Scholz und Söder in Geretsried:Weltgeschehen im Wald

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Bundeskanzler Olaf Scholz zu Besuch am Bohrplatz in Gelting. (Foto: Hartmut Pöstges)

Bundeskanzler Olaf Scholz, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und die halbe Staatsregierung besuchen in Gelting das innovative Geothermie-Projekt Eavor-Loop. Denn hierauf liegen die Hoffnungen auf einen Durchbruch in der Energiewende.

Von Claudia Koestler, Geretsried

Klar, Barack Obama ist hier auch schon mal gewesen, zumindest auf der Durchfahrt zum G 7-Gipfel. Und Joe Biden. Spitzen- und Weltpolitiker mitsamt ihrer Entourage und den begleitenden maximalen Sicherheitsvorkehrungen im Landkreis, das kommt vor. Doch das, was der Geretsrieder Ortsteil Gelting am Donnerstag erlebte, war nochmal ein Schaulaufen der eigenen Art, zumal in einer besonderen Mission: Energiewende und Klimarettung. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Ministerpräsident Markus Söder (CSU), die halbe bayerische Staatsregierung sowie Politiker der kanadischen Regierung sind an diesem Tag an den Bohrplatz auf Gut Breitenbach gekommen. Sie wollten sich zur Einweihung des innovativen und weltweit ersten kommerziellen Geothermie-Projekts Eavor-Loop über diese Technologie informieren. Denn auf ihr ruhen ganz große Hoffnungen: Es soll, wie Eavor-Geschäftsführer und Europa-Chef Daniel Mölk selbstbewusst erklärte, die dritte Säule der erneuerbaren Energien in Deutschland werden. "Genau in diesem Moment, genau hier unter unseren Füßen wird Energiegeschichte geschrieben", so Mölk.

Bundeskanzler Olaf Scholz (2.v.r.) und Ministerpräsident Markus Söder (re.) in Gelting. (Foto: Hartmut Pöstges)

Dass die große Politik ihr Augenmerk auf den Geltinger Bohrplatz richtet, liegt einerseits am brandheißen Thema der Energiekrise, das durch den geopolitischen Konflikt in der Ukraine noch einmal brisanter geworden ist. Andererseits daran, dass diese Art der geothermischen Energiegewinnung, sollte sie in Gelting erfolgreich sein, eine Blaupause für andere Gemeinden oder auch Industriekunden weltweit werden kann. Durch die neuartige Loop-Technologie könnten ohne Vorkommen von Tiefenwasser und ohne Fündigkeitsrisiko standortunabhängig tiefengeothermische Kraftwerke entstehen. Der Anteil der Geothermie am Energiemix der Zukunft ließe sich so über die bisherige Prognose hinaus erheblich steigern.

Ein Festzelt am Bohrplatz auf Gut Breitenbach hatte Platz für an die 300 Gäste - und natürlich die Politprominenz. Bildungs- und Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (links) neben Bundeskanzler Olaf Scholz. (Foto: Hartmut Pöstges)

Im Glanz eines solchen möglichen Durchbruchs wollten sich entsprechend viele - über alle Parteien hinweg - am Donnerstag sonnen. Und Eavor klotzte nicht nur verbal, sondern auch, was die Größe des Events anging - mit entsprechenden Folgen. Medienvertreter aus ganz Deutschland waren angereist, unzählige Polizei- und Sicherheitskräfte riegelten das Gelände in mehreren Schichten ab. Wer akkreditiert war - an die 300 Menschen hatten im Festzelt Platz - musste bis zu sechs Kontrollen überwinden. Nicht alle, die gerne eingeladen gewesen wären, durften kommen. Geretsrieder Stadträte etwa mussten verzichten, Platz war lediglich für die Fraktionssprecher. Andere wiederum unterbrachen ihren Urlaub für die Kanzlervisite, etwa Geretsrieds Bürgermeister Michael Müller (CSU).

Im Zelt kämpften die Klimazonen im Kleinen: Während heiße Herdplatten über Stunden vor sich hin bullerten, ratterte eine Klimaanlage keine drei Meter daneben gegen einen der heißesten Tage des Jahres an. Dazwischen ein Mann, der die Rede von Scholz zu protokollieren hatte. "Solche Termine im Wald sind jetzt eher selten", gab er zu. Drei Stunden später gebe es in München noch einen weiteren Scholz-Termin, dazwischen: "Was wird er wohl machen - es ist Wahlkampf. Das kann man sich denken", deutete der Protokollant an.

Hoch hinaus: Die Ehrengäste unternahmen eine Baustellenführung und kletterten auch auf den Bohrturm. (Foto: Hartmut Pöstges)

Auch Müller vermutete, dass im Besuch ein bisschen Wahlkampf mitschwinge. "Es ist halt ein positiv besetztes Thema", sagte der Geretsrieder Rathauschef. Weshalb Gelting vielleicht "Chefsache" geworden sei, obwohl die Energiewende ja eigentlich eher in der Verantwortung von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) liege, mutmaßte Klaus Barthel, Kreisvorsitzender der SPD.

Scholz selbst gab sich während des Rundgangs, vor allem aber während seiner kurzen Rede im Festzelt sachlich, wohlwollend, vermied aber jedwede wahlkämpferischen Untertöne. Anders als Söder, der vor ihm "einen Werbeblock" für Bayern aufs Podium brachte. "Bayern ist wunderschön und prägt im wesentlichen das Bild von Deutschland", nahm er eine Steilvorlage von Mölk an und richtete dies direkt an den Kanzler. Das Land sei "trendy und traditionell". Und Bayern sei die Nummer 1 in Sachen Geothermie in Deutschland. Zwar sei bisher nie der ganz große Durchbruch gelungen - bisher: "Jetzt wird es die ganz große Hoffnung der Zukunft", sagte er über Eavor-Loop.

Bundeskanzler Olaf Scholz sprach eine knappe Viertelstunde vor den Gästen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Scholz indes nannte es "eine technische Meisterleistung, die Sie sich hier mit diesem Projekt vorgenommen haben, meine Damen und Herren". Wenn dies gelinge, wäre es nicht nur ein großes Stück Ingenieurskunst, "sondern ein noch größerer Fortschritt für unsere Wärmewende". Denn dann könnte man Geothermie unabhängig vom Thermalwasser an sehr vielen Orten nutzen, und das hieße mehr saubere Wärmeversorgung. "Dafür reicht business as usual nicht aus. Dafür muss man sich auch mal was trauen. Auch mal Hochinnovativem eine Chance geben - und genau das tun Sie hier. Herzlichen Erfolg." Ins Goldene Buch der Stadt Geretsried hatte er sich schon zuvor beim Eintritt ins Zelt eingetragen. Mit 20 Minuten Vorsprung vor der Presse und lokalen Honoratioren verließ er das Gelände, nicht ohne weitere Einladungen erhalten zu haben: Söder legte ihm die Tölzer Leonhardifahrt ans Herz, Mölk die Inbetriebnahme des Eavor-Loops.

Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Geretsried. (Foto: Hartmut Pöstges)
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