Zweite Schlappe für die Stadt und die Investoren im Streit um den geplanten Neubau eines "Motel One" an der Schillerstraße 3: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat den bereits in erster Instanz vom Verwaltungsgericht München verhängten Baustopp bestätigt. Die Betreiber des im Nachbarhaus gelegenen Hotels "Schiller 5" waren vor Gericht gezogen, um gegen eine wasserrechtliche Erlaubnis vorzugehen, die das Referat für Klima- und Umweltschutz (RKU) den Bauherren von Concrete Capital, einem Münchner Immobilienunternehmen, erteilt hatte. Mit dieser Erlaubnis hätten die Investoren, die für "Motel One" direkt am Hauptbahnhof ein siebengeschossiges Gebäude mit 269 Zimmern und zehn Werkswohnungen planen, Grundwasser aufstauen dürfen. Die Nachbarn befürchteten Wasserschäden an ihrem Gebäude.
Zwei Gerichte haben diese Erlaubnis nun im Eilverfahren kassiert, womit der Baustellenbetrieb lahmgelegt ist. Da gegen die Entscheidung des VGH keine Rechtsmittel möglich sind, gilt der Baustopp nach derzeitigem Stand, bis das Verwaltungsgericht in der Hauptsache entschieden hat, was mindestens eine Sache von mehreren Monaten sein dürfte. Da beide Eilentscheidungen eindeutig ausfielen, liegt es nahe, dass das Hauptsacheverfahren zum selben Ergebnis kommen könnte.
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Das RKU teilt auf Anfrage lediglich mit, man prüfe derzeit, welche Auswirkungen der Beschluss des VGH habe. Benno Ziegler, der Rechtsanwalt der Hotelbetreiber vom Nachbargrundstück, sieht in der Entscheidung "einen dringenden Weckruf an die Stadt, die Genehmigungspraxis zu überdenken". Das Referat habe dem Investor einen Gefallen getan, indem es "die Bedeutung des Grundwassers in der Schillerstraße kleingeredet hat". Der Verlauf dieses Rechtsstreits werde "Auswirkungen auf die ganze Stadt haben". Denn auch Anwohnerinnen und Anwohner aus der Genter Straße in Schwabing und aus Feldmoching streiten - vertreten von Anwalt Ziegler - mit der Stadt wegen Problemen mit hohem Grundwasser und vollgelaufenen Kellern.
Im Fall an der Schillerstraße gibt es allerdings Bemühungen, die Sache schnell aus der Welt zu schaffen. Eine Sprecherin des Verwaltungsgerichts kündigte an, man wolle "Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres" mit den Parteien besprechen, wie es weitergeht. Es könne zum Beispiel passieren, "dass die Stadt ihre Schlüsse zieht und die wasserrechtliche Erlaubnis zurückzieht oder neu darüber entscheidet". Zudem startet Concrete Capital ohnehin einen neuen Anlauf für die nötige Erlaubnis. Geschäftsführer Peter Fritsche lässt über einen Sprecher mitteilen, er wolle sich "im Hinblick auf laufende und auf künftige Gerichtsverfahren mit unserem Nachbarn nicht weiter äußern". Er ergänzt dann aber: "Wir können jedoch mitteilen, dass jedenfalls der neue Antrag auf wasserrechtliche Genehmigung sämtliche Voraussetzungen erfüllt, um genehmigt zu werden." Das RKU erklärt dazu, aus Datenschutzgründen könne man sich zu möglichen neuen Anträgen nicht äußern. Wenn es einen gäbe, werde er aber vom Wasserwirtschaftsamt geprüft.
Geht es letztlich doch nur ums Geld?
In dem Konflikt geht es einerseits um baufachliche Fragen, andererseits aber auch um heftige persönliche Vorwürfe, die sich Investor und Hotelbetreiber machen - und um die Frage, ob es letztlich nicht doch nur ums Geld geht.
Zunächst zum Streitthema vor Gericht: Concrete Capital hatte beim Abriss der vorigen Bebauung - eines heruntergekommenen Hotels, eines Apartmenthauses und einer Tabledance-Bar mit Sex-Kino - sogenannte Schlitzwände im Untergrund stehen lassen. Eine Schlitzwand ist eine Art Schutzwand aus Beton, die eine Baugrube umschließt und ein darüber entstehendes Gebäude abstützen kann. Die alten Schlitzwände, die 1970 gebaut wurden, sollen beim Neubau wieder verwendet und durch zusätzliche Wände ergänzt werden. Dadurch würde ein Baukörper entstehen, der so tief in den Boden ragt, dass er über seine gesamte Breite Grundwasser aufstaut.
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Der VGH schreibt in einer Zusammenfassung seines Urteils, die Stadt sei in ihrer wasserrechtlichen Genehmigung "von einer Aufstauungswirkung der Schlitzwände von elf Zentimetern für den Nachbarn" ausgegangen, "erachtete diese aber als für den Nachbarn von vornherein zumutbar, weil sie bereits seit den 1970er-Jahren vorläge". Das aber sei "rechtsfehlerhaft, weil für die Schlitzwände keine wasserrechtliche Erlaubnis erteilt worden sei", so der VGH. Diesen Fehler habe die Stadt in den zwei Gerichtsverfahren nicht ausgeräumt. Nun dürfte Concrete Capital ein neues Konzept für den Umgang mit dem Grundwasser vorlegen - eines, das für die Investoren möglicherweise teurer wird als das bisherige, nachdem sie schon jetzt durch den Baustopp viel Geld verlieren.
Peter Fritsche von Concrete Capital, der sich im Verfahren von der Kanzlei des wegen Maskendeals in der Kritik stehenden Landtagsabgeordneten und ehemaligen CSU-Politikers Alfred Sauter vertreten ließ, sagte im Frühjahr, die Hotelbetreiber von nebenan wollten aus Angst vor neuer Konkurrenz mit "böswilligen Märchen" den Bau des "Motel One" verhindern. Deren Anwalt Ziegler wirft Fritsche und der Stadt vor, miteinander geklüngelt zu haben. Allerdings sollen seine Mandanten dem Vernehmen nach offen dafür gewesen sein, gegen Zahlung einer angemessenen Entschädigung ihre Klage zurückzuziehen. Ziegler sagt dazu, das könne er "in der Form nicht bestätigen". Vielmehr sei "der Bauherr auf meine Mandantschaft zugegangen, aber die Verhandlungen sind geplatzt". Concrete Capital lässt über seinen Sprecher ausrichten: "Das Unternehmen weist diese Darstellung zurück." Weitere Details nennt er aber nicht.
Und was sagt "Motel One" dazu, dass die Fertigstellung des neuen Hauses in Top-Lage noch nicht wirklich absehbar ist? Welche Bedeutung hat der Baustopp? Hält "Motel One" an dem Projekt fest, oder gibt es Überlegungen auszusteigen? Eine Konzernsprecherin schreibt dazu: "Leider können wir hierzu keine Auskunft geben." Man möge sich an Concrete Capital wenden - ein überraschender Hinweis, schließlich ist dieses Unternehmen für den Neubau zuständig, nicht für die Strategie von "Motel One". Auf zweimalige Nachfrage schickt die Geschäftsführung des Hotelkonzerns doch noch ein Statement: Man halte an dem Projekt fest und gehe "trotz einer Verzögerung im Bauvorhaben von einer erfolgreichen Realisierung des Projektes durch Concrete Capital" aus.