Havarie in der Nordsee:Wie eine Umweltkatastrophe im Wattenmeer verhindert werden soll

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Starker Südwestwind hat das Abschleppen des Frachters "Fremantle Highway" zu einem geschützteren Liegeplatz am Wochenende unmöglich gemacht. (Foto: AFP)

Der brennende Autofrachter ist an seinem neuen Ankerplatz angekommen. Warum es so schwierig ist, die "Fremantle Highway" zu bergen - und wie groß die Gefahr einer Ölpest noch immer ist. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Carina Seeburg

Unter Deck lodern die Flammen seit Tagen, an die Oberfläche dringen nur dichte Rauchwolken, die über der Nordsee hängen. Die Fremantle Highway war mit 3800 Fahrzeugen an Bord auf dem Weg nach Singapur, als der verheerende Brand in der Nacht auf Mittwoch ausbrach und die Besatzung zwang, das Schiff sofort zu verlassen: Einige sprangen ins offene Meer, die übrigen wurden mit Hubschraubern gerettet. Ein Bestatzungsmitglied starb. Seitdem versuchen Rettungskräfte, ein Sinken des Frachters und damit eine Umweltkatastrophe im Wattenmeer zu verhindern. Einen ersten Erfolg gab es am Montagmittag: Es ist gelungen, das Schiff an einen weniger gefährlichen Ankerplatz zu schleppen. Wie die Bergung abläuft und wie groß die Gefahr einer Ölpest in der Nordsee bleibt. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Wie ist der Zustand des Frachters?

Obwohl der seit sechs Tagen wütende Brand schwächer geworden ist, bleibt die Gefahr groß, dass die Stahlwände der Hitze irgendwann nicht mehr standhalten. Bei Rissen oder einem Auseinanderbrechen droht eine Umweltkatastrophe. Nach Einschätzung der Wasserbehörde in Den Haag ist das Schiff bisher aber stabil. Inzwischen konnten Bergungsspezialisten die Fremantle Highway betreten, nachdem Temperaturmessungen ein Abschwächen des Flammeninfernos im Inneren bestätigt hatten. Die Stahlwände hätten auch unter der Wasserlinie standgehalten, hieß es danach. Experten überwachen nun laufend die Stabilität.

Das Feuer auf der "Fremantle Highway" zwang die Besatzung, das Schiff mitten in der Nacht zu verlassen: Einige sprangen 30 Meter in die Tiefe. (Foto: Niederländische Küstenwache/dpa)

Wie läuft die Bergung ab?

Bergungsspezialisten haben es geschafft, den rund 200 Meter langen Frachter zu einem neuen Liegeplatz zu bringen. Die Fremantle Highway liegt nun etwas weiter im Osten als vorher, nämlich etwa 16 Kilometer nördlich der Wattenmeerinsel Schiermonnikoog. Der Positionswechsel war ein riskantes Unternehmen, das brennende Schiff wurde dabei von zwei Schleppern gezogen. Der Transport sei ohne Probleme verlaufen, teilte die niederländische Wasserstraßenbehörde am Montag mit. Mehrere Schiffe hatten den Frachter zudem begleitet, darunter ein Spezialschiff, das bei einem Leck Öl aufnehmen kann. Die Schlepper fuhren langsam, mit etwa 5,5 Kilometer pro Stunde. Am neuen Liegeplatz wird das Schiff nun von zwei Schleppern in Position gehalten, bis ein Hafen gefunden ist, der es aufnehmen kann. Für weitere Schritte der schwierigen Bergungsaktion muss das Feuer an Bord aber erloschen sein.

Warum die neue Position?

Die Fremantle Highway, die unter der Flagge von Panama fährt, war unterwegs von Bremerhaven nach Port Said in Ägypten, wobei die japanische Reederei Kawasaki Kisen Kaisha erklärte, das Schiff sollte zunächst Singapur ansteuern. Als das Feuer ausbrach, befand der Frachter sich gerade 27 Kilometer nördlich der niederländischen Nordseeinsel Ameland. Anschließend ist er in eine Position etwa 16 Kilometer nördlich der Insel Terschelling abgetrieben.

Damit lag die Fremantle Highway zwischen zwei stark befahrenen Schifffahrtsrouten von und nach Deutschland - wie ein brennender Lkw auf dem Grünstreifen zwischen zwei Autobahnen. Der neue Ankerplatz im Norden von Schiermonnikoog liegt weniger dicht an den großen Schifffahrtsrouten, zudem ist er windgeschützter.

(Foto: SZ-Grafik)

Warum ist es so schwierig, den Brand zu löschen?

Durch die starke Rauchentwicklung ist es nicht möglich, dass Löschteams sicher an Bord gehen können. "Auf dem Schiff selbst wird nicht gelöscht und auch nicht von oben herab", sagte ein Sprecher der Küstenwache. Bei zu viel Wasser auf dem Frachter könne dieser kentern. Daher haben Löschboote, darunter auch eins aus Deutschland, zunächst nur die Seitenkanten des Schiffes gekühlt. Auch die Kühlung wurde schließlich abgebrochen, um die Stabilität des Schiffes nicht zu gefährden.

Wegen der Gefahr von zu viel Löschwasser an Bord kann das Feuer nicht von oben gelöscht werden. Zeitweise wurden stattdessen die Seitenkanten mit Meerwasser gekühlt. (Foto: AFP)

Der Brandherd war möglicherweise die Batterie eines Elektroautos. Die genaue Ursache steht aber noch nicht fest. Sicher ist, dass vor allem die Lithium-Ionen-Batterien der 500 E-Autos an Bord die Löscharbeiten massiv erschweren. Einmal in Brand geraten, können sie nicht mit Wasser oder durch Sauerstoffentzug gelöscht werden, zu hoch wäre das Explosionsrisiko. Zudem können sich brennende Lithium-Ionen-Batterien durch thermische Prozesse spontan wieder entzünden. Sie müssen daher mit speziellen Stoffen gelöscht werden, die sich jedoch schwer unter Deck bringen lassen.

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Da das Feuer an Bord noch nicht unter Kontrolle gebracht werden konnte und die Schiffsstruktur vermutlich bereits stark beschädigt ist, lässt sich weiterhin nicht ausschließen, dass der Frachter sinkt und eine Umweltkatastrophe auslöst. An Bord der Fremantle Highway befinden sich nach Angaben des Bundesumweltministeriums 1600 Tonnen Schweröl und weitere 200 Tonnen Marinediesel, außerdem mögliche Tankinhalte sowie toxische Materialien der transportierten Fahrzeuge. Hinzu kommen Verbrennungsrückstände und Löschwasser. Sollte das Schiff sinken, besteht das Risiko, dass Schadstoffe unkontrolliert freigesetzt werden - was sowohl die deutsche als auch die niederländische Nordseeküste schwer treffen könnte.

"Der einzigartige Nationalpark Wattenmeer ist ernsthaft in Gefahr", warnte Bundesumweltministerin Steffi Lemke. Es droht nicht nur eine Ölpest, auch massive Schäden durch austretende Säuren und Schwermetalle, die das Ökosystem nachhaltig schädigen, sind möglich. Lebensräume im Nationalpark und bedrohte Arten sind somit in Gefahr. Insbesondere Seevögel wären betroffen.

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