Hospiz neben urbaner Nobel-Wohnanlage - es sind zwei Bauprojekte in Giesing, die kaum näher beieinander liegen und zugleich kaum unterschiedlicher sein könnten. Nach ihrer ersten öffentlichen Präsentation am Dienstagabend sind sie der Realisierung einen Schritt näher gekommen, denn die Stadtgestaltungskommission stimmte den beiden - sehr unterschiedlich weit gediehenen - Architekturkonzepten grundsätzlich zu. Das Gremium, das die Stadt zu bedeutenden Bauvorhaben berät, gab lediglich jeweils einige Hinweise für die weitere Planung.
Es geht um die Ecke der viel befahrenen Martin-Luther-Straße, die vom Giesinger Berg weiter zum Giesinger Stadion führt, mit der kleinen Weinbauernstraße. Auf der einen Seite dieser Einmündung will der Verein "Dasein" auf einem Grundstück, das das bisher für ein evangelisches Gemeindezentrum genutzt wurde, ein Palliativzentrum unter dem Motto "Hospizhaus des Lebens" mit 14 Betten, ambulanten Angeboten, aber auch öffentlichen Einrichtungen wie einem Café und vielleicht einem Buchladen bauen. Auf der anderen Seite der Weinbauernstraße plant das Grünwalder Immobilienunternehmen "Euroboden" einen Komplex mit 50 Wohnungen sowie im Erdgeschoss sechs Gewerbeeinheiten für Büros und Geschäfte.
Zunächst zu diesem Projekt, weil die Planung dafür schon weiter gediehen ist. Zwar geht es planungsrechtlich noch um einen Antrag auf Vorbescheid, eine Vorstufe zur Baugenehmigung. Aber Euroboden hat mit dem Berliner Architekturbüro Sauerbruch Hutton bereits ein Konzept erarbeitet, das den Anspruch verrät, dem heterogenen Straßenzug zwischen Heilig-Kreuz-Kirche, Lutherkirche und wuchtigen Wohnblöcken einen neuen farbenfrohen Akzent zu geben. Das Markenzeichen des Gebäudes, bei dem auf den vier unteren Geschossen ein leicht nach innen geknicktes Dach mit zwei weiteren Stockwerken und einer Dachterrasse aufsitzt, soll eine bis fast ganz oben durchgehende, wild gemusterte Keramikfassade werden. Das Architekturbüro Sauerbruch Hutton ist bekannt für seine farbenfrohen Fassaden, in München zu sehen am Museum Brandhorst und dem ADAC-Hochhaus.
Die Farben der Kacheln bei diesem Projekt wirkten auf den Simulationen wie blau, grau und weiß. Das Blau wurde von Kommissionsmitglied Doris Grabner, Landschaftsarchitektin aus Freising, gleich in Zusammenhang mit dem in Giesing verwurzelten TSV 1860 gebracht - wobei die Bewohnerinnen und Bewohner des Komplexes eher nicht zum Image des Arbeitervereins passen dürften. Der Investor Euroboden steht für Luxuswohnen, aber immerhin mit hohem architektonischen Ehrgeiz.
"Es ist natürlich eine dichte Packung", sagte Grabner mit Blick auf das Ausmaß des Gebäudes, "aber ich finde sie insgesamt gut hergeleitet". Allerdings würde sie sich "die Farbgebung ein bisschen weniger aufgeregt wünschen", das würde "die feine Geometrie des Gebäudes befördern" - eine Anregung, für die es mehrmals Zustimmung gab. Eine weiterer Diskussionsstrang der Architekten kreiste um die Frage, ob der Dachgarten, wie bisher vorgesehen, von einer Glasbrüstung begrenzt sein solle. Nein, fand Peter Brückner, "ich tendiere dazu, dass man auf die Krone verzichtet und das Ganze in der Materialität der Fassade belässt". Der dritte Aspekt, den die Kommission betonte, war die Dachbegrünung. Doris Grabner wünschte sich, "dass es nicht nur Blumentöpfe werden, sondern dass sie fett aufgebaut wird". Der Entwurfsverfasser Matthias Sauerbruch versprach, all die Anmerkungen aufzunehmen und dann das Projekt "durchzuentwickeln und hoffentlich auch zu bauen".
Noch deutlich vager ist der Stand beim Hospiz. "Wir haben noch keinen Entwurf, sondern nur eine Machbarkeitsstudie", erläuterte Walter Landherr, der den Verein "Dasein" bei den architektonischen Grundüberlegungen berät. Man habe ein Raumprogramm entwickelt für alles, was mindestens nötig sei, um das Haus sinnvoll betreiben zu können. Nun wolle man herausfinden, ob eine Bebauung des eher kleinen Grundstücks in diesem Ausmaß möglich sei. Es geht um einen Baukörper, der auf der einen Seite fünf- und auf der anderen Seite viergeschossig ist und ebenfalls eine Dachterrasse bekommen soll. Die Lokalbaukommission bat die Stadtgestaltungskommission um Rat.
Dort gab es widerstreitende Ansichten. Stadtheimatpfleger Bernhard Landbrecht sprach sich dezidiert für eine maximale Höhe von vier Geschossen aus, "aus Respekt für das benachbarte denkmalgeschützte Gebäude in der Weinbauernstraße". Die Architektin Birgit Rapp (Amsterdam) wiederum fand "den Höhensprung ganz gut". Ihre Kollegin Michaela Wolf (Brixen) plädierte dafür, die Frage nach der Geschossigeit für den noch geplanten Architekturwettbewerb offen zu lassen. Stadtrat Jörg Hoffmann (FDP) brachte noch einen anderen Gesichtspunkt ins Spiel: "Wenn man beide Projekte gemeinsam sieht, ist es ein schöner Ausgleich." Aber, betonte Hoffmann, "auch eine soziale Nutzung muss sich rechnen", deshalb solle man nicht zu strenge Vorgaben zur Gebäudehöhen machen. Abschließend geklärt wurde die Frage an diesem Abend nicht, aber das Projekt soll nach dem Wettbewerb noch einmal der Kommission vorgestellt werden.