwärme und Wärmepumpe. Schon vorige Woche hatte ein Bündnis von Umweltverbänden davor gewarnt, vermehrt auf Holz und Holzpellets zu setzen. Das erhöhe den ohnehin massiven Druck auf die Wälder und sei letztlich nicht klimafreundlich, weil für jeden gefällten Baum erst einmal einer nachwachsen muss. Vor allem die FDP hatte darauf gedrängt, technologieoffen auch Brennstoffe wie Holz zuzulassen.
Am Montag nun legen die Umweltverbände WWF, BUND und Deutsche Umwelthilfe nach - mit Berechnungen des Prognos-Instituts zu den Heizkosten für Wasserstoff und Biogas. Sowohl in einem Einfamilienhaus als auch in einem Mietshaus wären demnach beide Varianten langfristig teurer als der Einbau einer Wärmepumpe. Der Kalkulation zufolge, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt, kostet der Betrieb einer auf Wasserstoff basierenden Heizung im Jahr 2035 mehr als doppelt so viel wie der einer Wärmepumpe. "So zu tun, als sei die Wasserstoffheizung eine gute Option, ist Verbrauchertäuschung", sagt WWF-Expertin Heike Vesper. Diese Art Heizung sei "wie Gold als Straßenbelag: ressourcenintensiv, ineffizient und teuer".