Corona-Pandemie:Kommunalpolitik in Zeiten der Krise

Lesezeit: 4 min

In den Sitzungssälen geht es so beengt zu, dass ein normaler Politikbetrieb nicht mehr möglich ist. Das Foto zeigt eine Sitzung des Umweltausschusses des Kreistags im Landratsamt. (Foto: Claus Schunk)

Der Kreistag tritt alle Kompetenzen an den Kreisausschuss ab, die Gemeinderäte tagen wegen der Ansteckungsgefahr entweder in großen Hallen oder vorerst gar nicht.

Von Martin Mühlfenzl und Sabine Wejsada, Landkreis

Eigentlich hätte gleich am Montag nach den Osterferien, dem 20. April, im Sitzungssaal des Landratsamtes am Mariahilfplatz der Ausschuss des Kreistags zusammentreten sollen, ohne den im Landkreis gar nichts geht: der Finanzausschuss. Jenes Gremium, das mit Argusaugen über die gewaltigen Summen wacht, die im Landkreis München bewegt werden. Doch die Sitzung fällt aus; wie nahezu alle anderen Tagungen der Stadt- und Gemeinderäte, Bauausschüsse und Haushaltsberatungen in den 29 Städten und Gemeinden. Das Coronavirus hat den politischen Betrieb im Landkreis fast komplett zum Erliegen gebracht.

Im kleinen Baierbrunn im Isartal hat der Gemeinderat am vergangenen Donnerstag noch einmal getagt. Allerdings nicht im Sitzungssaal des Rathauses, der ist zu beengt in Zeiten, in denen Abstand halten das Gebot der Stunde ist. Noch-Bürgermeister Wolfgang Jirschik (ÜWG) und die Gemeinderäte tagten in der Turnhalle. Dennoch könnte es möglicherweise Jirschiks letzte Sitzung als Rathauschef gewesen sein, die für den 21. April angesetzte Sitzung fällt definitiv aus, ob am 28. April noch einmal eine stattfinden wird, sei noch nicht ausgemacht, heißt es aus dem Rathaus. Jirschik tritt im Mai ab, wenn sich in ganz Bayern die Kommunalparlamente konstituieren, dann übernimmt sein Nachfolger Patrick Ott (ÜWG).

Sowohl der Bayerische Städte- als auch der Gemeindetag haben Handlungsempfehlungen für Kommunen herausgegeben, die Sitzung derzeit auf das absolut notwendige Mindestmaß zu reduzieren und nicht dringliche Tagesordnungspunkte zu verschieben. Hinzu kommt, das nach Kommunalrecht Sitzungen keine Veranstaltungen im Sinne der Allgemeinverfügung sind und daher kein Ausschluss der Öffentlichkeit gerechtfertigt ist - dieser aber ist in Zeiten der Distanzwahrung erwünscht.

Derzeit tagen nur die Mitglieder des Ältestenrats

Wann die neu gewählten Fraktionen im Kreistag ihre neuen Räumlichkeiten zu Gesicht bekommen werden, steht noch in den Sternen. Derzeit kommen überhaupt nur die Mitglieder des Ältestenrates im Landratsamt mit Landrat Christoph Göbel (CSU) zusammen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Bisher hat sich der Ältestenrat darauf geeinigt, alle für den April geplanten Sitzungen der Kreisgremien abzusagen - bis auf eine.

Nach aktuellem Stand wird am 27. April der Kreisausschuss zusammenkommen, dann ausgestattet mit allen Kompetenzen aller Ausschüsse für den Rest der Amtsperiode, wie Landrat Göbel sagt. "Es ist gut, wenn wir in deutlich kleinerer Runde als dem Kreistag zusammenkommen", sagt Göbel. Der Kreistag umfasst mit dem Landrat 71 Mitglieder, der Kreisausschuss hingegen nur 15 Mandatare.

Um die Kompetenzen aller Kreisgremien auf den Kreisausschuss übertragen zu können, muss sich der Kreistag für den Rest der Amtsperiode gewissermaßen selbst entmachten. Dies solle per sogenanntem Umlaufverfahren geschehen, sagt Göbel. Die Kreisräte werden also nicht zu einem Beschluss persönlich zusammenkommen, sondern ihre Zustimmung schriftlich erteilen. Ein Verfahren, das unter anderem auch die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages vorsieht. Dort holt der Chef in Sachverhalten, die nur noch die Zustimmung der einzelnen Kabinettsmitglieder das schriftliche Einverständnis der Staatssekretäre per sogenannter Umlaufsache ein.

Im Mai soll sich der neue Kreistag konstituieren

Dass die Ausschüsse und der Kreistag nun kurzfristig nicht mehr zusammenkommen sollen, habe indes keine weitreichenden Folgen - wenn denn der neu zu konstituierende Kreistag bereits im Mai zusammentreten könne, sagt der Landrat. "Dazwischen liegen jetzt ohnehin die Osterferien, es sind also nicht viele Sitzungen und daher auch keine wirklich weitreichenden Projekte betroffen", sagt Göbel.

In manchen Kommunen läuft der Betrieb hingegen - wenn auch meist auf Sparflamme - einigermaßen weiter. In Neubiberg kommt an diesem Montag, 6. April, der Gemeinderat zu seiner Sitzung zusammen. Unter "den empfohlenen Schutzmaßnahmen", wie es aus dem Rathaus heißt, also mit einem Mindestabstand von 1,5 bis zwei Meter, Einzelbestuhlung und Hinweisen an die Teilnehmer, die geltenden Hygienebestimmungen einzuhalten.

In Unterschleißheim finden bis zum 23. April keine Sitzungen mehr statt. Die konstituierende Tagung des neuen Stadtrats ist für den 7. Mai im Festsaal des Rathauses anvisiert. Unterföhring geht einen anderen Weg. Nach der Absage aller gemeindlichen und kulturellen Veranstaltungen bis zum 20. Mai wird dort weder eine Ausschuss- noch die für den 23. April geplante Gemeinderatssitzung stattfinden.

"Stand heute haben wir keine unabdingbaren Themen zu behandeln", sagt der wieder gewählte Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer (Parteifreie Wählerschaft). In dauerndem Austausch mit den Fraktionssprechern des noch amtierenden Gemeinderats würden hier die Fragen behandelt, geklärt und - wenn es möglich ist - in den Mai verschoben. Die konstituierende Sitzung des Gemeinderats am 14. Mai wird aller Voraussicht nach im großen Saal des Bürgerhauses stattfinden, wie die Kommune mitteilt.

In Ismaning behelfen sich die Kommunalpolitiker mit einem Umzug vom Kutscherbau in die größere Hainhalle. Dort hat bereits am 26. März der Gemeinderat im Eiltempo getagt, wie es aus dem Rathaus heißt, am vergangenen Donnerstag kam in dem Saal der Bauausschuss zusammen. Die letzte Gemeinderatssitzung der laufenden Amtsperiode ist für den 23. April terminiert, ebenfalls in der Hainhalle. Die konstituierende Sitzung soll laut Homepage am 7. Mai stattfinden. Im Kutscherbau, wenn alles gut geht.

In Haar sollte eigentlich noch vor der konstituierenden Sitzung des Gemeinderats das Mobilitätskonzept verabschiedet werden, so der Fahrplan. Doch die Abwahl von Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) und die Corona-Krise haben diesen Plan durchkreuzt. Müller sagt, sie wolle das Konzept, das mittelfristig umfangreiche Veränderungen für Autofahrer, Radfahrer, Fußgänger und den ÖPNV vorsieht, nicht durchdrücken. "Das muss man wirklich noch mal ausführlich diskutieren." Mit einer Hauruckaktion täte man dem Projekt "keinen Gefallen". Ende April ist die letzte Sitzung des Gemeinderats in aktueller Besetzung anberaumt.

In Unterhaching übernimmt der Ferienausschuss

In Unterhaching war die Märzsitzung des Gemeinderats zunächst abgesagt worden, da sich zu viele Gemeinderatsmitglieder abgemeldet hatten. Das Gremium war damit nicht beschlussfähig. Zu eng hätte man im Sitzungssaal beisammengesessen, die Stuhlreihen für die 30 Gemeinderatsmitglieder sind fest fixiert, hier lässt sich nichts auseinanderschieben. Wegen der Lärmschutzthematik auf der Tagesordnung hatte man zudem mit zu vielen Besuchern gerechnet. Jetzt hat man sich darauf verständigt, bei den nächsten Terminen nur noch mit reduzierter Stärke als Ferienausschuss zu tagen. Die erste Sitzung in dieser Form hat bereits am Freitag stattgefunden.

Und in Putzbrunn hat der Gemeinderat in seiner jetzigen Konstellation am vergangenen Dienstag letztmals getagt, um den Standort für das neu zu bauende Gymnasium zu entscheiden, die April-Sitzung wurde abgesagt. Bürgermeister Edwin Klostermeier (SPD) zeigte sich enttäuscht, die acht scheidenden Gemeinderäte nicht angemessen verabschieden zu können: "Ich hatte bereits für den 21. April das Bistro im Bürgerhaus reserviert, aber das fällt nun leider auch aus. Aber ich verspreche, dass wir das nachholen."

© SZ vom 06.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: