Spatenstich:Erdwärme mit Schleifen

Spatenstich: Diesmal solls klappen: Zuversichtliche Vertreter der Investoren und der Politik beim Spatenstich für die Geothermieanlage in Gelting.

Diesmal solls klappen: Zuversichtliche Vertreter der Investoren und der Politik beim Spatenstich für die Geothermieanlage in Gelting.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Zweimal hat man in Gelting vergeblich versucht, Geothermie als Energiequelle nutzbar zu machen. Nun soll es endlich gelingen: Das Start-Up Eavor will Wasser durch "Loops" tief in die Erde leiten.

Von Veronika Ellecosta, Geretsried

Die Herbstsonne am Gut Breitenbach steht am Freitagvormittag so tief, dass die säuberlich am Zaun aufgereihten Spaten und Helme lange Schatten auf den laubbedeckten Boden werfen. Die Spaten stehen für Tatendrang, Hoffnung und Zuversicht. Das ist wichtig, denn: In Breitenbach findet der erste Spatenstich für das neue Geothermieprojekt statt, das nun endlich die Erdwärme in Gelting nutzbar machen soll. Alle, die die Zuversicht teilen, haben sich zusammengefunden, um diesen Akt feierlich zu begehen. Der CSU-Bundestagsabgeordnete des Stimmkreises Alexander Radwan ist da, Landrat Josef Niedermaier, die Bürgermeister aus den angrenzenden Gemeinden, zuständige Baufirmen, und Investoren.

Zweimal schon, 2013 und 2017, hat das Unternehmen Enex am Gut Breitenbach Bohrungen abgeteuft, um Thermalwasser zu erschließen und regenerative Energie nach oben zu befördern. Bisher waren alle Mühen jedoch vergebens: Zwar ergaben die Untersuchungen bei den ersten beiden Bohrprojekten, dass sehr wohl heißes Gestein unterhalb von Gelting schlummert. Da das Grundwasservolumen aber zu gering ist, kann keine konventionelle Geothermie betrieben werden. Deshalb nimmt Enex gemeinsam mit dem kanadischen Start-Up Eavor nun ein drittes Mal Anlauf. Die Betreiber in spe behelfen sich der neuen "Eavor-Loop"-Technologie. Vereinfacht gesagt soll Wasser 4500 Meter tief in ein geschlossenes System eingeleitet werden, durch das heiße Gestein erhitzt werden und an die Oberfläche steigen, um Wärmeenergie zu gewinnen. Zwei Bohrplätze mit insgesamt vier "Loops" werden auf dem Gut aufgebaut. Fertiggestellt werden soll die Anlage im Juni 2023.

Spatenstich: Die Bohrtürme, mit denen die Ruhr-Uni Bochum das Gelände erforscht hat, sind bereits abgebaut. Bald werden neue zu sehen sein.

Die Bohrtürme, mit denen die Ruhr-Uni Bochum das Gelände erforscht hat, sind bereits abgebaut. Bald werden neue zu sehen sein.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Eavor hat die Loop-Technologie zunächst im kanadischen Alberta in einer Tiefe von 2400 Metern erprobt, in Gelting soll sie nun erstmals weltweit kommerziell genutzt werden. Bisher, sagt Eavor-Geschäftsführer Andreas Gahr, steckte die Geothermie in Kinderschuhen: Man habe stets nach dem am besten geeigneten Geologie gesucht, um Erdwärme zu nutzen. Mit Eavor Loop werde das nicht mehr nötig sein: Überall auf der Welt, wo es heiße Gesteinsschichten gibt, könne auch ohne die zuvor benötigten Grundwasservorkommen Wärme an die Oberfläche transportiert werden. Eavor hofft, damit eine Antriebsfeder für die Nutzung erneuerbarer Energien zu schaffen. Der Spatenstich für das Loop-System ist also auch eine Weltpremiere. Geht das Projekt auf, wäre das ein weiterer wichtiger Schritt weg von fossiler Energie. Dass es funktionieren wird, darin ist sich Projektleiter Fabricio Cesari sicher.

Auch die Gäste aus der Politik und Wirtschaft halten mit ihrer Zuversicht nicht hinterm Berg, ohne jedoch die vergangenen Misserfolge zu verschweigen. "Geothermie ist ein Marathon, aber in Gelting hatten wir oft das Gefühl, es ist eher ein Iron Man. Nur bisher ohne den Teil mit dem Wasser", fasst es Andreas Gahr zusammen. Von der Geothermie sei er schon immer überzeugt gewesen, sagt Radwan. Besonders in der aktuellen Zeitenwende sei die Energieversorgung ohne Ausstoß von Schadstoffen wichtig. Auch Landrat Niedermaier übt sich in Optimismus und bekräftigt seinen Glauben an den Standort und die Technologie. Er war bereits bei der ein oder anderen Auftaktveranstaltung von vergangenen Bohrprojekten dabei und lobt den Mut der Investoren, das unternehmerische Risiko auf sich zu nehmen. "Hut ab vor der Leidensfähigkeit." Der Geretsrieder Bürgermeister Michael Müller (CSU) hebt die Rolle seiner Stadt hervor: Mit seinem Klimaschutzkonzept habe Geretsried 2010 den Grundstein für die Geothermiebohrungen gelegt. "Trotz der Misserfolge sind wir nicht müde, an der Idee festzuhalten", sagt Müller. "Wir hoffen als Gemeinde auf den Erfolg, um mit Wolfratshausen ein Wärmenetz aufbauen zu können. Das wäre ein wichtiger Eckpfeiler im Klimaschutz."

Bis die Investitionen Gewinne abwerfen und die Zuversicht belohnt wird, ist der Weg allerdings noch weit: Bis Januar 2024 soll der erste von den vier Loops fertiggestellt sein. Dieser soll im Idealfall voraussichtlich im März desselben Jahres in Betrieb gehen und erst einmal Strom produzieren. Im selben Jahr soll auch ein Fernwärmekraftwerk entstehen, mit dem die beiden Städte Geretsried und Wolfratshausen dann das Fernwärmenetz aufbauen können. Damit könnte die Anlage ein Vorreiter für den Ausbau regenerativer Energie in Europa werden und einen wichtigen Beitrag zu einer klimaneutralen Zukunft leisten. Der erste Spatenstich in diese Richtung wurde am Freitag am Gut Breitenbach schon einmal getan.

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