Verkehr:Abschied von der Kirchturmpolitik

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Der Verkehr auf der A94 nimmt zu, wie überall auf den Straßen im Münchner Osten. (Foto: Florian Peljak)

Zwölf Kommunen gründen den Verein "Stadt und Land München Ost", um gemeinsam den aus dem Siedlungsdruck entstehenden Problemen zu begegnen.

Von Bernhard Lohr, Landkreis München

Autos stehen im Stau, die S-Bahn ist überfüllt und der Radweg endet an der Ortsgrenze: Es läuft nicht rund im Münchner Osten. Deshalb schließen sich zwölf Kommunen aus den Landkreisen München, Ebersberg und Erding inklusive der Landeshauptstadt zusammen, um gemeinsam besser die wachsenden Probleme in der Region zu meistern. Sie wollen im Verein "Stadt und Land München Ost" vor allem bei der Siedlungsentwicklung und der Landschaftsplanung geordneter vorankommen. Der Hauptausschuss des Haarer Gemeinderats hat am Dienstag einstimmig beschlossen, an dem Verein mitzuwirken. In den nächsten Wochen steht eine solche Entscheidung in sämtlichen Rathäusern an.

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(Foto: SZ)

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Der Verein ist aus der Not geboren. Der Osten von München entwickelt sich rasant, der Siedlungsdruck ist hoch, neue Gewerbegebiete und Wohngebiete entstehen. Die Stadt München will mit dem Entwicklungsgebiet Nord-Ost im Raum Daglfing und Englschalking ein neues Stadtviertel schaffen mit bis zu 30 000 Einwohnern. Der Ausbau der A 94 befeuert die Siedlungsentwicklung noch weiter draußen im Osten, mit vielen negativen Folgen für den gesamten Raum. Dazu kommen Befürchtungen, dass die Zweite Stammstrecke beim Ausbau des S-Bahnverkehrs nicht die Taktverbesserung bringt, die man in den Rathäusern für notwendig erachtet.

Vorbild ist die Nordallianz von Unterschleißheim, Garching und Ismaning

Bereits 2016 setzten sich mehrere Bürgermeister zusammen, weil sie überzeugt waren, dass die bisherige Kirchturmpolitik nicht weiterführt. Es folgten Workshops mit Stadtplanern und auch Vertretern aus Behörden. 2017 stieß überdies die Gemeinde Haar dazu. Und im Folgejahr gaben die Vertreter der Kommunen unter Federführung von Aschheim bereits ein Verkehrskonzept in Auftrag, das dann Entwicklungsziele formulierte. Im März 2021 einigten sich die Bürgermeister, einen Verein zu gründen, um die Arbeit zu verstetigen. Jetzt ist es soweit.

Das angestrebte Bündnis greift weit aus: Aschheim, Feldkirchen, Kirchheim und Haar sind aus dem Landkreis München dabei. Anzing, Forstinning, Pliening, Poing, Vaterstetten und Markt Schwaben aus dem Landkreis Ebersberg, dazu Finsing aus dem Landkreis Erding. Die Stadt München vertritt als Mitglied die Interessen der östlichen Stadtbezirke Bogenhausen und Trudering-Riem. Die Gemeinde Vaterstetten hat sich bereit erklärt, in den ersten drei Jahren den Vereinsvorsitz zu übernehmen und soll die Formalitäten der Vereinsgründung abwickeln. Eine Vollzeitstelle ist geplant, die zunächst im Vaterstettener Rathaus angesiedelt wird, um die Geschäfte zu führen. Auf 80 000 Euro im Jahr beläuft sich vorerst der Aufwand für den Verein, der unter anderem nach Größe der Kommunen aufgeteilt wird.

Ein voller Bahnsteig in Trudering und eine S-Bahn, die mal wieder nicht fährt. Die Kommunen fordern einen dichteren Takt. (Foto: Jakob Berr)

In Haar stieß die Vereinsgründung auf breite Zustimmung. Zweiter Bürgermeister Ulrich Leiner (Grüne), der die Sitzung leitete, verwies auf die wichtigen formulierten Leitziele im Bereich Verkehr und Siedlungsentwicklung. Mittlerweile hat man gemeinsam zudem bekundet, im Verbund die Digitalisierung vorantreiben zu wollen. Die Geschäftsstelle des Vereins soll auch als gemeinsame Anlaufstelle bei juristischen Fragen fungieren. Die Kommunen erhoffen sich, durch abgestimmte Ausschreibungen Vorteile bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Zuletzt mussten Projekte oft neu ausgeschrieben werden, weil sich keine Bieter fanden oder die eingegangenen Angebote alle preislichen Vorstellungen überstiegen.

Als ein Vorbild für den Verein, den manche schon kurz und knapp als "Ostallianz" betitelt haben, gilt die seit Jahren existierende Nordallianz, in der mit Unterschleißheim, Oberschleißheim, Garching, Ismaning und Unterföhring fünf Kommunen aus dem nördlichen Landkreis München mit Neufahrn, Eching und Hallbergmoos im Landkreis Freising zusammengefunden haben. Auch am Dachauer-Moos-Verein, der bis in die Landkreise Dachau und Fürstenfeldbruck ausgreift, und beim Erholungsflächenverein haben sich die zwölf Partner im Osten mit ihrem neuen Verein angelehnt. Noch vor der offiziellen Gründung gibt es Wünsche, das Bündnis auszuweiten. Der Haarer Gemeinderat Alois Rath (CSU) rief dazu auf, Grasbrunn und Putzbrunn in der Nachbarschaft zum Mitmachen zu bewegen. Mit Grasbrunn liegt Haar im offenen Streit, weil es ein Gewerbegebiet in Keferloh an Haars Ortsgrenze plant.

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