SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 92:Wenn man Warnsignale des Körpers ignoriert

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Von Kopfschmerzen geplagt: Unter Migräne leiden viele Menschen. (Foto: Oliver Killig/dpa)

Manche Patienten von Pola Gülberg hätten ihren Klinik-Aufenthalt wahrscheinlich vermeiden können, wenn sie rechtzeitig einen Arzt aufgesucht hätten. Doch stattdessen haben sie ihre Schmerzen unterdrückt. Das kann fatale Folgen haben.

Protokoll: Johanna Feckl, Ebersberg

"Ich dachte, es geht schon noch." Das ist ein Satz, den ich schon oft von Patienten gehört habe. Sie lagen falsch - sonst wären sie ziemlich sicher nicht bei uns auf der Intensivstation gelandet. In solchen Fällen sind die Betroffenen tage-, wochen- und manchmal sogar monatelang mit Schmerzen durch ihr Leben gelaufen, ohne der Ursache bei einem Arztbesuch auf den Grund zu gehen. Die Folgen, nicht auf die Signale des Körpers gehört zu haben, können fatal sein.

So war es auch bei einem meiner Patienten, noch nicht einmal 40 Jahre alt. Einige Monate zuvor hatte er die Diagnose Divertikulitis bekommen. Das ist eine Erkrankung des Dickdarms: Die Darmwand ist an manchen Stellen so ausgeleiert, dass sie sich dort nach außen stülpt - wie kleine Knubbel. Dort können sich Reste von Kot ansammeln, durch die eine Entzündung entsteht. Das kann dazu führen, dass die Darmwand an jenen Stellen durchbricht, und dann haben wir ein riesen Problem.

Die Entzündung kann auch einfach so wieder verschwinden, ohne großes ärztliche Hinzutun. Das war bei dem Mann der Fall gewesen. Doch nach ein paar Monaten waren die Schmerzen im Bauch wieder aufgetaucht. Aber er dachte sich eben "das geht schon noch", wohl in der Erwartung, es würde auch dieses Mal von alleine gut. Er unternahm also zunächst nichts. Jedoch wurden die Schmerzen stärker, so sehr, dass er nach fast drei Tagen doch in die Notaufnahme kam. Da war seine Darmwand schon durchgebrochen, er musste notoperiert werden.

Intensivfachpflegerin Pola Gülberg von der Ebersberger Kreisklinik. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Es ist ein schwieriger Spagat. Natürlich muss man nicht wegen jedem Zwicken gleich ins Krankenhaus - das sollte man auch nicht. Denn jeder Schiefer im Finger, der in der Notaufnahme kommt, trägt dazu bei, dass die Sensibilität der Ärztinnen und Ärzte betäubt wird.

Nichtsdestotrotz ist es wichtig, auf den eigenen Körper zu hören. Dazu muss man sich nicht mit Medizin auskennen. Was das bedeutet, habe ich während meiner Ausbildung auf der Gynäkologie beobachtet: Da gab es frischgebackene Mütter, die ihre Babys sofort an die Brust angelegt haben - aus Instinkt. Und dann gab es Frauen, die mit fünf Ratgeberbüchern in die Klinik gekommen waren und mit diesem ganzen theoretischen Wissen ihr natürliches Gefühl für das, was das Beste für sie und ihr Baby ist, blockiert haben. Das soll nicht heißen, dass man nichts lesen darf - das hab ich während meiner Schwangerschaft auch getan. Aber das ist eben nicht alles.

Die wenigsten gehen gerne zum Arzt, allein schon, weil es Zeit kostet. Doch wer ständig Schmerzen mit einem "das geht schon noch" verdrängt, wird zwar vielleicht den Besuch beim Haus- oder Facharzt vermeiden können. Aber ein halber Nachmittag dort wäre in jedem Fall besser als für mehrere Tage im Krankenhaus zu landen inklusive einer Notoperation.

Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 38-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte sind unter sueddeutsche.de/thema/Auf Station zu finden.

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