Art Cars in München:Finessen auf Rädern

Lesezeit: 3 min

Die Südafrikanerin Esther Mahlangu gestaltete 1991 als erste Künstlerin ein Art Car. (Foto: BMW AG)

Die regenbogenbunten Art Cars von BMW drehten einst auf der Rennstrecke von Le Mans ihre Runden. Nun sind sechs dieser motorisierten Kunstwerke in der Pinakothek der Moderne zu sehen.

Von Evelyn Vogel, München

Die kleine Entdeckung auf dem Weg zwischen der Ausstellung in der Pinakothek der Moderne und dem Schreibtisch zu Hause passt wie die Faust aufs Auge - oder besser die Hand an den Schaltknüppel. Am Straßenrand im Münchner Glockenbachviertel steht einer dieser Oldtimer aus den Siebzigerjahren mit eckigen Formen und in leuchtendem Orange. Ach, würden die Autobauer - und nicht nur die bayerischen - doch auch ihre aktuellen Modelle mit einer solchen Farbpalette anbieten, wie sie einst gang und gäbe war: rot, orange, gelb, grün, blau - in allen Farben des Regenbogens statt in schwarz-silbrig-grauer Tristesse rauschten sie damals über die Landstraßen! Und nicht nur dort.

Bald 50 Jahre ist es her, dass der französische Auktionator und Hobby-Rennfahrer Hervé Poulain sich in den Kopf setzte, das 24-Stunden-Rennen von Le Mans in einem von Künstlern gestalteten Rennwagen zu fahren. So kam es 1975 zum ersten BMW Art Car, den der amerikanische Bildhauer Alexander Calder wirklich in fast allen Farben des Regenbogens bemalte. Wenige Monate später ging Poulain mit dem bemalten 3er-BMW in Le Mans tatsächlich an den Start. Der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte, und fortan drehten so einige der benzinfressenden Kunstwerke ihre Runden auf der Rennstrecke in Le Mans. Es waren halt noch andere, automobilitätsverliebte Zeiten.

Alexander Calder war 1975 der erste Art-Car-Künstler. (Foto: Enes Kucevic/BMW AG/Enes Kucevic)

19 Art Cars gibt es mittlerweile. Das ungewöhnlichste war wohl das des isländischen Künstlers Ólafur Elíasson von 2007. Er verbarg einen wasserstoffbetriebenen Rennprototypen unter einem Eispanzer, um, wie oft in seinen Werken, auf Umweltzerstörung und Klimawandel aufmerksam zu machen. Das jüngste Exemplar, präsentiert 2016, stammt von dem Anfang 2020 verstorbenen amerikanischen Künstler John Baldessari. Übrigens tauchen in der Geschichte der Art Cars bislang nur drei Künstlerinnen auf: neben der südafrikanischen Malerin Esther Mahlangu (1991) die amerikanische Konzeptkünstlerin Jenny Holzer (1999) und die chinesische Multimediakünstlerin Cao Fei, die Nummer 18 gestaltet hat.

Sechs von den rollenden Kunstwerken - die Exemplare von Alexander Calder, Roy Lichtenstein, Andy Warhol, Robert Rauschenberg, Esther Mahlangu und Jeff Koons - stehen nun im Vorfeld der IAA vor und in der Pinakothek der Moderne in München. Von manchen Besuchern gleichgültig links liegengelassen, von anderen, je nach Interessen, kunstgeschichtlich oder technisch versiert begutachtet. Es ist eine der größten musealen Präsentationen von Art Cars außerhalb der firmeneigenen Museumsschnecke. Und nicht vergleichbar mit der Stippvisite, die Alexander Calders Art Car kürzlich bei der Wiedereröffnung der Nationalgalerie in Berlin gemacht hat.

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Gleich auf dem Vorplatz des Münchner Museums steht geschützt in einem Glaskasten der M1 von Andy Warhol aus dem Jahr 1979, der mit der Startnummer 76 einst seine Runden in Le Mans drehte. Das Exemplar Nummer 4 vom Meister der seriellen Siebdruckkunst ist interessanterweise nicht nur wie alle Art Cars ein Unikat, sondern auch eines der wenigen, das vom Künstler mit eigener Hand bemalt wurde. Worüber es übrigens auch einen Film gibt, den der Künstler Peter Fischli für Wert befand, in der von ihm kuratierten aktuellen Ausstellung "Stop Painting" in der Fondazione Prada in Vendig zu zeigen. Das Exemplar von Jeff Koons von 2010 steht als deutlich jüngeres Pop-Art-Pendant im Windfang zwischen Vorplatz und Rotunde.

Robert Rauschenberg signierte sein Art Car auf der Motorhaube. Manche der Lackierer verewigten sich am Heckspoiler. (Foto: BMW AG)

Viele der Künstler entwarfen Modelle und überließen die Umsetzung professionellen Lackierern - die dann stolz ihre Signaturen hinterließen, wie man beispielsweise an den Heckspoilern der Art Cars von Alexander Calder und Roy Lichtenstein ablesen kann. Dabei hat Lichtensteins 320i von 1977 einen der schönsten Plätze in der Pinakothek der Moderne erhalten: Das von dem Pop-Art-Künstler mit den typischen "Benday Dots" gestaltete Auto steht direkt vorm überdimensionalen Setzkasten des Designmuseums Die Neue Sammlung, in den er zwar nicht hineinpassen würde, aber insgesamt einen passenden Rahmen erhalten hat.

Mit fließenden Linien und den typischen "Benday Dots" gestaltete der Pop-Art-Künstler Roy Lichtenstein sein Art Car 1977. (Foto: Enes Kucevic / BMW AG)

Dagegen müssen sich Calder und Rauschenberg einen der etwas schmucklosen Räume für Wechselausstellungen teilen, in den zudem eine Vitrine mit Modellen der Art Cars gestellt wurde. Allerdings kann man dort umso besser die Augmented-Reality-App Acute Art testen, mit deren Hilfe man neuerdings mehrere Exemplare der Art Cars virtuell überall platzieren kann - ob in die heimische Garage oder in den Ausstellungsraum. Ein großer Spaß, wenn dann plötzlich aus den wertvollen Unikaten ein Serienprodukt zu werden scheint. Oder wenn das Wintergartencafé, wo der 525i von Esther Mahlangu aus dem Jahr 1991 zwischen den hohen Säulen der Pinakothek der Moderne geradezu modellhaft klein wirkt, zu einem virtuellen Fuhrpark voller Art Cars mutiert.

BMW Art Cars, Pinakothek der Moderne, Barer Str. 40, bis 12. September; AR-Darstellung über die Acute Art App

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Internationale Automobilausstellung in München
:So sieht das Programm für die IAA aus

Mehr als 500 Aussteller aus rund 30 Ländern kommen im September nach München. Doch das Auto und seine Schöpfer werden längst nicht mehr so bewundert wie früher. Zudem fällt die Messe in einen besonders heiklen Zeitraum.

Von Max Hägler und René Hofmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: