Städtische Einrichtung:Deutsches Theater zahlt München-Zulage nicht aus

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Ausgefallen, abgesagt: Das Deutsche Theater durfte lange nicht spielen. (Foto: Catherina Hess)

Das Haus bekam von der Stadt 130 000 Euro pro Jahr für den Gehaltszuschlag und das Jobticket - die Mitarbeiter haben das Geld aber nicht erhalten. Die Geschäftsführung erklärt, man habe damit Finanzlöcher gestopft.

Von Heiner Effern und Sebastian Krass

Das Deutsche Theater hat städtische Gehaltszulagen, die es an seine Mitarbeiter zahlen musste, einbehalten und nach eigenen Angaben zum Stopfen von Finanzlöchern in der Betriebsgesellschaft verwendet. Deutlich mehr als 130 000 Euro für die München-Zulage und das Jobticket landeten nicht wie vorgeschrieben bei den Beschäftigten, sondern in der leeren Kasse des Theaters, das während der Corona-Pandemie auf diese Weise die Insolvenz vermeiden wollte. Das bestätigten das Kulturreferat und die Geschäftsführung der Süddeutschen Zeitung. Doch nicht nur beim Geld gibt es offenbar Unregelmäßigkeiten, sondern auch beim Abrechnen der Arbeitszeit der Beschäftigten. In drei Fällen habe es eine Beanstandung durch die Gewerbeaufsicht gegeben, bestätigte die Geschäftsführung. Eine Strafe sei nicht ausgesprochen worden.

Das Deutsche Theater ist eine hundertprozentige Tochter der Stadt, hat aber als Haus mit vielen Gastspielen einen anderen Charakter als die ebenfalls kommunalen Häuser Kammerspiele und Volkstheater. Es soll qua Satzung der Betriebsgesellschaft vor allem für Aufführungen im Bereich "Operette, Musical, Volkstheater und moderne Show" dienen. Nachdem es von 2008 bis 2013 aufwendig saniert und 2014 wieder eröffnet worden war, liefen dort Produktionen wie "We Will Rock You", "Elisabeth" und "Chicago". Nach Angaben der Stadt hatte es pro Jahr mehr als 300 000 Besucher. Der Theatersaal hat eine Kapazität von 1500 Plätzen, hinzu kommt der "Silbersaal" mit 230 Sitzplätzen.

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Doch diese blieben während der Pandemie wegen der langen Schließungen weitgehend leer. Den Lockdown der Kulturszene führen die beiden Geschäftsführer Carmen Bayer und Werner Steer als Grund dafür an, dass die Zuschüsse der Stadt bisher keinen Mitarbeiter erreichten. Die Deutsche Theater Betriebs GmbH sei seit März 2020 wegen der fehlenden Einnahmen insolvenzgefährdet gewesen, schreiben sie in einer Stellungnahme. Man habe keinen genehmigungsfähigen Wirtschaftsplan mehr erstellen können.

Die Stadt habe die Einnahmeausfälle mit einem Sonderfonds "abgefedert"

Doch die Stadt habe die missliche Situation im Jahr 2020 mit "einem Sonderfonds in Höhe von 1,5 Millionen Euro abgefedert", erklären sie selbst weiter. Dennoch befinde sich die Theater-Gesellschaft nach wie vor in einer schwierigen Situation. "Die Thematik der Zulagen wurde daher bislang zurückgestellt, weil es zunächst um existenzsichernde Maßnahmen, zum Beispiel auch durch Beantragung von Kurzarbeitergeld ging." Auf Basis welcher Beschlüsse, eventuell von Aufsichtsrat oder der Gesellschafterin, sie dabei gehandelt hätten, darauf gab es keine Antwort.

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Bekannt geworden war der Missstand durch zwei anonyme E-Mails. Die erste ging im Büro von Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) ein, der Aufsichtsratschefin des Deutschen Theaters. Nach Darstellung ihres Sprechers wurde diese auch umgehend bearbeitet und beantwortet. Auf die Rück-Mail sei aber eine Fehlermeldung gekommen, möglicherweise sei die Adresse nicht mehr aktiv gewesen, sagte der Sprecher. Einige Tage nach der Mail an Habenschaden ging eine weitere anonyme Botschaft im Büro der Dritten Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) ein, die formal nicht zuständig ist. Sie habe aber Habenschaden gebeten, das Thema im Aufsichtsrat anzusprechen, teilt Dietls Sprecherin mit.

Der Zulagenanspruch beträgt seit 2020 monatlich 268 Euro

"Ich habe Ende Oktober 2021 erfahren, dass das Deutsche Theater die Zulagen nicht bezahlt hat", sagte Habenschaden. Daraufhin habe sie Mitte November im Aufsichtsrat "die Geschäftsführung (...) aufgefordert, die Zulagen rückwirkend an alle Beschäftigten zu zahlen". Derzeit prüften das Theater, das seinen Sitz an der Schwanthalerstraße 13 hat, und das Kulturreferat, wie das geschehen könne. Wie viele Mitarbeiter davon profitieren könnten, dazu machten Referat und Geschäftsführung keine Angaben. "Das wird in Abstimmung mit dem Aufsichtsrat geprüft", erklärten die Geschäftsführer.

Die Deutsche Theater Betriebsgesellschaft wird laut Kulturreferat von der Mutter, also der Stadt München, derzeit mit einem jährlichen Zuschuss in Höhe von 1,9 Millionen Euro gefördert. "Darin sind 130 000 Euro für die München-Zulage und die Gewährung des Jobtickets enthalten", erklärte eine Sprecherin. Seit 1990 zahlt die Stadt ihren Beschäftigten mit unterem und mittlerem Einkommen eine München-Zulage. Bis 2019 belief sie sich auf 134 Euro pro Monat, von 2020 an verdoppelte die Stadt die Zulage auf 268 Euro. Zudem beschloss der Stadtrat im Frühjahr 2020, die München-Zulage und das Jobticket auch an die Mitarbeiter der 100-prozentigen Töchter zu zahlen.

Ein zweiter Vorgang, der für erhebliche Unruhe im Deutschen Theater sorgt, sind Ermittlungen des Gewerbeaufsichtsamts, das bei der Regierung von Oberbayern angesiedelt ist. Man gehe "einem Hinweis auf mögliche Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz" nach, erklärt ein Sprecher der Regierung. Da es sich um ein laufendes Verfahren handle, könne man derzeit keine weiteren Auskünfte geben. Aufsichtsratschefin Habenschaden sagt, sie habe davon bisher nichts gewusst, "ich habe aber das Kulturreferat gebeten, diesen Informationen nachzugehen und zeitnah Bericht zu erstatten".

Im Deutschen Theater gibt es keinen Betriebsrat

Laut einem Beschäftigten des Theaters, der sich an die SZ gewandt hat, soll es deutlich überhöhte Wochenarbeitszeiten und Probleme mit Ausgleichszeit dafür gegeben haben. Beim Neustart des Theaters mit einer aufwendigen Neuproduktion sei es - da gleichzeitig Beschäftigte erkrankt gewesen seien - "zu Arbeitsspitzen gekommen", erklärte die Geschäftsführung zu den Vorgängen allgemein.

Die aktuellen Vorgänge im Deutschen Theater werfen auch die Frage auf, ob sich ein Betriebsrat um die Belange der Beschäftigten gekümmert hat. Die Antwort lautet: Nein, es gebe im Deutschen Theater keinen Betriebsrat. Ein Zustand, der sich nach dem Willen von Aufsichtsratschefin Habenschaden schnell ändern soll: "Sollten die Beschäftigten einen Betriebsrat gründen wollen, so würde ich das ausdrücklich begrüßen und dieses Anliegen unterstützen."

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