Kulturpolitik:Stoppt den Tod durch Trödelei

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Der Allianz-Vorstandsvorsitzende Oliver Bäte auf dem Podium mit Moderatorin Anna Kleeblatt und dem Leiter des Ifo-Instituts Oliver Falck (links) im Saal des Akademischen Gesangsvereins. (Foto: Lorenz Mehrlich)

Initiative "Kulturzukunft Bayern": Mäzene und Sponsoren wie Allianz-Chef Oliver Bäte wollen die Politik dazu bewegen, das Bröckeln der Bauten zu beenden und eine Vision für den Kulturstaat im Freistaat zu entwickeln. Warum? Und was rät Städteforscher-Papst Charles Landry?

Von Susanne Hermanski

Der britische Städteforscher Charles Landry spricht ausgezeichnet Deutsch. Er hat einige Zeit in München studiert in dessen wilden, bewegten Jahren vor einem halben Jahrhundert. Seine Analyse dessen, was dagegen aktuell hierzulande los ist, bringt er am Auftaktabend der "Initiative Kulturzukunft" in seiner Muttersprache auf den Punkt: "Death by delay!". Zu Deutsch: der Tod durch Trödelei, das Siechtum infolge nicht enden wollender Verzögerungen.

Die Leute im voll besetzten Saal des Akademischen Gesangsvereins in der Münchner Innenstadt wissen, wovon er spricht. Die meisten von ihnen sind Mäzene und Sponsoren, die sie sich zum Teil seit Jahrzehnten für Bayerns Kultureinrichtungen engagieren, Frauen und Männer, die Museen, Theater, Orchester und Opernhäuser mit Geld und kreativen Fundraising-Ideen unterstützen. Zudem sind einige Verwaltungsleute und viele Köpfe der Institutionen erschienen - auch Gasteig-Chef Max Wagner, dessen Bauprojekt in dieser Woche wegen folgenschwerer Verzögerungen wieder in den Schlagzeilen stand. Von den prominenten Politikern ist nur einer da: Wolfgang Heubisch (FDP), ehemals Kunst- und Wissenschaftsminister und heute Landtagsabgeordneter.

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Anna Kleeblatt und Markus Michalke, die durch den Abend führen, sparen sich eine klare Bestandsaufnahme der Probleme, was die Kultur in Stadt und Staat anbelangt. Auf konkrete Beispiele verzichten sie, dabei gibt es viele mögliche: etwa die im fünften Jahr geschlossene Neue Pinakothek, den Mangel an Musiklehrern im Flächenstaat, fehlende Konzepte für Kultur bei städtebaulichen Entwicklungen. In der Folge bleibt für so manchen diffus, worum hier genau gekämpft werden soll.

Die klarsten Worte findet Oliver Bäte, der Vorstandsvorsitzende der Allianz, die als in München beheimateter Weltkonzern nicht nur die Pinakothek der Moderne als Förderer unterstützt. Bäte betont, welcher internationale Wettbewerb gerade um die größten Talente und kreativsten Köpfe tobt. "Für sie ist Kunst und Kultur ein wichtiger Faktor, sich an einem Ort anzusiedeln. Man kann kein Spitzenstandort für Wirtschaft sein, ohne ein Spitzenstandort für Kultur zu sein", sagt er.

Mehr als voll: Die 250 Plätze im Saal waren überbucht. Laut der Veranstalter hatte es doppelt so viele Anmeldungen gegeben. (Foto: Lorenz Mehrlich)

Und es ist anzunehmen, dass die Worte des Sprechers des wertvollsten Versicherungskonzerns der Welt verstanden werden bei den auf Steueraufkommen und Wählerstimmen ausgerichteten Politikern. In Zeiten, in denen die Kassen leerer sind, sei es umso wichtiger zu klären, "wie viel Geld haben wir denn für was", sagt Bäte. "Bedacht werden immer die, die in der Gesellschaft am lautesten schreien", beschreibt er seine Erfahrung. "Die, die sich für Kultur und Bildung engagieren, sind aber die Zurückhaltendsten und können sich am wenigsten wehren", glaubt Bäte. Der Reflex der Politik sei klar: "Deswegen nehmen wir ihnen das Geld weg."

Nicht selten sähe die Politik die Kulturschaffenden sowieso als eine Ansammlung "hungerleidender Künstler". Deren Gebäude würde man "vergammeln lassen", bis jede Sanierung auf eine halbe Milliarde Euro komme. Deshalb ordert Bäte, ein "Mindestinvestitionsvolumen festzulegen" für die Kulturbauten, das auch neue Gebäude umfasst.

Charles Landry erforscht seit den Siebzigerjahren die Entwicklung von Städten. Er schilderte in seinem Vortrag, wie Kultur helfen kann, die Welt in ihrem aktuellen heftigen Wandel besser zu begreifen. (Foto: Lorenz Mehrlich)

Neben Bäte, der wohl nicht umsonst 2007 zum "Mister Efficiency" gewählt worden ist (vom Institutional Investor Magazine), kommen in Kurzvorträgen und auf dem anschließenden Podium noch andere zu Wort: der Leiter des Ifo-Instituts Oliver Falck und KI-Professor Sami Haddadin von der Technischen Universität München. Beide betonen ebenfalls, wie wichtig hoch qualifizierte Menschen für wirtschaftlich prosperierende Städte und Regionen beziehungsweise für ihr eigenes Fachgebiet sind.

"Technische Disziplinen profitieren von Kunst und Kultur", sagt Haddadin. Die Kreativität von Ingenieuren sei damit untrennbar verbunden, das wisse man spätestens seit dem genialen Maler, Naturwissenschaftler und Erfinder Leonardo da Vinci. Welche "kollektiven Energien" sich durch die Kultur und die Begegnung von unterschiedlichen Kulturen freisetzen, das betont schließlich Charles Landry in seinem Impulsvortrag.

Licht am Ende des Tunnels? Der Auftakt der Initiative Kulturzukunft Bayern. (Foto: Lorenz Mehrlich)

Die "Kulturrevolution", die sich mancher im Publikum von der Initiative erhofft, findet an diesem Abend unterdessen noch nicht statt. Ein interessanter Grundstein dafür ist aber gelegt. Die Sache nimmt mit den nächsten Veranstaltungen womöglich noch Fahrt auf. Gipfeln könnte sie im Sommer, am 16. Juli in der TU, wenn auf dem Podium dann die unmittelbar adressierten Politikerinnen und Politiker sitzen.

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