Sie waren in den USA, hatten alles Gerät sowie Autos gemietet, um damit die geplante Dokumentation über die Entwicklung, Geschichte und Einsätze des legendären amerikanischen B-52-Langstreckenbombers zu drehen. Dann aber bekam Hartmut Bitomsky einen Telefonanruf vom Pentagon. Wegen eines Militäreinsatzes, hieß es, könnten sie nun doch nicht drehen. Und das mit dem Militärflugzeug, "das könnten sie vergessen". Das war vor 25 Jahren, Ende des Jahres 1998, als Amerika im Irak mit der "Operation Desert Fox" begann. Die Folge war, wie Bitomsky kürzlich im Münchner Werkstattkino erzählte, dass sie für ein paar Tage einfach "anderes Zeug" aufnahmen. Und manche Szenen, darunter welche auf dem ehemaligen Atombomben-Testgelände in Nevada, haben es dann mit in den Film geschafft.
Aber so ist das eben mit der Wirklichkeit, die sich um Filmemacher nicht so wirklich schert. Und dass sich die Welt genauso wie das Filmbild dem Blick fortwährend entzieht, das hat Bitomsky seine lange Film-Karriere gelehrt. Über das Filmemachen wird der 81-Jährige jedenfalls vom 11. bis 20. Januar im Werkstattkino viel sprechen. Dort ist der seit einem Jahr in München lebende Regisseur mit einer "Carte Blanche" zu Gast. Das heißt: Das Kino zeigt in Kooperation mit der Zeitschrift " Sigi Goetz Entertainment" zentrale Werke und Bitomsky wird dazu von ihm ausgesuchte Werke von Christian Petzold, Budd Boetticher und anderen präsentieren. Die Gelegenheit sollte man nutzen. Denn Bitomskys mehr als 40 Filme sind nur noch sehr selten zu sehen.
Dafür sind sie für das Kino und das Fernsehen wohl zu eigen, so wie sie zwischen Essay-und Dokumentarfilm oszillieren. Hier wird eine historische und ästhetische Form der "Medienarchäologie" betrieben. Mit Themen wie Arbeit, deutsche Geschichte, amerikanische Mythen, Architektur oder wie im gleichnamigen Film von 2007 " Staub". Der ist als letztes eigenes Werk am 19. Januar zu sehen. Assoziativ und in sinfonischen Bewegungen folgt der Film dem Staub in alle Lebens- und Forschungsbereiche. Man trifft auf Putzkolonnen, aber auch Wissenschaftler und Künstler, die sich mit der staubigen Materie beschäftigen. Am Anfang stehen dagegen "Deutschlandbilder": eine sparsam kommentierte Collage aus Nazi-Propaganda- und Nazi-Kulturfilm-Material.
Dass Bitomsky 1966 neben Harun Farocki oder Holger Meins zum politisierten ersten Jahrgang der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB) gehörte, merkt man seinen Filmen immer wieder an. Darin wird eine marxistisch geschulte Analyse der Wirklichkeit und der Filmsprache betrieben, der man aber die Liebe zum Kino immer anmerkt. Die ist genauso in seinen Texten für die legendäre Zeitschrift "Filmkritik" zu spüren oder in Filmbüchern wie "Die Röte des Rots von Technicolor". Als Dekan und Dozent am Film & Video Department des California Institute of the Arts, der er von 1993 an war, dürfte er damit zahlreiche Studenten geprägt haben. Oder als Direktor der DFFB von 2006 bis 2009.
Dass in Filmen das Töten oft "glatt und routiniert" vonstattengeht, damit hat sich Bitomsky in "Das Kino und der Tod" beschäftigt, der am 12. Januar läuft. Die "Reichsautobahn" als deutscher Mythos ist einen Tag später Thema. Am 14. Januar geht es auf den "Highway 40 West", vermittelt als eine "dramatische Geschichte einer Erosion", bevor "Der VW Komplex" dann Abschied vom industriellen Zeitalter nimmt. In "Die UFA" wird die Subventionsgeschichte der berühmten Film-GmbH erzählt. Ein weiterer Film widmet sich der "Imaginären Architektur", bis es dann in "B-52" im Bomber nach Vietnam und schließlich auf den Flugzeug-Friedhof geht. Eine "Kathedrale" der Technik, erdacht zur Zerstörung, wird plötzlich wertlos und mit einer Guillotine zerstört. Für Hartmut Bitomsky ein "tragisches" Bild für "beinahe alles", was im 20. Jahrhundert verkehrt lief.
Carte Blanche für Hartmut Bitomsy, 11. bis 20. Jan., Werkstattkino, Fraunhoferstr. 9, werkstattkino.de