Rot ist das neue Grün. Während die Corona-Warn-App während der gesamten Pandemiezeit öfter grün als rot leuchtete und bei vielen kaum eine Risikobegegnung meldete, bleibt die App nun meist konstant rot gefärbt. Was zu Beginn der Omikronwelle vorhergesagt wurde, trifft nun ein: Mitarbeiter in Verwaltungen, bei Rettungsdiensten, in Kinderbetreuungseinrichtungen und in der Gastronomie sind zum Teil reihenweise erkrankt. Da stellt Einrichtungen vor große logistische Herausforderungen.
Die Behörden
Keiner kommt dem Virus gerade aus. Wegen vieler erkrankter Mitarbeiter musste das Rathaus Neuried vergangene Woche die Türen für den Parteiverkehr schließen und das gilt bis auf Weiteres. Zwar sollen die Mitarbeiter telefonisch erreichbar sein, aber auch das war stellenweise nicht gewährleistet. "Mehrere Kollegen sind erkrankt", sagt Markus Crhak (Bündnis Zukunft Neuried/BZN), Zweiter Bürgermeister. Deshalb wurde vergangene Woche im Rathaus eine PCR-Testung für alle Mitarbeiter veranlasst. Bis die Ergebnisse vorlagen, waren auch die gesunden Kollegen in Quarantäne. "Der Betrieb läuft mit Stockungen und Stauungen", so Crhak. Nicht anders ist es in Planegg. Vor allem das Einwohnermeldeamt ist betroffen. Statt fünf Mitarbeitern muss stellenweise ein einziger die Arbeit stemmen. "Wir können nur das Notwendigste machen", sagte Stefan Schaudig, Geschäftsleiter der Gemeinde. Auch im Landratsamt sind die "Reihen gewaltig gelichtet", sagte Landrat Christoph Göbel (CSU), der sich Anfang März selbst in Quarantäne begeben musste und von zuhause aus die Unterbringung für die Geflüchteten aus der Ukraine organisieren musste. Der Landrat konnte der Situation sogar etwas Positives abgewinnen: In der Isolation habe er sich um das Thema intensiver kümmern können, weil Präsenztermine ausgefallen seien. Und natürlich trifft es auch Gemeinderäte. So fehlte die Fraktion der Grünen/Unabhängige Liste in Gräfelfing im Ausschuss vergangene Woche - drei Fraktionsmitglieder sind gerade infiziert.
Die sozialen Hilfsdienste
"Seit zwei Wochen haben wir sehr viele positive Fälle", sagt Julia Krill vom Malteser Hilfsdienst, der seine Geschäftsstelle in Gräfelfing betreibt. Erst in den vergangenen Tagen waren bei Antritt einer Schicht des Rettungsdienstes gleich drei Mitarbeiter positiv getestet worden. Sie konnten kurzfristig durch andere Kollegen ersetzt werden. "Alle helfen zusammen, aber es verlangt extreme Koordination." Bisher musste noch keine Rettungsdienstschicht oder ein anderer Fahr- oder Essensdienst ausfallen. Inzwischen verfügt der Hilfsdienst über eine eigene PCR-Schnelltestung, um falsch positive Schnelltest unter den Mitarbeitern rasch ausschließen zu können. Seit Beginn der Pandemie arbeitet der Hilfsdienst in festen Teams, um Infizierungen untereinander einzudämmen und um Schichten komplett ersetzen zu können. Doch "Omikron zeigte eine andere Realität", sagt Krill. Zunehmend infizieren sich Mitarbeiter zeitgleich in diversen Teams, so dass Schichten neu zusammengewürfelt werden müssen.
Die Kliniken
In der Wolfart Klinik in Gräfelfing fehlen aktuell etwa fünf Prozent des Pflegepersonals. Vor etwa vier Wochen grassierte die Omikronwelle viel stärker, sagte Tilmann Götzner, Geschäftsführer der Wolfart Klinik. Da mussten Stationen geschlossen werden, weil Personal fehlte, Patienten wurden auf andere Stationen verlegt. Auch die ein oder andere Operation musste verschoben werden. Derzeit können auch keine Einzelzimmer in dem sonst verfügbaren Umfang angeboten werden. Neben dem Pflegepersonal fehlen aber auch immer wieder Patienten, die nicht zur geplanten OP erscheinen, weil sie infiziert sind. Das Isar-Amper-Klinikum mit Sitz in Haar und Tageskliniken in der gesamten Region bekommen die Omikron-Welle zu spüren. "Es sind Mitarbeiter aus allen Bereichen erkrankt oder in Isolation", sagt Klinik-Sprecher Henner Lüttecke. Aber die Versorgung sei sichergestellt. Man habe sich bereits zu Beginn der Pandemie auf alles vorbereitet.
Die Gastronomie
Am Mittwochmittag sind die 200 Plätze im Biergarten im Wirtshaus am Sportpark in Unterhaching bei schönstem Sonnenschein schon voll besetzt, das Servicepersonal rotiert. "Es fehlen derzeit 50 Prozent Mitarbeiter wegen Corona-Infektionen", sagt Wirt Sepp Schwabl. Er rekrutiert gerade alle, die früher schon mal im Wirtshaus gearbeitet haben, er selbst packt auch an, "alles, was aufrecht gehen kann, hilft mit". Die Biergartensaison habe unter deutlich "erschwerten Bedingungen" begonnen. Die Personalkrise führe nicht zu mehr Lockerheit, betont der Wirt. Alle Mitarbeiter werden täglich getestet, es gebe eine eigene Teststation im Haus. Im Biergarten Forst Kasten bei Neuried wartet Wirtin Johanna Barsy noch gespannt ab, wie sich die Saison anlässt. Erst ab 1. April macht der Biergarten auch unter der Woche auf. Schlaflose Nächste hatte sie aber bereits. Die Suche nach Servicepersonal - ob infiziert oder nicht - ist generell schwierig. Viele Helfer haben sich während der Pandemie umorientiert.
Die Schulen
Gabriele Frohberg-Hintzen bangt als Leiterin der St.-Emmeram-Realschule in Aschheim jeden Morgen, was der Tag bringen wird. Ein Lehrer kann in der Hochphase der Corona-Pandemie immer ausfallen. Dann muss umgeschichtet und der Stundenplan auch mal angepasst werden. Richtig schwierig wird es, wenn eine Lehrerin schwanger wird. Denn in Corona-Zeiten bedeutet das, dass sie sofort raus ist. "Sie darf dann die Schule nicht mehr betreten", sagt Frohberg-Hintzen und berichtet, wie dann auf die Schnelle ein Online-Unterricht organisiert wird, wobei auch dafür eine sogenannte "Team-Lehrkraft" eingesetzt werden muss, die die Aufsicht in der Klasse hat. Und eine solche Aushilfskraft zu finden, "das ist schwer momentan". Gerade nach den Faschingsferien seien die Infektionsfälle bei Schülern wie Lehrkräften angestiegen. Die Corona-Ausfälle im Kollegium versuche man "so gut wie möglich aufzufangen". Für die Gesunden an Bord sei das eine "gewaltige Mehrbelastung". Frohberg-Hintzen sieht die Maske an ihrer Schule nicht so schnell fallen. Denn die bleibe, sobald ein Infektionsfall unter Schülern oder Lehrerin in einer Klasse aufgetreten sei. Und derzeit sei das in vielen Klassen der Fall. In der Grundschule Neukeferloh in Grasbrunn sind derzeit stabil immer zwei Lehrkräfte betroffen, sagt Rektorin Christine Neumann. "Das zieht sich so durch." Damit kann die Schule umgehen, sie hofft, dass es nicht mehr werden.
Die Polizei
Keiner muss sich um die Sicherheit sorgen. Armin Ganserer, Leiter der Polizeiinspektion Ottobrunn, kann beruhigen. Der 24-Stunden-Dienst seiner Dienststelle sei gesichert. Dabei ist auch die Polizei mit Infektions- und Quarantänefällen infolge der Corona-Welle betroffen. Der Chef selbst hatte sich infiziert. Er litt unter Schüttelfrost und Erkältungssymptomen und fiel bis vor einigen Tagen noch aus. Und es erwischt auch die Kollegen. "Das geht über die normalen Krankmeldungen hinaus", sagt Ganserer. "Wir haben in den letzten drei Wochen steigende Zahlen." Durch Umschichtungen gelinge es aber, den notwendigen Personalstand tagsüber und nachts zu gewährleisten. "Wir jonglieren." Der Schutz vor Infektionen sei gerade bei der Polizei nur bedingt möglich. Denn die Beamten müssten ja raus zu den Menschen. Das Wichtigste, sagt Ganserer, sei, dass es keine schweren Verläufe gebe. Niemand wolle einen Kollegen im Krankenhaus sehen. Bisher habe man die Personallücken in der Inspektion noch intern schließen können.
Das Seniorenzentrum
Nach zweieinhalb Jahren unermüdlichen Einsatzes, um das Corona-Virus aus dem Haus herauszuhalten, sind aktuell im Stift am Parksee des Kuratoriums Wohnen im Alter in Unterhaching auf den Stationen wieder alle in Habacht-Sellung. Denn die leicht ansteckende Omikron-Variante fordert ihren Tribut. Dabei geht es für Stiftsdirektorin Alexandra Kurka-Wöbking im Moment darum, die Pflege und Versorgung aufrecht zu erhalten. "Tatsächlich haben wir mit Personalausfall zu kämpfen", sagt sie Und jeden Morgen stelle sich die Frage, was der Tag bringe. Das Personal wird im Haus durchgetestet und wenn Tests positiv ausfallen, muss schnell gehandelt werden. So zügig wie möglich würden die Mitarbeiter, die sich bestmöglich schützten, dann aus dem Dienst genommen, sagt Kurka-Wöbking. Man habe einen Notfallplan und Rufbereitschaft sei eingerichtet. Sie selbst gehe dann in die Pflege und jeder, der eine entsprechende Qualifikation habe. Die Impfquote im Haus ist sehr hoch. Von 110 Mitarbeitern ist Kurka-Wöbking zufolge einer nicht geimpft. Entscheidend sei die innere "Haltung" bei jedem einzelnen, sagt sie.