Mit einer von Gänsen gezogenen Apparatur zum Mond hinauf zu fliegen. Das klingt nach einer wilden, fantastischen Geschichte. Und als solche hat sie Francis Goodwin vor 400 Jahren in "The Man in the Moone" auch erzählt. Darin geht es um den fiktiv-autobiografischen Reisebericht des Spaniers Domingo Gonsales, der nach einem Duell aus Ostindien in seine Heimat fliehen will, aber dann unfreiwillig auf dem Mond landet. Das Werk des englischen Bischofs gilt heute als einer der ersten Science-Fiction-Romane und hat als solcher viele Schriftsteller inspiriert. Auch die in Berlin lebende Künstlerin Agnes Meyer-Brandis hat sich von Gonsales' Mondfahrt anstecken lassen, wie man aktuell im Münchner Muffatwerk sieht.
Dort läuft die Ausstellung "Muffat Digital Art - lost in space", die zum Geburtstagsprogramm " 30 Jahre Muffatwerk" gehört. Insgesamt drei installative, multimediale Arbeiten werden bis zum 18. Juli in der Muffathalle und den Studios zum freien Eintritt präsentiert. In allen dreien geht es um die Eroberung oder Erschaffung neuer Räume. Aktuelle Themen wie Klimakrise und Ressourcenknappheit darf man dabei durchaus als Blaupausen verstehen. "The Moon Goose Analogue" von Agnes Meyer-Brandis ist dabei die spielerischste und trotz ihrer Versponnenheit auch dem Alltag nächste Arbeit in der durch ihre Konzentriertheit äußerst anregenden Schau.
Meyer-Brandis' Idee? Selbst "Mondgänse" großzuziehen, sie zu Astronauten auszubilden und für den Flug zum Mond zu trainieren. Zusehen kann man ihr dabei in einem Video, in dem sie ihre Vorbereitungen mit Gonsales' Bericht aus "The Man in the Moone" verwebt. Man sieht, wie sie Eier mit Namen beschriftet und in einen Brutkasten legt, wie sie mit den Küken und später den Gänsen marschiert. Die Tiere müssen zudem verschiedene Übungen machen. Neben dem Film kann man ihnen dabei in einem "Kontrollraum" zusehen. Das wirkt so, als wäre das in Echtzeit. Aber Meyer-Brandis hat das auch im Internet dokumentierte Projekt 2011 begonnen, manche der Gänse leben nicht mehr. Die restlichen "üben" aber noch auf dem italienischen Hof, wo die Aufnahmen entstanden.
Bei der Britin Alexandra Daisy Ginsberg nebenan geht es auf den neuen planetarischen Hoffnungsträger: den Mars. "The Wilding of Mars" heißt ihre aus zwölf Bildschirmen und zwei Fotoplakaten bestehende Installation, bei der man zusehen kann, wie fiktive, von Ginsberg "entwickelte" Pflanzen den roten Planeten besiedeln. Ihre digitalen Simulationen sehen nicht immer einladend aus, und für den menschlichen "Gebrauch" sind sie auch nicht gedacht. Eher geht es um die Frage: Können wir uns eine Besiedelung des Weltalls auch ohne den Menschen vorstellen?
Kurt Hentschläger wiederum schickt uns in der Muffathalle in die absolute Dunkelheit. "SUB" heißt seine immersive audiovisuelle Installation, in der abstrakte Formen und Muster aus Licht die totale Finsternis zwar durchbrechen. Aber mit dieser muss man sich erst mal arrangieren. Die anfängliche Unruhe und Neugier geht dabei in eine Faszination für die Intensität der Farben über.
Intensive Erfahrungen verspricht auch das restliche Geburtstagsprogramm, von dem hier nur das "philosophische Nachtgespräch" zwischen Byung-Chul Han und Julian Nida-Rümelin am 19. Juli, das Konzert von Vieux Farka Touré am 24. Juli und die abschließende "Gran Noche Latina" am 29. Juli erwähnt seien. Sie alle stehen exemplarisch für das vielfältige Programm des Muffatwerks, das Kulturstaatsministerin Claudia Roth bei der Geburtstags-Pressekonferenz als "kulturellen Leuchtturm" und "Ort der gelebten Demokratie" bezeichnet hat. Ein Ort für spannende Multimedia-Experimente ist es ebenfalls.
Muffat Digital Art - lost in space, bis 18. Juli, Muffatwerk, Zellstraße 4, www.muffatwerk.de