Furcht vorm Grundwasser:Gericht stoppt Hotel-Baustelle im Bahnhofsviertel

Lesezeit: 3 min

Umstrittener Neubau: Wie es nach dem Gerichtsentscheid mit dem Hotelprojekt an der Schillerstraße weitergeht, ist unklar. (Foto: Robert Haas)

Anwohner fürchten, dass durch den Neubau in der Schillerstraße Grundwasser in ihre Häuser eindringt. Die Stadt ließ den Investor trotzdem loslegen - doch die Erlaubnis für das Projekt steht auf der Kippe.

Von Heiner Effern

Der Bau des etwa 100 Millionen Euro teuren Hotels in der Schillerstraße ist vorerst gestoppt. Anwohner haben die Sorge, dass das Gebäude mit Tiefgarage das Grundwasser so steigen lassen könnte, dass es in ihre Häuser eindringt. Das Referat für Klima und Umweltschutz (RKU) hielt diese Einwände für unbegründet und erlaubte dem Investor in einem Bescheid, unverzüglich loszulegen. Diesen sogenannten Sofortvollzug hat nun das Verwaltungsgericht München im Eilverfahren kassiert. Und nicht nur das: In dem Beschluss erklärten die Richter, dass die Stadt auch im Hauptsacheverfahren, also in der Frage, ob der Bescheid rechtlich korrekt ist, schlechte Aussichten habe.

Der Bauherr, die Firma Concrete Capital, will in der Schillerstraße für die Kette Motel One ein neues Haus errichten. Geplant sind 269 Zimmer; auf sieben Geschossen sollen etwa 10 000 Quadratmeter genutzt werden. Mit dem Hotel wolle man "der Schillerstraße ein neues Gesicht verleihen", heißt es in der Projektbeschreibung. Die Fertigstellung sei 2023 geplant. Geschäftsführer Peter Fritsche geht davon aus, dass ihn der Rückschlag vor Gericht nicht langfristig zurückwerfen wird. "Wir sind zuversichtlich, die Baustelle bald fortsetzen zu können."

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Wie es konkret weitergeht, steht allerdings noch nicht fest. Das RKU hielt es sich am Freitag offen, gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vorzugehen. "Dafür müsse "der umfangreiche Beschluss erst detailliert geprüft werden". Dazu habe man eine Frist von zwei Wochen. Das Referat hat aber vom Gericht noch einen deutlichen Hinweis bekommen.

Ob ein Investor durch eine Bauverzögerung Geld verliert, das hat in der Begründung für einen sofort erlaubten Baubeginn keine Bedeutung. Im Bescheid des RKU wurde auf bereits eingegangene Verträge des Investors mit Baufirmen, der Hotelkette und einer Spielhalle als weiterem Mieter verwiesen, die nun Ansprüche an ihren Vertragspartner stellen könnten. Diese "finanziellen Nachteile stellen kein anzuerkennendes Interesse am Sofortvollzug dar", heißt es in der Begründung des Beschlusses. Da könne ja jeder Investor kommen, Verträge schließen und die Interessen der Anrainer kämen dann unter die Räder, führen die Richter sinngemäß aus.

Auch die Tatsache, dass eine Baustelle wie in der Schillerstraße den Verkehr länger als nötig einschränke, wenn nicht umgehend gebaut werde, sei kein Grund für eine sofortige Bauerlaubnis. "Es ist jetzt Aufgabe des Oberbürgermeisters, dafür zu sorgen, dass das RKU in Zukunft alle Beteiligten gleich behandelt und kein rechtswidriger Sofortvollzug mehr erteilt wird", erklärte Anwalt Benno Ziegler, der die Anrainer vertritt.

Ziegler richtete weitere Vorwürfe an die Verwaltung. Er habe dreimal versucht, mit der Referatsleiterin Christine Kugler über das Verfahren zu sprechen, sei jedoch stets abgewimmelt worden. Zudem unterstellte er dem RKU, den Interessen des Investors und der ihn vertretenden Anwälte Sauter und Wurm ungewöhnlich schnell und umfassend entgegengekommen zu sein. "Diesen Vorwurf hat das Verwaltungsgericht ausgeräumt", hieß es dazu vom Umweltreferat.

Das Gericht erklärte in der Tat, dass der Bescheid nicht deshalb rechtswidrig sei, "weil die Antragsgegnerin das Verfahren aus unberechtigter Sorge vor einer Amtshaftung zu schnell durchgeführt" habe. Entscheidend war schließlich, dass das RKU eine bestehende Betonwand, die auch im neuen Gebäude genutzt werden sollte und die Grundwasser aufstaut, nicht in ihre Abwägung mit einbezogen hat.

Es bleiben aber auch nach diesem Beschluss spannende Fragen offen, insbesondere zum Umgang bei Bauvorhaben mit dem Grundwasser. Das Gericht stellte zwar klar, dass der Verweis auf die Probleme an anderen Stellen der Stadt nicht rechtsrelevant sei. Doch die Probleme in der Genter- und der Osterwaldstraße in Schwabing, wo etwa 30 Keller immer wieder unter Wasser stehen, haben den Landtag nach einer Petition zu einer sehr deutlichen Ansage in Richtung Stadt bewegt, dass dort endlich etwas passieren müsse.

Auch die Anwohner in der Schillerstraße haben eine Petition eingereicht, die nun noch vor dem Verfahrensende behandelt werden könnte. Die Ausschussvorsitzende Rosi Steinberger sagte bei der Übergabe. "Wir wissen, dass es in München mit dem Grundwasser ein Problem gibt." Zu klären könnten laut Gericht auch die "aktuell vorgenommenen Relativierungen" der Behörden sein, im Vergleich zu den Angaben gegenüber dem Umweltausschuss im Jahr 2015. "Auf der Basis dieser Ergebnisse kann es erforderlich werden, die Praxis der Bauplanung und der Baugenehmigung beziehungsweise der wasserrechtlichen Anforderungen zu überdenken und gegebenenfalls anzupassen", hieß es damals dick gefettet mit Bezug auf die Höhe des Grundwassers in München.

© SZ vom 07.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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