SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 67:Bloß keine Honigmelonen!

Lesezeit: 2 min

Für manche ein leckeres süßes Obst - für Pola Gülberg ein Albtraum: Honigmelonen. (Foto: Christian Endt)

Wenn ein Gericht die gelbe Frucht enthält, verschmäht Pola Gülberg es - sie findet den Geschmack scheußlich. So reagieren auch Patienten, wenn sie etwas essen sollen, das sie partout nicht mögen. Was tun die Pflegerin und ihre Kollegen in solchen Fällen?

Protokoll von Johanna Feckl, Ebersberg

Neulich habe ich meine Mutter besucht. Sie war gerade fertig damit, einen Obstsalat anzurichten, als ich zur Türe hinein trat - und so bot sie mir ein Schälchen davon an. Ich nahm es dankend entgegen. Es kam, wie es kommen musste: Mit meinem zweiten Löffel erwischte ein Stück Honigmelone - und mir verging der Appetit. Ich mag keine Honigmelone. Honigmelone und ich, das ist wie Öl und Wasser - wir passen nicht zueinander, ich finde sie scheußlich. Und so habe ich vom Rest des Obstsalates nicht weiter gegessen.

Eine solche Reaktion kennt wohl jeder, der wie ich eine Art "Hass-Essen" hat. Unsere Patienten bilden keine Ausnahme. Dementsprechend kann es schon einmal schwierig werden, wenn wir sie von einer Magensonde entwöhnen und mit dem selbstständigen Essen wieder beginnen möchten. Denn wenn das vorgesetzte Gericht partout nicht schmeckt, dann klappt es mit dem Essen nicht. Also: Wenn dem Patienten die Spargelsuppe mehr zusagt als etwas Süßes wie Grießbrei, dann sollte die Spargelsuppe auf dem Essensplan stehen.

Einen ähnlichen Fall hatte ich erst vor kurzem. Mein Patient hat den Pudding vor ihm kaum angerührt, er hat nicht einmal den Mund geöffnet. So habe ich seine Angehörigen gefragt, was er denn zu Hause für gewöhnlich ist - und siehe da: Süßes gab es da nie. Also habe ich es beim nächsten Mal mit Kartoffelbrei probiert. Es hat funktioniert.

Intensivfachpflegerin Pola Gülberg von der Ebersberger Kreisklinik. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Neugierde von uns Pflegekräften gegenüber bestimmter Vorlieben unserer Patienten erfüllt also einen Zweck. Wir nutzen Hintergrundinfos von Angehörigen über den Alltag zu Hause zur basalen Sinnesstimulation. Eine solche ist während und nach Sedierungsphasen hilfreich, um wieder fit zu werden. Dabei machen wir es den Patienten so angenehm wie möglich, denn das begünstigt die Genesung.

So frage ich auch gerne nach der Lieblingsmusik und mache sie meinen Patienten von Zeit zu Zeit an. Einfach irgendeine Musik würde ihren Zweck verfehlen: Man stelle sich vor, mit Volksmusik beschallt zu werden, obwohl man sie schrecklich findet. Sich demenentsprechend zu äußern und darum zu bitten, eine andere Musik zu spielen, funktioniert jedoch nicht, weil die Sedierung dazu noch zu stark ist - man wäre gefangen im eigenen Albtraum.

Deshalb gilt: Schmecken und Hören sollten die Patienten das, was sie am liebsten mögen. Das gleiche gilt für die übrigen Sinne. Das Stofftier etwa, das das Enkelkind dem Opa geschenkt hat, damit er nicht so alleine ist, stimuliert nicht nur den Tastsinn, sondern spricht darüber hinaus eine positive emotionale Komponente an. Eine super Kombination.

Pola Gülberg ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 38-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte sind unter sueddeutsche.de/thema/Auf Station zu finden.

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