Sie haben viele, viele Gespräche geführt, die Politik und die Bürger der Stadt München überzeugt, Spenden und Unterschriften gesammelt. Schließlich, nach acht Jahren harter Arbeit, war das Architektenehepaar Petra Lejeune und Hermann Grub am Ziel. Am 28. Juni 2017 beschloss der Stadtrat einstimmig, dass der Englische Garten wiedervereinigt werden soll. Auf 390 Metern Länge soll ein Tunnel entstehen, der den seit 1966 durch den Park laufenden Verkehr auf dem Isarring in den Untergrund verbannt. Doch jetzt stehen diese Pläne plötzlich auf der Kippe. Das Baureferat der Stadt hat eine Präsentation erstellt, nach der deutlich mehr alte Bäume gefällt werden müssen, als noch vor vier Jahren angenommen.
Zählt man die kleineren Bäume dazu, müssen mehr als 1100 fallen, das war auch schon 2017 bekannt. Zudem hieß es damals in der Beschlussvorlage, dass viele Bäume am Ring durch den Verkehr bereits so kaputt sind, dass sie ohnehin fallen müssen. Allerdings wären es nun 890 Bäume mit einem Umfang von mindestens 80 Zentimetern, damals ging man von 550 aus. Für die grün-rote Rathaus-Koalition ist dies nun ein Grund, wieder an dem Projekt zu zweifeln. Der Tunnel durch den Englischen Garten, der eigentlich ein Deckel über dem Mittleren Ring ist, ist das einzige Tunnelprojekt, das Grün-Rot im Koalitionsvertrag nicht explizit beerdigt hatte, alle anderen wie der Landshuter-Allee-Tunnel oder eine Röhre unter der Tegernseer Landstraße wurden gestrichen.
Grüne und SPD sehen Diskussionsbedarf
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Anna Hanusch erklärt nun, dass man kommende Woche den Tunnel am Isarring erneut diskutieren werde. Damals, sagt sie, habe man mit dem Votum eine "Offenheit für die Grundidee" gezeigt. Heute, so Hanusch, habe der Tunnel "keine Priorität". Auch Nikolaus Gradl, Verkehrsexperte der SPD im Stadtrat, sieht neuen Diskussionsbedarf. Man sei nun schon überrascht, dass nun ein so "krasser Eingriff" vorgesehen sei. Aber ganz abgeschrieben haben Grüne und SPD den Tunnel noch nicht. Es gebe zum Beispiel die Frage zu klären, ob man während der Bauzeit auf Fahrspuren verzichten könne, die eigens wegen der Baustelle eingerichtet werden müssten, sagt Gradl. Nun soll das Baureferat erst einmal weiterplanen. Im Frühjahr wird der Stadtrat voraussichtlich dann eine Entscheidung treffen, ob es zu einem Planfeststellungsverfahren kommen wird, oder nicht.
Für Hermann Grub wäre es eine "Katastrophe", wenn das Projekt nun beerdigt würde. Er sieht in der Präsentation des Baureferats viele Fragezeichen. Da die Pläne der Verwaltung an die Machbarkeitsstudie des Planungsbüros Obermeyer anknüpfen, kann sich der Architekt nicht erklären, wie die großen Unterschiede bei der Anzahl der Bäume in der Obermeyer-Studie und in den neuen Plänen zustande kommen. Es sei zum Beispiel "widersinnig", dass nach Angaben der Verwaltung 26 alte Bäume gefällt werden müssen, wenn der Parkplatz am Seehaus entsiegelt wird. Auch vermuteten er und seine Frau, dass 65 Bäume nicht für den Tunnel geopfert werden, sondern für die gleichzeitig geplante Instandsetzung der Kennedy-Brücke. Dass 50 Bäume für eine Betriebsstation nördlich des Rings gefällt werden müssen, verstehe er nicht, ebenso die Angaben zu einem geplanten Radweg. "Die wollen 20 Bäume umnieten, um einen Radweg zu bauen? Ich tu mich wahnsinnig schwer, das nachzuvollziehen." Auch Petra Lejeune meint: "Es gibt einige Punkte, wo man fragen muss: Ist das so richtig?"
Das Herzensprojekt des Ehepaars wird einer Infratest-Umfrage zufolge von 83 Prozent der Münchnerinnen und Münchner befürwortet, 2018 wurden die beiden von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) mit der Medaille "München leuchtet" in Gold ausgezeichnet. Die Allianz-Umweltstiftung hat eine Million Euro für das Projekt gespendet. Deshalb will Grub ein mögliches Aus nicht hinnehmen und nun auch selbst der Baumfrage nachgehen. Seiner Einschätzung nach müssten nur 20 bis 30 Bäume mehr gefällt werden, als damals prognostiziert. Wenn das Baugenehmigungsverfahren nun nicht komme, sei das Projekt "mausetot", sagt Grub. Für Petra Lejeune ist die Wiedervereinigung des Englischen Gartens eine "Jahrhundertchance", wie sie sagt. "Die kommt nicht nochmal."