Profil:Olafur Eliasson

Profil: undefined
(Foto: Britta Pedersen/zb/dpa)

Isländischer Künstler, der Kinderstimmen ein Forum gibt.

Von Kia vahland

Wenn das Nutellaglas zu reden beginnt, vergeht auch den Schokosüchtigen der Appetit. Es sei aus Palmöl, sagt es, was der Umwelt schade, deshalb sollen die Kinder sich bitte ein anderes Frühstück suchen. Die Anklage kommt selbst von einem Kind, sie ist Teil eines Kunstprojekts von Ólafur Elíasson. Der gebürtige Isländer mit Wohnsitz Berlin fordert Jungen und Mädchen in aller Welt auf, Videos aufzunehmen und mit Gesichtern im Kindchenschema zu animieren. So spricht das Gartenbeet, ein Globus, eine Plastiktüte oder auch die Hauskatze zur Welt, belebt von Kinderstimmen. Zumeist sind Forderungen, Appelle und Vorwürfe zu hören, und sie richten sich vornehmlich an die Erwachsenen, die sich die Welt so eingerichtet haben, wie sie ist. Hauptsorge der Teilnehmenden ist die Umwelt, vom Artensterben über Ressourcenverschwendung bis zur Klimapolitik.

Initiiert hat das Projekt Außenminister Heiko Maas, Anlass ist die deutsche Ratspräsidentschaft für die EU. Bestückt wird das vielstimmige Werk von den Kindern in 24 Sprachen via App. Es lässt sich unter der Adresse https://earthspeakr.art im Netz erleben, wird aber auch an öffentliche Orte wie in Parlamenten projiziert.

Der Künstler verlässt mit der interaktiven Auftragsarbeit die Kunstsphäre im strengen Sinne, die politische Absicht ist dem Werk eingeschrieben. Das passt zur Biografie des 53-Jährigen, der sich seit Langem fragt, wie Kunst nicht nur ihr Publikum bewegen, sondern auch etwas verändern kann. So bat er auf der Venedigbiennale vor drei Jahren Flüchtlinge, gemeinsam mit Studierenden Lampen für Afrika zusammenzubauen - was gut gemeint sein mochte, aber den befremdlichen Effekt hatte, dass die Besucherinnen und Besucher der Biennale die zumeist schwarzen Arbeiter anstarrten, als wären diese auch ausgestellt.

Berühmt wurde der in Dänemark aufgewachsene und ausgebildete Elíasson mit einem mehrdeutigeren Werk: einer riesigen künstlichen Sonne, welche die 35 Meter hohe Turbinenhalle der Tate Modern in London verwandelte und den englischen Winter 2003/2004 gleich mit. Zwei Millionen Menschen genossen die schummrige Kunstsonne, legten sich auf den Boden, machten hier Yoga, ließen die Seele baumeln. Elíasson hatte ein Gemeinschaftserlebnis ohne Zwang ermöglicht, man konnte hier über das Verhältnis von Kunst und Natur nachdenken oder einfach nur darüber, wie gut ein bisschen Muße tut.

Der Künstler selbst dachte dabei wohl auch an das sommerliche isländische Licht, das Haus seiner Großeltern nahe Reykjavík, die erkaltete Lava und die Gletscher des Landes. Es ist diese alte Naturerfahrung, von der er sich nährt - ohne dabei je zu verschleiern, welch eine riesige technische Maschine hinter vielen seiner Arbeiten steckt. Der ruhige Däne werkelt nicht allein im Studio, er beschäftigt in Berlin ein vielköpfiges Unternehmen für seine aufwendigen Projekte rund um den Globus. Er ist ein Kunstunternehmer im großen Stil, ein kapitalismuskritischer Erfolgskünstler, einer, der die Welt mit sehr viel Materialaufwand bewahren und doch auch gerne verschönern will.

Solche Widersprüche sind Teil der Arbeit von Ólafur Elíasson, er leugnet sie gar nicht. Die Gefahr, zum Wohlfühlkünstler zu werden, ist ihm selbst bewusst. Es reizt ihn offenkundig, Massen erreichen zu können wie nur wenige seiner Kollegen, doch in beschönigenden, monumentalen Kitsch abdriften will er auf keinen Fall. So variiert er etwa seine künstlichen Wasserfälle immer wieder, die von New York bis São Paulo zu erleben sind, verkleinert sie, lässt sie spielerischer werden als noch zu Beginn.

Er reagiert auf das, was sein Publikum tut, Kunst ist für Elíasson immer ein direkter Austausch. So passt auch die App mit den Kinderstimmen in sein Œuvre. Ob die Forderungen der Kinder nach Weltenrettung auch gehört werden, das aber entscheiden andere.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: