Dieser Seitenhieb gegen den Investor, das war Elisabeth Merk anzusehen, machte ihr Freude. Die Gesprächsrunde mit Tobias Sauerbier, Vorstand in der Immobiliensparte der Signa-Gruppe von René Benko, war kurz vor dem Ende. Dann fragte der Moderator nach einem Schlusswort zum Ergebnis des Architekturwettbewerbs für das Neubauprojekt an der Schützenstraße. Merk griff zum Mikro und sagte: "Ich freue mich, dass ich plötzlich so viele Arkaden kriege."
Es ist für die Stadtbaurätin eine nie verheilte Wunde, dass sie beim Signa-Projekt Alte Akademie unterlegen ist, als es darum ging, ob eine bisher öffentliche Arkadenfläche dem Gebäudeinneren zugeschlagen wird. Benko und seine Leute hatten mit harten Bandagen um diesen Zugewinn an profitabler Fläche gekämpft und die Politik auf ihre Seite gezogen - aber auch neuen Stoff für die alte Diskussion geliefert, ob die Stadt ihre Planungshoheit den Investoren-Interessen opfert.
10 000 Quadratmeter für Shoppingzonen, 40 000 Quadratmeter für Büros
Nun also plant Signa ein neues Großprojekt: Wo sich seit 1972 hinter dem historischen ehemaligen Hertie- und dann Karstadt-Kaufhaus am Hauptbahnhof ein Erweiterungsbau bis hinter den Königshof erstreckt, soll bis 2026 ein Komplex mit etwa 10 000 Quadratmetern Shoppingzonen im Unter- und im Erdgeschoss und darüber 40 000 Quadratmetern Büros entstehen. Signa ist in diesem Prozess bemüht, weniger konfrontativ aufzutreten. In der vergangenen Woche wurde bekannt gegeben, dass sich unter elf teilnehmenden Büros im Wettbewerb David Chipperfield Architects (London/Berlin) mit Atelier Loidl Landschaftsarchitekten (Berlin) durchgesetzt haben. Alle Entwürfe sind nun in der sehenswerten Ausstellung im Kaufhaus Oberpollinger zu sehen.
Zwar hieß es bei der Präsentation, das Preisgericht mit zwölf Stimmberechtigten habe sich "eindeutig und klar" für Chipperfield ausgesprochen, der unter anderem im Erdgeschoss lange Arkadengänge vorsieht. Hört man sich allerdings unter Politikerinnen und Politikern um, die bei der Jurysitzung dabei waren, sind auch andere Töne zu hören. CSU-Fraktionsvize Hans Theiss etwa sagt, er hätte den zweitplatzierten Entwurf der Bjarke Ingels Group (Kopenhagen) mit Realgrün Landschaftarchitekten (München) "städtebaulich besser gefunden, mit mehr Mut zum künstlerischen Risiko und ohne Gefahr zu laufen, provinziell zu enden".
Eine andere Person aus der Politik verrät, es habe Präferenzen für die Drittplatzierten Snøhetta (Oslo/Innsbruck) mit Keller Damm Landschaftsarchitekten (München) gegeben. Auch Stadtbaurätin Merk habe diesen Entwurf bevorzugt, ist zu hören. Stimmt das? Und war Investor Signa von vornherein für Chipperfield?
Elisabeth Merk nimmt sich Zeit, die Entwürfe zu vergleichen. Ja, Platz drei habe ihr ursprünglich sehr gut gefallen, sagt sie, etwa wegen der offen gehaltenen Erdgeschosszone. "Aber das Fassadenkonzept war mir etwas unklar." Ob das zu einem guten Ergebnis geführt hätte, da seien ihr Zweifel gekommen. Der Entwurf von Chipperfield hingegen öffne sich mit den nach außen gerichteten Höfen zur Stadt, zudem sei er in der Nutzung "sehr flexibel", so werde er hoffentlich über Jahrzehnte hinweg funktionieren - was im Sinne der Nachhaltigkeit wäre. Signa-Chef Sauerbier sagt, vor der Jurysitzung habe er keinen Favoriten gehabt, anders als bei manch früherem Wettbewerb. Aber es habe sich gezeigt, dass Chipperfield die Ansprüche an das Projekt am besten vereine.
Nun werden Stadt und Investorenseite an Details arbeiten, bevor der Stadtrat das Baurecht erteilt. Elisabeth Merk betonte in ihrem Statement, wie wichtig es sei, auf dem Dach "öffentlich zugängliche Flächen zu schaffen, wo man nicht konsumieren muss". Das sei gut möglich, sagt Investorenvertreter Sauerbier und zeigt auf das Chipperfield-Modell: "Angrenzend an die Dachgastronomie kann man gut solche Flächen schaffen."
Und er bringt eine Idee auf: Wenn man den zurückgesetzten mittleren Teil des Komplexes um ein Stockwerk erhöhe, würde man das vom Straßenraum nicht sehen, dafür werde die Aussicht auf dem öffentlichen Teil des Dachs noch besser. Für den Zugewinn an teurer Bürofläche, lässt er durchblicken, könne man vielleicht woanders der Öffentlichkeit etwas zurückgeben.
1. Preis
"Wohltuende, gut proportionierte Häuser", die auf einer Art Tisch über dem Erdgeschoss stehen: Mit diesen Worten würdigt die Jury den Entwurf von David Chipperfield Architects mit Atelier Loidl Landschaftsarchitekten. "Durch weit zurückspringende Einschnitte" wirke der Baukörper gut strukturiert. Weil die Gebäude oberhalb der fünften Etage nach hinten versetzt sind, weiteten sich "die Straßenräume in sinnvoller Art". Ebenso loben die Preisrichter die "fein ausgearbeitete Fassade, die sehr licht wirkt und mit (...) Abstufungen der Farbe Grün arbeitet". Kritik üben sie an der "zurückhaltenden Ausbildung" der Zugänge von der Prielmayer- und der Schützenstraße aus. Simulation: David Chipperfield/Atelier Loidl
2. Preis
Der "Höhepunkt" beim zweitplatzierten Entwurf von der BIG Bjarke Ingels Group mit Realgrün Landschaftsarchitekten ist aus Sicht der Jury der Dachgarten, der aus einem "dynamischen Zopf" bestehe, der verflochten und intensiv begrünt sei und als "Stadtschwamm" für Regenwasser dienen könne. Allerdings müsse dieser auch öffentlich zugänglich sein. Am Gebäudekörper sieht das Preisgericht eine "leicht zu erfassende Fassade, die aus einem rundum verglasten Großkörper besteht, der (...) an den Drittelspunkten eingedellt ist". Gut an den drei Innenhöfen sei, dass sie sich nach oben vergrößern, der östliche aber sei zu klein, um genug Licht nach unten zu lassen.
3. Preis
Anders als der Siegerentwurf setzt auch das drittplatzierte Konzept auf einen durchgehenden Baukörper, aber als "vielfach differenzierten großstädtischen Block", wie das Preisgericht lobt. Gut an kamen auch die "attraktive, zumeist gut von oben belichtete innere Stadtlandschaft". Ab dem ersten Obergeschoss sollte der Komplex in Holz-Hybrid-Bauweise entstehen, was die Preisrichter als "richtig und sinnvoll" bewerteten. Lob bekam "das insgesamt ehrliche Konzept der Dachlandschaft" mit Aufenthaltsflächen und "geschickt integrierter" Technik zur Energiegewinnung. "Kontrovers" hingegen sei die "horizontale Lamellenverkleidung" am Dach diskutiert worden.
Die Ausstellung ist bis 24. Februar in der fünften Etage des Oberpollinger, Neuhauser Straße 18, zu sehen (10 bis 20 Uhr, außer Sonntag, Eintritt frei).