Kulturpolitik:Bayerns Kulturszene organisiert sich neu

Kulturpolitik: Mit Plakaten wirbt die "Initiative Kulturzukunft Bayern" um Aufmerksamkeit und Engagement.

Mit Plakaten wirbt die "Initiative Kulturzukunft Bayern" um Aufmerksamkeit und Engagement.

(Foto: Robert Haas)

Nach dem Pandemie-Trauma solidarisieren sich Künstler, Kreative und Unterstützer. Was "Culturia" und die "Initiative Kulturzukunft Bayern" bewegen wollen.

Von Susanne Hermanski

Zum Beginn der Pandemie warteten viele Kulturschaffende wochenlang darauf, dass sie die Politik in ihren bierernsten Volksansprachen auch einmal erwähnen würde. Sie, die mit der rigorosen Schließung ihrer Theater, Konzertsäle, Bühnen, Kinos und Museen zurande kommen mussten, während die Baumärkte schon wieder auf waren. Doch erst kam lange nichts, dann die Eingemeindung unter die Kategorie "Bordelle und Vergnügungsparks". Nicht lustig gemeint. Ein Schlag ins Kontor, der nun Folgen zeigt.

Die Erkenntnis, keine Lobby bei der Politik zu haben - zumindest nicht bei deren wichtigsten Entscheidern -, hat verschiedene Akteure auf den Plan gerufen. Eines der neu entstandenen Bündnisse ist die "Initiative Kulturzukunft Bayern". Die am Montag alle Bürger zu ihrer ersten großen öffentlichen Veranstaltung aufruft und weitere ankündigt. Ihr Ziel: "Wir verlangen im Wahljahr 2023 von der Politik Kernaussagen und ein Konzept zur Zukunft der Kulturinfrastruktur in Bayern."

Der Zusammenschluss besteht nicht in den Kulturschaffenden selbst, sondern aus Förderern und Freundeskreisen der wichtigsten bayerischen Kulturinstitutionen - wie etwa dem Förderkreis des Kunstareals, den Freunden des Nationaltheaters, den Freunden des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. Von Woche zu Woche schließen sich mehr Freundeskreise an, nach den großen Münchnern nun bayernweit. Darin organisiert sind viele tausend, vornehmlich erfahrene Persönlichkeiten aus der Wirtschaft.

Sie haben schon in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend das Geld aufgebracht, um etwa bei nicht vorhandene Ankaufsetats staatlicher Museen einzuspringen oder die Kulturvermittlung von Orchestern überhaupt erst zu finanzieren. Vertreter der börsennotierten bayerischen Unternehmen sitzen ebenso in diesen mäzenatischen Gesellschaften wie Sponsoren aus namhaften und traditionsreichen Familienunternehmen.

Laut Verfassung hat Bayern ein Kulturstaat zu sein

Sie halten sich nicht auf mit Gejammer über prekäre Arbeitsbedingungen in der bayerischen Kulturszene, und setzten damit etwa der traditionell unternehmerfreundlichen CSU einen Stachel ins Fleisch. Fordern sie doch die Politik ganz zielorientiert dazu auf, ihrer eigentlich edelsten Pflicht nachzukommen: zu gestalten - den Kulturstaat nämlich, der Bayern laut seiner Verfassung zu sein hat.

Die Fragen liegen dabei auf der Hand: Wie soll dessen Zukunft aussehen? Wie sollen jene Schätze, die Künstler geschaffen und der bayerische Steuerzahler finanziert hat beziehungsweise die seinen Vorfahren von Herzögen, Königen und gewählten Volksvertretern aus dem Portemonnaie geleiert wurden, gerettet und bewahrt werden? Und wie vor allem soll dieses unschätzbar wertvolle Erbe für alle Menschen gewinnbringend weiterentwickelt werden? Die Fragen der "Initiative Kulturzukunft Bayern" beziehen sich auf die Bauten der Museen, Theater und Konzerthäuser ebenso wie auf deren Inhalte. Sie umfasst den Städtebau genauso wie die Nachwuchsförderung.

Deshalb lädt sie am Montag, 30. Januar, 19 Uhr in den großen Saal des Akademischen Gesangvereins München (Ledererstraße 5) zu einem Vortrag mit Diskussion. "Kultur - relevant für die Zukunft unserer Gesellschaft!" ist der Abend überschrieben. Den Gastvortrag hält Charles Landry, ein britischer Städteforscher und Berater von Stadtplanern in aller Welt. Landry beschäftigt sich schon seit den 1970er-Jahren mit der Frage, welchen Einfluss die Faktoren Kultur und Kreativität auf die künftige Entwicklung der Städte nehmen.

Zu den Diskutanten im Anschluss zählen Oliver Bäte, Vorstandsvorsitzender der Allianz SE, Oliver Falck, Leiter des ifo-Instituts, und der TUM-Professor, Robotik- und KI-Spezialist Sami Haddadin. Die Moderation führen die Kulturmanagerin Anna Kleeblatt und Unternehmer Markus Michalke, beide Mitbegründer der "Kulturzukunft"-Initiative. Der Eintritt ist frei. Um Anmeldung wird gebeten unter www.initiativekulturzukunft.de

Das Culturia Camp bringt sie alle zusammen: Architekten, Designer, Künstler, Filmer, Musiker, Softwareentwickler

Doch diese bürgerschaftliche Vereinigung ist nicht die einzige, die in Sachen Zukunft der Kultur in Bayern aktuell von sich reden macht. So mancher hat das Schlagwort bereits in der Radiowerbung vernommen: "Culturia" tönt da ein Aufruf zu einem neuen Format, das erstmals im Rahmen eines Workshop-Camps "Talente aus unterschiedlichen Disziplinen und ganz Bayern zusammenbringen" will. Unter dem Motto "zusammen kreativ" treffen sich am 13. bis 14. April insgesamt 77 junge Kreativ- und Kulturschaffende aus unterschiedlichen Disziplinen und allen sieben bayerischen Regierungsbezirken im Werksviertel in München.

Angestoßen hat diese Initiative Comm-Clubs Bayern e.V., die Berufsvereinigung der Werbe- und Kommunikationswirtschaft. Auch deren Vertreter sagen: "Die Kultur- und Kreativwirtschaft war lange nicht im Fokus der Politik. Erschwerend hinzu kommt, dass Akteure der einzelnen Teilmärkte - wie zum Beispiel Architekten, Designer, Künstler, Filmschaffende, Musiker oder Softwareentwickler - oftmals in Silos arbeiten und nicht gemeinsam interdisziplinär". Dies zu ändern, soll das "Culturia Camp 2023" anstoßen.

Die interdisziplinären Teams sollen projektfähige Lösungen für aktuelle Probleme aus dem Spannungsfeld "New Life, New Work, New Commerce" im Kulturbereich entwickeln. Das Team, das den Wettbewerb für sich entscheidet, wird anschließend als "Culturmacher:innen 2023" ausgezeichnet. Interessierte, die in einem der elf Teilmärkte der Kultur- und Kreativwirtschaft arbeiten und maximal drei Jahre Berufserfahrung haben, können sich bis zum 10. März über die Webseite https://culturiacamp.com um die Teilnahme bewerben.

Interessant dabei: Diese Initiative wird bereits staatlicherseits gefördert. Nicht durch das Kunst-Ministerium, aber durch das Ministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie.

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