Start-ups:Der Gründergeist ist ungebrochen

Lesezeit: 3 min

Sie haben zur Zeit alle Hände voll zu tun: Die Presize-Gründer Jake Lydon, Tomislav Tomov, Leon Szeli und Awais Shafique (von links). (Foto: Corinna Guthknecht)

250 bis 300 junge Unternehmen lassen sich jährlich im "Entrepreneurship Center" der Technischen Universität in Garching beraten. Besonders digitale Ideen sind derzeit aufgrund von Corona sehr erfolgreich.

Von Iris Hilberth, Garching

Erfolgreiche Unternehmer haben oft nicht nur eine gute Geschäftsidee, sie haben sie auch genau zum richtigen Zeitpunkt. Sicher gehört manchmal etwas Glück dazu, dass just im Moment der Unternehmensgründung die Welt auf gerade diese Innovation gewartet hat, dass sich plötzlich eine Marktlücke auftut, von der vorher noch kein anderer etwas ahnte. Oder dass man zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Investor an der Hand hat.

Am Garchinger Forschungscampus der Technischen Universität München (TU) gibt es viele Start-ups - und auch sehr viele, die sich tatsächlich mit ihrer innovativen Idee auf dem Markt behaupten. Diese Wissenschaftsfabrik für Start-ups gilt als eines der größten Gründerzentren in Europa. Auch 2020 stehen viele im "Entrepreneurship Center" in den Startlöchern, einige starten auch durch. Trotz Corona, oder gerade wegen der Pandemie.

Wie Sieglinde Amelia Walter vom Entrepreneurship Center kürzlich dem Regionalausschuss München-Landkreis der Industrie- und Handelskammer (IHK) München und Oberbayern in einer Videokonferenz berichtete, ist die Zahl der Gründungen durch Corona nicht zurückgegangen. "Wir haben genauso viele Beratungen wie vor der Pandemie", sagte Walter und spricht von 250 bis 300 Erstgesprächen im Jahr.

Etwa 80 Ausgründungen verzeichnet die TU München seit einiger Zeit jährlich, 2019 waren es sogar 85. Der Anteil der wissenschaftlichen Ausgründungen ist dabei von 15 im Jahr 2015 auf mittlerweile 42 im vergangenen Jahr gestiegen. Im Jahr 2020 müssten laut Walter einige Start-ups zwar Verzögerungen hinnehmen, andere, gerade im Bereich der Digitalisierung von Prozessen, kämen den Anfragen hingegen gar nicht mehr hinterher. "Da stehen die Kunden schon da und fragen, wann könnt ihr liefern", berichtete Walter.

Wie sehr im Bereich der Digitalisierung Innovationen derzeit nachgefragt sind, machte Walter am Beispiel des Start-ups "Presize" deutlich, einem digitalen Größenberater für Mode-Onlineshops. Die Gründer Leon Szeli, Tomislav Tomov und Awais Shafique hatten sich im Studium an der TU München kennengelernt und 2019 eine Körperscanner-App entwickelt, mit der beim Online-Kauf von Kleidung der Körper präzise mit der Handykamera vermessen wird und so die passende Größe ermittelt werden kann - vor allem auch um die Flut von Retouren einzudämmen.

In der Corona-Krise, in der bekanntlich noch viel mehr als vorher über die digitale Ladentheke geht und entsprechende Mengen auch wieder zurückgeschickt werden - bei Kleidung in der Regel bis zu 50 Prozent - sind solche Tools für die Verkäufer natürlich ein Segen. "Die Gründer von Presize wissen gar nicht, wo ihnen der Kopf steht", berichtete Walter den IHK-Mitgliedern.

Hinzu kam bei diesem Start-up, dass die Gründer ihre Geschäftsidee in der Fernsehshow "Höhle der Löwen" des Senders VOX präsentierten, die im April aufgezeichnet und im Oktober ausgestrahlt wurde. Unternehmer Carsten Maschmeyer hat dort eine sechsstellige Summe für eine 15-prozentige Beteiligung an "Presize" in die junge Firma investiert.

Manche werden vom Lockdown ausgebremst

Ganz so geschmeidig kommen allerdings nicht alle jungen Gründer durch die Pandemie. Manche seien durch den Lockdown auch erst einmal ausgebremst worden, sagte Walter. Etwa wenn sie im Frühjahr kurz vor dem Abschluss eines Investments gewesen seien und es dann plötzlich keinen Notartermin gegeben hatte. "Mancher Investor wollte auch erst einmal abwarten und keiner wusste, wie es weitergeht", so Walter. Die Stimmung bei den Start-Ups sei dennoch weiterhin gut, hat sie festgestellt.

Mit ein Grund dafür ist sicherlich auch die Verlängerung der Förderung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWI). Bislang seien solche Anträge immer abgelehnt worden, erinnert sich Walter. Doch in der Corona-Krise hätten alle Teams, die aufgrund der Verzögerung durch den Lockdown länger brauchten, eine Fortführung der Förderung um weitere drei Monate durch den Bund bewilligt bekommen.

Der Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses, Christoph Leicher, sprach von einem positiven Signal. Die regionale Wirtschaft sei stolz, dass es im Landkreis München ein solches Angebot für interessierte Gründerinnen und Gründer mit Weltniveau gebe. "Unsere Wirtschaft lebt von der Unterstützung aus der Forschung und dem Unternehmergeist junger, innovativer Gründer - gerade in dieser schwierigen Zeit", sagte Leicher. Dass im Tech-Bereich in jeder Arbeitswoche zwei Ausgründungen gestartet würden und mehr als eine pro Woche einen wissenschaftlichen Hintergrund habe, sei "enorm".

© SZ vom 02.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMobilität
:Die lernende Autobahn

Staus vermeiden und Unfälle verhindern: Autonomes Fahren könnte unsere Fortbewegung sicherer und zuverlässiger machen. Wie Forscher auf der A9 nördlich von München an der Zukunft der Autobahn arbeiten.

Von Gudrun Passarge

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: