Amerika-Gipfel:In alter Feindschaft

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Aktivisten kritisieren in Los Angeles Joe Biden dafür, Kuba, Venezuela und Nicaragua vom Amerika-Gipfel auszuschließen. (Foto: FREDERIC J. BROWN/AFP)

Die USA laden in Los Angeles zum Amerika-Gipfel. Doch statt um brennende Probleme geht es bei dem Treffen der amerikanischen Staats- und Regierungschefs erst einmal um die Gästeliste.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Rein zwischenmenschlich gesehen ist die globale Großpolitik oft nicht allzu weit entfernt von der Welt pubertierender Teenager. Da gibt es alte Feind- und neue Freundschaften und sobald man sich trifft, kommt es zu Streit, darüber, wer wo stehen darf beim Gruppenfoto oder wie lang der Tisch war, an den der Gastgeber bat.

Manchmal aber fängt der Ärger schon viel früher an, so geschehen nun beim Amerika-Gipfel, der an diesem Montag in Los Angeles begann. Schon zum neunten Mal treffen sich bei ihm Staats- und Regierungschef aus Nord-, Zentral- und Südamerika sowie der Karibik, um aktuelle Probleme zu diskutieren. Von denen gäbe es genug: Der Ukrainekrieg ist auch hier zu spüren, die Inflation steigt, Rohstoffe werden knapp, dazu droht eine fatale Wirbelsturmsaison und gleichzeitig durchziehen gewaltige Flüchtlingsströme den Kontinent. Gerade machten sich in Südmexiko, in der Stadt Tapachula an der Grenze zu Guatemala, erneut mindestens 6000 Menschen auf den Weg Richtung Norden, die meisten aus Venezuela.

Zudem ist der Gipfel eigentlich auch ein Pflichttermin, der in der Vergangenheit historische Szenen hervorbrachte. 2015, beim siebten Amerika-Gipfel in Panama, reichten sich der damalige US-Präsident Barack Obama und Kubas Machthaber Raúl Castro symbolträchtig die Hand. Von einer Zeitenwende war damals die Rede, am Ende aber kam es anders, auf Obama folgte Donald Trump, der wiederum verschärfte die Sanktionen gegen Kuba und dort wiederum ging man immer härter gegen Kritiker und die Opposition vor. Zum Amerika-Gipfel in Los Angeles ist Kuba nun nicht einmal mehr geladen, ebenso wenig wie Vertreter der Regime in Venezuela oder Nicaragua teilnehmen dürfen.

Die USA haben bei vielen ihrer südlichen Nachbarn noch immer einen schlechten Ruf

Das wiederum führte zu heftiger Kritik. "Wird das der Amerika-Gipfel - oder der Gipfel der Freunde von Amerika?", fragte vor ein paar Wochen Andrés Manuel López Obrador, Mexikos stets an Schlagzeilen interessierter Präsident. Wenn nicht alle Staatschefs der Region eingeladen seien, sagte er, werde auch er nicht kommen.

Vor allem aus dem linken Lager der lateinamerikanischen Politik bekam er dafür breite Unterstützung. Die USA haben bei vielen ihrer südlichen Nachbarn noch immer einen schlechten Ruf, was vor allem historisch begründet ist, hat sich Washington in seinem selbsternannten "Hinterhof" doch über lange Zeit aufgespielt wie eine Kolonialmacht: Mal unterstützte man Staatsstreiche gegen demokratisch gewählte Präsidenten, mal schickte man Waffen an rechte Paramilitärs, und wenn gar nichts mehr half, sendete man notfalls auch Soldaten. Die USA haben viel Leid angerichtet in Lateinamerika, und wenn Washington nun eigenmächtig einige Länder der Region ausschließt vom Amerika-Gipfel, stößt das den anderen bitter auf.

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US-Präsident Joe Biden steckt dabei in einer Zwickmühle: Seit Jahren, teilweise sogar Jahrzehnten, versuchen die USA die Regime in Kuba, Nicaragua oder Venezuela mit Sanktionen zu schwächen, auch, weil mächtige Exil-Gemeinden in den Vereinigten Staaten immer wieder Druck machen. Innenpolitisch war es also vollkommen undenkbar, Machthaber wie Raúl Castro, Daniel Ortega oder auch Nicolás Maduro einzuladen. Letzterer müsste vermutlich sogar festgenommen werden, beträte er US-Boden, schließlich hatte Washington noch vor einigen Jahren eine Belohnung von 15 Millionen Dollar für die Ergreifung des venezolanischen Präsidenten ausgelobt.

Außenpolitisch aber ist die Lage anders: Nach jahrzehntelanger fast unangefochtener Dominanz verlieren die USA zunehmend an Einfluss in der Region. Für viele Länder in Südamerika ist China längst zum wichtigsten Geschäftspartner geworden. Das ist für die USA ärgerlich in Zeiten, in denen sich politische Allianzen neu ordnen und gleichzeitig ein immer heftigerer Wettkampf tobt um Rohstoffe, die weltweit knapp, in Südamerika aber oft in Fülle vorhanden sind.

Vor dem Amerika-Gipfel startete Joe Biden darum eine Charme-Offensive. Es gab Diplomatenbesuche, und es wurden persönliche Treffen mit dem US-Präsident in Aussicht gestellt. Einige Staatschefs ließen sich so am Ende doch noch zu einer Teilnahme überreden. Diejenigen, die nicht kommen dürfen, sagen dagegen, sie hätten ohnehin kein Interesse. In Nicaragua erklärte Machthaber Daniel Ortega: "Yankees, lasst uns doch einfach in Ruhe".

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