Neueröffnungen:"Die Krise ist nur eine Durststrecke"

Lesezeit: 3 min

Simone Stark in ihrem Laden für gebrauchte Brautkleider in Haidhausen. (Foto: Florian Peljak)

Eigentlich ist dieses Corona-Jahr kein guter Zeitpunkt, um einen neuen Laden zu eröffnen. Drei Münchner erzählen, warum sie es trotzdem gewagt haben.

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Es braucht immer Mut, einen eigenen Laden zu eröffnen, aber besonders viel Mut braucht es in diesen Tagen. Wer weiß schon, wann die nächsten Einschränkungen kommen. Wie viele Kunden dann in den Laden dürfen, sofern er noch offen haben darf. Und wie lange das alles noch dauert.

Wer eine gute Idee hat, will die aber trotzdem nicht bis ins ungewisse Irgendwann aufschieben. Oder er hat, wie Simone Stark, den festen Job schon an den Nagel gehängt und den Laden angemietet. Dann gibt es kein Zurück mehr. Nur ein Augen zu und durch. "Ich bin kein Aufgebertyp, und das hier schon gleich gar nicht", sagt Stark. "Das hier", das ist das "Bridal Studio Hugs & Kisses" in der Kellerstraße 35d. Ein Laden für nachhaltige Brautmode und weitere Hochzeitsartikel aus zweiter Hand. Eine Idee, von der Simone Stark überzeugt ist, und auch überzeugt davon, dass sie wirtschaftlich funktionieren wird. "Die Krise ist nur eine Durststrecke. Und wenn die vorüber ist, werden sich viele freuen, wieder mit Freunden und Familie feiern zu können", sagt Stark.

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"Bridal Studio Hugs & Kisses" für nachhaltige Brautmode

20 Jahre hatte sie bei namhaften Münchner Unternehmen gearbeitet, aber seit ihrer eigenen Hochzeit letztes Jahr trieb die diplomierte Bekleidungstechnikerin und Schneiderin die Idee mit der nachhaltigen Brautmode um. "Die Kleider werden sehr aufwendig produziert, sind sehr teuer und werden nur kurz getragen", sagt Stark. Außerdem will sie Workshops anbieten, sobald das wieder geht. Junggesellinnenabschiede könnten sich dann zusammen Kosmetiktäschchen nähen, die Bräute Ringkissen.

Ein paar Kundinnen hat und hatte Stark schon; im Sommer waren schließlich kleine Hochzeiten möglich. Und selbst wenn es nur standesamtlich mit dem Partner allein ist, wünscht sich die Braut meist ein feierliches Kleid. Einige feiern spontaner als sonst, andere planen schon für nächstes Jahr. Und die Rückmeldungen geben Stark immer wieder Auftrieb. "Eigentlich kann ich so nur bis Februar durchhalten, weil dann mein Gründungszuschuss ausläuft", sagt sie. Simone Stark neigt aber nicht zum Pessimismus. "Ich bin zuversichtlich, dass ich das überlebe."

"A Happy Place" für Design

A happy place: Phaedra Richter in ihrem Laden voller hübscher Dinge. (Foto: Florian Peljak)

Ganz anders ist Phaedra Richter zu ihrem neuen Laden gekommen. Ursprünglich war es die Idee einer Bekannten, kleine Designer mit einem Showroom zu unterstützen. Richter, die eigentlich Künstlerin und Grafikerin ist, schmiss den Laden aber schließlich alleine. Und trotz Eröffnung während der Pandemie, im Sommer, läuft er so gut, dass sie damit gerade in größere Räume umgezogen ist. Die Parkstraße 4 im Westend ist nun "A Happy Place". Glücklich machen soll der Laden alle, die schöne und besondere Dinge mögen, die Designer und Künstler, die dort verkaufen. Während in anderen Geschäften die Inhaber oft Provision für den Verkauf nehmen, und zwar nicht zu knapp, zahlen sie bei Phaedra Richter einen Teil der Unkosten mit und bekommen dafür ihren gesamten Umsatz.

"Ich kenne das ja. Wenn ich 40 Stunden stickend an einem Kissen sitze und der Laden bekommt schließlich mehr vom Endpreis als ich, das geht einfach nicht." Die Beteiligungen für die Designer sind bezahlbar, etwa zwischen 70 und 110 Euro im Monat. Aufstrebende Künstler, Sozialprojekte, lokale Kreative verkaufen bei "A Happy Place", und zwar alles von Wohnaccessoires bis Weihnachtsdeko, von Mützen bis zu nachhaltiger Unterwäsche. Über die Corona-Krise macht sich Richter dabei nicht weiter Gedanken. Selbstständig ist sie ohnehin schon gewesen. "Zu mir haben auch schon Leute gesagt, Mensch, das ist aber mutig mit dem Laden. Aber was soll ich machen? Rumsitzen und warten, bis die Welt untergeht?"

Plattenladen mit Livestreams

David Hornung hatte wenig zu verlieren in der Corona-Krise. (Foto: Florian Peljak)

David Hornung hatte als Veranstalter und DJ ebenfalls wenig zu verlieren. Um ihn herum bedrückte Stimmung, unter Kollegen in der gesamten brachliegenden Kreativbranche. "Wir wollten ein Zeichen damit setzen, in diesen Zeiten einen Plattenladen aufzumachen", sagt Hornung. "Es gibt nach wie vor viele DJs, die Platten auflegen." Riviera Records ist aber nicht nur ein neuer Plattenladen. Die Wände des kleinen Geschäfts in der Dreimühlenstraße 10 werden für Ausstellungen genutzt, gerade hat Hornung eine neue aufgehängt. Außerdem halten DJs Livesessions im Laden, die gestreamt werden.

Momentan dürfen sich nur vier Leute gleichzeitig im Riviera aufhalten. Die Slots dafür lassen sich auf der Website buchen. Dann dürfen sie eine Stunde bleiben. Sich mit mitgebrachten Kopfhörern durch Platten hören, die Ausstellung in Ruhe anschauen. Kultur genießen. Sich ablenken. "Wir wollen die Szene am Leben halten und ein wenig Hoffnung senden", sagt Hornung. Die Räume einer ehemaligen Änderungsschneiderei haben sie nur als Zwischennutzung, aber sie suchen nach einer bezahlbaren Fortsetzung ab dem Frühjahr. "Bis jetzt wird das Angebot gut angenommen", sagt Hornung. "Wir rechnen nicht damit, dass wir Millionäre werden. Aber wir rechnen damit, dass wir über die Runden kommen."

© SZ vom 23.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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