"Boubo so groß" von Beatrice Alemagna
Was ist Boubo? Ein kleiner Bär? Ein kleiner Hund? Ein dunkelbraunes Schweinchen? Ganz klar wird das nicht aus den Bildern der italienischen Illustratorin Beatrice Alemagna. Ihre Figuren sehen wie ausgeschnitten aus, hineingeklebt in Buntstiftszenerien in gedeckten Farben, ein bisschen wie von Kinderhand gemalt. Boubo jedenfalls ist schon groß, findet er, ja, der Allergrößte (hier muss man das Buch hochkant halten, so GROSS und doppelseitenfüllend ist Boubo dargestellt). Aber Boubo trägt noch Windel, ist er also ... doch noch ... klein? Die Auflösung steht am Schluss, wenn Boubos Bären-, Hunde-, Schweinemama ihm abends im Bettchen einen großen Rüssel-, Schnauzenkuss aufdrückt und sagt: "Schlaf gut, mein ALLERGRÖSSTER SCHATZ!" Kathleen Hildebrand
"Mein fuchsteufelswilder Stinkesauer-Tag" von Rebecca Patterson
Was hilft, wenn das Kleinkind einen dieser Tage hat, an denen ein Wutanfall den nächsten ablöst? Ein Blick in den Elternratgeber für bedürfnisorientierte Erziehung? Na ja. Zum Runterkommen vielleicht doch eher dieses ausnehmend heitere Bilderbuch, das im englischen Original "My Big Shouting Day" heißt und für das Rebecca Patterson 2012 mit dem "Roald Dahl Funny Prize" ausgezeichnet wurde. Die kleine Bella ist hier die Erzählerin, sie wacht schon wütend auf. "Dann ging ich die Treppe runter und sah DIESES EI. Ich wimmerte und weinte und schrie: ICH KANN DAS NICHT ESSEN!" Bellas Text kreischt in dicken schwarzen Versalien aus den Bildern. Dass sie ein richtiges Klischeemädchen ist, mit Prinzessinnenoutfits, Ballettstunde und einer Lieblingsgeschichte, die von "Feen und Kuchen" handelt, kontrastiert wunderbar mit ihrem unbeherrschten Zorn. Am Abend hat Bella dann, völlig erschöpft, ein Einsehen und tut, wovon die meisten Eltern nach solchen Tagen nur träumen können. Sie sagt: "Tut mir leid." Kathleen Hildebrand
"Das ist kein Dinosaurierbuch!" von Mélina Schoenborn
Nicht von Dinosauriern, sondern von Eichhörnchen soll dieses Sachbuch handeln - letztlich ist es aber vor allem eine sehr lustige Lektion in Aufmerksamkeitsökonomie. Ein Erzähler-Eichhörnchen trägt hier mit gewaltiger Verve Fakten über seine Artgenossen vor (Süß! Geschickt auf Bäumen! Einfach faszinierend!), aber ständig läuft ein Tyrannosaurus Rex ins Bild, findet alles, was das Hörnchen sagt, "öde" und behauptet, Dinos seien viel spannender. Durch den erbitterten Streit der beiden (Emotion!) merkt man sich die Eichhörncheninfos dann aber doch richtig gut - wussten Sie, dass es weltweit 262 verschieden Arten von ihnen gibt und das kleinste Eichhörnchen nur 13 Zentimeter misst? Kathleen Hildebrand
"Tollpatsch Lemmel" von Leyb Kvitko
Der "Tollpatsch Lemmel" ist eine Mischung aus Pumuckl (rote Haare), Astrid Lindgrens "Michel" und "Max und Moritz", aber in freundlich - und in jiddisch. Sein Erfinder ist der Dichter Leyb Kvitko, seine sechs Lemmel-Gedichte aus den Jahren nach 1919 sind nun vom jüdischen Ariella-Verlag aus Berlin erstmals zum Bilderbuch gebündelt und, abgesehen von vereinzelten Publikationen in der DDR, einem deutschen Publikum zugänglich gemacht worden. Ein Glück. Denn hier entsteht eine ganz besondere Kombination - Kinderlyrik, die von einer Zeit vor dem großen Grauen der Shoah lebenslustig und unbeschwert erzählt.
Die vollständige Rezension von Marco Mach lesen Sie hier .
"Ich bin hier!" von Joke van Leeuwen
Als ein Fluss die Stadt unter Wasser setzt, wird Jona, die gerade im Bürogebäude ihres Vaters spielt, dort vergessen - mehrere Tage lang sitzt sie fest, zwischen Aktenschränken und Drehstühlen. Aber Jona verfällt nicht in Panik und auch nicht in Selbstmitleid, im Gegenteil. Ihr Entdeckergeist verwandelt das graue Hochhaus in einen Ort voller Überraschungen. Mit Jona hat Joke van Leeuwen eine Figur geschaffen, die mit ihrem Mut, ihrer Neugier und ihrer besonderen Art zu denken an Pippi Langstrumpf und Ronja Räubertochter erinnert. Weniger frech vielleicht, aber mindestens genauso tapfer. Das Buch ist eine Heldenreise, die Kindern, und vor allem jungen Mädchen, Mut macht.
Die vollständige Rezension von Christina Lopinski lesen Sie hier .
"Wer schnappt Ronaldo?" von Benjamin Tienti
Niven, zehn oder elf Jahre alt, ist die zeitgenössische Verkörperung der klassischen Berliner Göre: schnoddrig, unerschrocken, tatkräftig. Mit ihrer Familie wohnt sie zu siebt in zwei Zimmern, könnte daran aber etwas ändern, wenn sie den Finderlohn kassieren würde, den eine Wahrsagerin für ein entlaufenes, medial begabtes Chamäleon ausgeschrieben hat. Klingt überdreht? Ist es auch - aber auf die fröhliche Art: Denn schnell sind schrullige Kleingärtner, ein anhänglicher Nerd und eine dubiose Clique aus einer Treptower Hochhaussiedlung ebenfalls in die Suche verwickelt. Nichts läuft daher wie erhofft, aber alles fügt sich zu einer flotten Komödie, zu einem Spiel um ein "Zimmer für sich allein", gewürzt mit dem rauen Charme der Berliner Schnauze. Michael Schmitt
"Gras unter meinen Füßen" von Kimberly Brubaker Bradley
Ada lebt in einem der ärmlichsten Stadtteile von London. Sie ist zu Hause eingesperrt, wird misshandelt und weiß nichts von der Welt, weil ihre Mutter sie aus Scham über ihre Behinderung nicht hinauslässt. Aber dann flüchtet sie. Sie hat sich mit ihrem Klumpfuß selbst eine Art Humpeln beigebracht - und hängt sich so heimlich an die Kinderlandverschickung dran, mit der ihr sechsjähriger Bruder 1939 zum Schutz vor Hitlers Bomben aufs Land gebracht wird. Als sie in einem Dorf in Kent ankommen, will zwar erst niemand das armselige Geschwisterpaar aufnehmen. Dass die beiden einer einsamen Frau aufgedrückt werden, erweist sich dann allerdings als Glücksfall. Ada lernt Reiten und erfährt, wie heilsam die Natur sein kann. Drastischer gesagt, wie es auch der Originaltitel "The war that saved my life" ausdrückt: Der Krieg rettet in diesem Fall Leben. "Gras unter meinen Füßen" ist eine einfühlsam erzählte Geschichte der Selbstfindung - und der Befreiung.
Die vollständige Rezension von Antje Weber lesen Sie hier .
"Und die Welt, sie fliegt hoch" von Sarah Jäger
Draußen, wo Juri nicht ist, ist Sommer. Die anderen sind im Freibad oder im Eiscafé. Er fürchtet sich vor der Welt. Wie ein Komet schlägt da eine Whatsapp-Nachricht ein. "Hallo, ist da jemand?", fragt Ava. Ava und er kennen sich aus der Grundschule, jetzt hat Ava Hausarrest, "wegen einer Sache". Die eine darf nicht raus - der andere will nicht. Zwischen diesen Polen entwickelt die Autorin Sarah Jäger ein exzellentes Spiel aus Selbstdarstellung und Selbsterkenntnis. Dafür bedient sie sich einer Form, die so jugendnah und zeitgemäß wie ungewöhnlich ist: Der Roman besteht ausschließlich aus Kurznachrichten. Bald sprechen Ava und Juri immer offener an, was sie umtreibt -sie nehmen ihren Abflug ins eigene Leben in Angriff.
Die vollständige Rezension von Christine Knödler lesen Sie hier .
"This is NOT the end" von Molly Morris
Menschen, die von einem Dach fallen, sind höchst wahrscheinlich nicht mehr lebendig. Das denkt auch Hugh, bevor er eines Nachmittags seine ehemalige, etwas sonderbare Mitschülerin Olivia aus mehreren Metern Höhe stürzen sieht - danach ist sie völlig unverletzt. Olivia hat eine besondere Gabe: Ihre Wunden heilen innerhalb weniger Minuten von selbst. Hugh, der nur wenige Freunde hat und einen Blog über Film-Enden schreibt, weiß zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass er und Olivia bald viel Zeit miteinander verbringen werden. Gemeinsam machen sie sich mit dem alten Eiswagen von Hughs Schwester auf den Weg nach New York, von wo Olivia eine gestohlene Kiste mit wertvollem Inhalt zurückholen will. Das wird nicht einfach, denn die beiden sind sehr unterschiedlich: Hugh hat bei allem Bedenken, Olivia hingegen sprüht nur so vor kreativen Ideen. Sie bringt ein unbeschwertes Gefühl in die Geschichte mit ein, macht sie mit ihren verrückten Ideen spannend und aufregend. Ein tolles Buch für Jugendliche, die Spaß daran haben, in eine Welt voller Abenteuer mit einer Prise Fantasy und nicht zuletzt in eine Liebesgeschichte abzutauchen. Helene Hahn