Kochel am See:Weitere Demos gegen Verkehrsüberlastung in den Alpen

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Der Kochelsee ist ein beliebtes Ausflugsziel. Der damit verbundene Verkehr bereitet allerdings nicht nur dem örtlichen SPD-Chef Sebastian Salvamoser großen Kummer. (Foto: Manfred Neubauer)

Der starke Ausflugsverkehr nervt zunehmend auch die Anwohner des Kochelsees. Am 22. August wollen sie deshalb auf die Straße gehen. Auch in anderen Orten sind noch Kundgebungen geplant.

Von Petra Schneider, Kochel am See

Im vergangenen Jahr haben verkehrsgeplagte Anwohner des Walchensees die erste Demonstration in der Geschichte des Ortes organisiert. Unter dem Motto "Uns stinkt's" gingen 150 Bürger auf die Straße. Das Medieninteresse stieg, die Staatsregierung war alarmiert - der Verkehr ist seitdem allerdings nicht weniger geworden, im Gegenteil. In diesem Corona-Sommer staut es sich am Walchensee noch mehr. Aber nicht nur dort - auch den Kochlern geht deshalb langsam die Geduld aus.

"Es brodelt", sagt Sebastian Salvamoser, der neu gewählte Vorsitzende des SPD-Ortsvereins. Vor allem der Durchgangsverkehr, der in Kochel rund die Hälfte ausmacht, nervt die Anwohner: In der Blessingkurve, wo die Bundesstraße 11 Richtung Kochel- und Walchensee abzweigt und die Staatsstraße 2062 aus Schlehdorf einmündet, staut sich der Verkehr oft kilometerlang. Und zwar an schönen Wochenenden bereits ab den frühen Morgenstunden, beobachtet Salvamoser. Dazu kommen die vielen Motorradfahrer, die den Kesselberg hochfahren wollen. Die SPD hat das Thema nun für sich entdeckt: Der Ortsverein will die regionsweite Demo-Tour unter dem Motto "Ausbremst is" am 22. August in Kochel organisieren. Wie die Kundgebung ablaufen soll, werde derzeit mit dem Landratsamt besprochen, sagt Salvamoser. Aber wohl analog zur Veranstaltung in Wallgau: Dort fand am 25. Juli der Auftakt statt. Rund 200 Demonstranten blockierten für eine Stunde die B 11. Weitere Kundgebungen sind in Grainau (8. August), Murnau (5. September) und Garmisch-Partenkirchen (12. September) geplant.

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Die Probleme sind überall die gleichen, auch die Forderungen: Nachhaltige Verkehrskonzepte für die betroffenen Orte, Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs in der Region, Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene. An der Demo in Wallgau nahm auch der Münchner SPD-Landtagsabgeordnete Florian von Brunn teil. Er sprach sich danach für eine "Verkehrswende in den Alpenlandkreisen" aus. Von Brunn, Umweltexperte der SPD-Fraktion, hat im Landtag einen Antrag zur Analyse der Situation und für eine "wissenschaftliche Ausarbeitung einer Verkehrswende" eingebracht.

"Die Lage ist dramatisch - und das von Berchtesgaden über Kochel und Wallgau bis ins Allgäu", sagt von Brunn. Die SPD fordert deshalb den zweigleisigen Ausbau der Werdenfelsbahn, die München im Stundentakt mit Kochel, Murnau oder Garmisch verbindet. Die Kapazitäten auf allen Alpenstrecken müssten ausgeweitet und viel mehr Busse eingesetzt werden. "Hier ist der Freistaat in der Pflicht", sagt Florian von Brunn. Denn von einem umweltfreundlichen Verkehr profitierten nicht nur die Anwohner, sondern auch der Tourismus: "Kein Urlauber wünscht sich Lärm, Stau und Abgase in seinem Urlaubsort", betont Martina Fehlner, die tourismuspolitische Sprecherin der Landtags-SPD.

Der Kochler SPD-Chef Sebastian Salvamoser. (Foto: Manfred Neubauer)

Das Engagement der Genossen begrüßt Salvamoser. Für ihn als örtlichen Parteichef gehe es freilich zuallererst um die Frage, was man in Kochel tun könne, sagt der 28-Jährige. Die Parkplatzsituation im Ort sei angespannt, vor allem im Bereich "Am Sonnenstein". Aber nicht ganz so schlimm wie in Walchensee, denn immerhin gebe es in Kochel eine Zuganbindung und eine angekoppelte Buslinie, die im Stundentakt zum Walchensee fährt. Grundsätzlich eine gute Sache, findet Salvamoser, aber die Kapazitäten reichten an schönen Wochenenden nicht aus. "Ich kriege immer wieder zu hören, dass Leute am Bahnhof stehen bleiben, weil die Busse voll sind."

Dass die Gemeinde einen Fahrradschutzstreifen zwischen Heimatbühne und "Grauer Bär" aufbringen will, befürwortet Salvamoser ebenfalls. Aber der Abschnitt sei zu kurz, denn die für Radfahrer problematische Strecke zwischen Bahnhof und Heimatbühne werde ausgelassen. Um den Walchensee zu entlasten, müsste seiner Ansicht nach das Ufer des Kochelsees attraktiver gemacht werden. "Uns geht es ausdrücklich nicht darum, zu sagen, wir wollen nicht, dass Leute zu uns kommen", betont Salvamoser. Der Gemeinderat hat kürzlich einen Wohnmobilstellplatz an der Triministraße samt öffentlichem Sanitärgebäude gebilligt. Klaus Barthel, einziger SPD-Vertreter im Kochler Gemeinderat, hat dagegen gestimmt, weil er die Planungen für überdimensioniert hält. Zunächst sind 90 Stellplätze vorgesehen, eine Erweiterung auf der Seeseite wäre möglich. Man müsse eben abwägen, sagt Salvamoser: Führt das neue Angebot zu einer Entlastung des Walchensees oder schafft man dadurch weitere Probleme in Kochel. Die Polizei rüstet sich jedenfalls für noch mehr Ausflugsverkehr. Bis zum Ende der bayerischen Sommerferien werde an den Wochenenden verstärkt kontrolliert, insbesondere beim Parken, teilt das Polizeipräsidiums Oberbayern-Süd mit.

© SZ vom 06.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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