Verkehr in Bayern:Aufstand am Walchensee

Verkehr in Bayern: Oben am Herzogstand hat man einen wunderbaren Blick auf den Walchensee. Und weil man in dem auch wunderbar baden kann, sind die Straßen rund um den See oft mit Ausflugsverkehr verstopft.

Oben am Herzogstand hat man einen wunderbaren Blick auf den Walchensee. Und weil man in dem auch wunderbar baden kann, sind die Straßen rund um den See oft mit Ausflugsverkehr verstopft.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Anwohner des Walchensees sind entnervt von dem vielen Ausflugsverkehr. Am Sonntag wollen sie deshalb unter dem Motto "Uns stinkt's" auf die Straße gehen.

Von Petra Schneider

Dass der Walchensee Gefahr läuft, zu Tode geliebt zu werden, ist seit Jahren bekannt. An schönen Tagen wird das Naturjuwel von Ausflüglern überschwemmt. Die Wiesen sind zugeparkt, die Mülleimer quellen über, die Dixiklos am Strand sind verdreckt. Wenn Frank Sommerschuh an einem Sonntagnachmittag von seinem Wohnort Walchensee nach Kochel fahren will, muss er eine Stunde früher los, weil sich der Verkehr den Kesselberg hinunter bis zur Blessingkurve in Kochel staut. Den Anwohnern reicht es schon lange, nun wollen sie auf die Straße gehen, um auf die unzumutbare Situation aufmerksam machen und den Druck auf die Politik erhöhen.

Unter dem Motto "Uns stinkt's" findet am Sonntag eine Demonstration statt - die erste überhaupt in Walchensee. Beginn ist um 11.15 Uhr mit einer Kundgebung beim Café Bucherer, dann werden die Demonstranten auf der Bundesstraße 11 bis zum Gasthof Edeltraut ziehen. Organisiert wird die Demo von Frank Sommerschuh, Julia Schuster, der Pächterin des Cafés Bucherer, und dem Kochler Gemeinderat Reinhard Dollrieß (Freie Wähler). Auch Bürgermeister Thomas Holz (CSU) hat sein Kommen zugesagt. "Ganz Walchensee ist genervt von dem Ausflugsverkehr", sagt der Rathauschef. Deswegen werde auch er sich der Demo anschließen.

Sommerschuh rechnet mit 60 bis 100 Teilnehmern - keine überwältigend hohe Zahl. Der Vormittagsgottesdienst in der Evangelischen Kirche wurde aus Angst vor einem leeren Gotteshaus vorsorglich abgesagt. Nicht, dass dann alle lieber bei dem Protestzug dabei sind. "Der harte Kern der Walchenseer wird da sein", sagt Demo-Organisator Sommerschuh.

Etwa 350 Leute leben in dem idyllischen Ort am See, mit den temporären Bewohnern der Zweitwohnungen sind es um die 800. Nicht alle finden die Idee mit der Demo gut. Der Ort sei in dieser Frage gespalten, sagt Sommerschuh. Seit 2002 lebt der 51-Jährige, der als Koch bei den Oberland-Werkstätten in Miesbach arbeitet, mit seiner Familie in Walchensee. Mit dem Verkehr und den Ausflüglern werde es immer schlimmer, beobachtet er. Der Großraum München wächst, jedes Jahr kommen 30 000 Einwohner dazu, von denen viele ihre Freizeit im Oberland verbringen.

Thomas Holz

"Ganz Walchensee ist genervt vom Ausflugsverkehr", sagt Bürgermeister Thomas Holz.

(Foto: Privat)

Im Winter werde es am Walchensee ein bisschen ruhiger. Damit sich das Problembewusstsein aber nicht auch in die Winterruhe verabschiedet, habe man die Demo für diesen Sonntag angesetzt, sagt Sommerschuh. Als Kritik an der Lokalpolitik will er die Aktion nicht unbedingt verstanden wissen. "Die Gemeinde macht einen guten Job", findet er. Aber es müsse endlich mehr passieren, damit der Walchensee nicht zu einem Großparkplatz verkomme und Anwohner und Umwelt Schaden nehmen.

Das Thema ist nicht neu, in den vergangenen zwölf, 13 Jahren hat es etliche Konferenzen und runde Tische gegeben, die eine bessere Steuerung des Verkehrs in der Walchenseeregion erarbeiten wollten. Gelungen ist das bisher nicht. Vor zwei Jahren haben Bürgermeister Holz und sein Jachenauer Amtskollege Georg Riesch bei der Regierung von Oberbayern Alarm geschlagen.

Eigentlich sei das Verkehrskonzept gut, sagt der Organisator der Demonstration - nur umgesetzt werden müsse es endlich

Anfang diesen Jahres wurde das Walchenseekonzept beschlossen, das unter Einbindung von staatlichen Behörden, Landkreis, Kommunen und Nutzergruppen 14 Maßnahmen vorschlägt. Dazu gehören Parkgebühren, ein Parkleitsystem, eine bessere Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) oder eine App, die über die aktuelle Parksituation am Walchensee informieren soll. Um den Durchgangsverkehr zu begrenzen, fordert Bürgermeister Holz eine Verkehrsregulierung der B 11, die oft als Ausweichroute für die A 95 genutzt wird.

"Das Walchenseekonzept ist gut", findet Sommerschuh, "das geht alles in die richtige Richtung." Nur umgesetzt werden müsse es jetzt endlich. Kritik übt er an den Bayerischen Staatsforsten, die bisher nicht aktiv geworden seien. Der Walchensee und die Süduferstraße sind im Eigentum des Freistaats, bewirtschaftet wird das Gebiet von den Bayerischen Staatsforsten. Die Behörde sei deshalb nach Ansicht von Sommerschuh zuständig für die Installierung eines digitalen Parkleitsystems an der Mautstraße, wie es im Konzept vorgesehen ist.

Konzept für den Walchensee

Um sich über die Verhältnisse am Walchensee zu informieren, war Gerhard Eck (CSU), Staatssekretär im bayerischen Innenministerium, fast genau vor einem Jahr zu Besuch im Kochler Rathaus. Der Landtagsabgeordnete Martin Bachhuber<ET>(CSU), Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler) sowie die Bürgermeister Thomas Holz (Kochel) und Georg Riesch (Jachenau) stellten dabei die Planungen zu den Workshops für ein Walchensee-Konzept vor. Eck versprach, die Kommunen zu unterstützen, und lud die damaligen Gesprächspartner nun zu einem Treffen ein. "Da die bei den Workshops erarbeiteten Maßnahmen teils sehr komplexe Themenfelder betreffen, bei denen oft gleich mehrere Ministerien zuständig sind, ist es wichtig, dass hier die Koordination und Abstimmung übernommen wird", so Niedermaier. Im nächsten Schritt werden mit den Vertretern des Innen- und des Verkehrsministeriums konkrete Maßnahmen für die Parkplätze am See und die Einmündung von der Bundesstraße<ET>11 in die Mautstraße besprochen. "Wichtig war uns vor allem zu schildern, dass die Verhältnisse auch in diesem Jahr teilweise unerträglich waren", sagen die beiden Bürgermeister unisono.

Welche Auswirkung es haben kann, wenn Rettungswege zugeparkt werden, habe man bei dem schrecklichen Quad-Unfall im August gesehen: Wenn die Mautstraße nicht gesperrt worden wäre, hätten die Rettungskräfte die Unfallstelle mit drei Schwerverletzten nicht anfahren können, weil die Süduferstraße total verstopft gewesen sei. Sommerschuh fordert deshalb mehr Polizeikontrollen und härtere Strafen.

Als positives Beispiel nennt er die rigorosen Regelungen in der Tiroler Gemeinde Leutasch: 300 Euro für Falschparker - "da stellt sich niemand mehr ins Parkverbot." Ein Verstoß gegen das Nachtparkverbot am Walchensee werde dagegen mit nur 15 Euro geahndet. Das schrecke die Leute nicht ab, "die fragen höchstens noch nach, ob sie nicht gleich für zwei Tage zahlen können", sagt er bitter.

Vernünftige Toiletten und Wickelmöglichkeiten am Badestrand, mehr Polizei, die auch das Camping-Verbot im Landschaftsschutzgebiet überwachten - das sei nötig. Erste Verbesserungen gebe es bereits, sagt Sommerschuh. Dass der RVO nun an schönen Tagen zusätzliche Entlastungsbusse einsetzt, die Wanderer vormittags und nachmittags vom Bahnhof in Kochel zum Parkplatz am Herzogstand und wieder zurück bringen, "das ist super und wird auch gut angenommen." Ein Ausbau des ÖPNV und vernünftige Fahrpreise, das sei vermutlich sowieso die Lösung - für den Walchensee und seine Anwohner, aber auch für die Ausflügler. "Die hätten dann keinen Stress mehr im Stau oder bei der Parkplatzsuche."

Zur SZ-Startseite
Cruise ship passing on the River Danube Passau Bavaria Germany Europe PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUT

Tourismus
:"Passau wird zur Pappkulisse"

Mozartkugeln, Oktoberfesthüte, Kuckucksuhren: Haben mit Passau nix zu tun, sind bei Touristen aber gefragt. Weil immer mehr in die Stadt kommen, sorgen sich die Einheimischen. Der OB dagegen findet alles "sehr erfreulich."

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: