Sicherheit beim Wintersport:Gefahr von oben

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Zwei Skitourengeherinnen sind auf den letzten Metern des Anstiegs zum Hinteren Hörnle in den Ammergauer Alpen. (Foto: Carsten Hoefer/dpa)

Manchmal wird das Tourengehen zum Sicherheitsrisiko. Wie das Kuratorium für alpine Sicherheit Bergsportler besser auf die Gefahren auf den Pisten genauso wie abseits davon aufmerksam machen will.

Von Matthias Köpf, Lenggries

Was die Erschließung mit Seilbahn und Liften betrifft, ist das Brauneck bei Lenggries einer der wenigen Nutzberge im Tölzer Land. 5000 Skifahrer seien hier an einem guten Tag unterwegs, sagt Antonia Asenstorfer, die die Geschäfte der Brauneckbahn und der Wallbergbahn drüben am Tegernsee führt. Zu diesen Pistenfahrern kämen inzwischen oft weitere 1000 Fitnessfreunde auf Tourenski hinzu.

Diese Tourengänger machen vielleicht Umsatz auf einer der vielen Hütten, aber Bahnen brauchen sie nicht. Dafür fahren sie gerne auf den aufwendig präparierten Pisten wieder ins Tal - besonders dann, wenn es rundherum an Naturschnee mangelt oder dem Tourengeher selbst an Erfahrung im Gelände. Doch manchmal wird das Tourengehen zum Sicherheitsrisiko - auf den Pisten genauso wie abseits davon. Das Kuratorium für alpine Sicherheit hat den Trend zur Pistentour und die Lawinensicherheit daher in diesem Winter ins Zentrum seiner Aufmerksamkeit gerückt.

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Zwar gab es in Bayerns Bergen in der vergangenen Wintersaison 2022/23 keinen einzigen Lawinentoten, wie Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Donnerstag in der Bergstation am Brauneck bei der jährlichen Winter-Pressekonferenz des Kuratoriums mitteilte. Im Winter davor waren noch vier Menschen in Lawinen ums Leben gekommen. Die alpinen Einsatzgruppen der bayerischen Polizei waren damals zu mehr als 120 Einsätzen ausgerückt. In der Saison 2022/23 waren die Polizisten mit der alpinen Spezialausbildung insgesamt nur 78 Mal gefordert, was laut Herrmann aber wohl auch an dem vergleichsweise schneearmen Winter lag.

Dort, wo der Lawinenwarndienst des Landesamts für Umwelt und seine 34 lokalen, mit ehrenamtlichen Fachleuten besetzten Lawinenkommissionen die jeweiligen Gebiete freigegeben haben, ist ohnehin noch nie ein Verschütteter in den Schneemassen gestorben, sagt Warndienst-Leiter Thomas Feistl. Gegründet wurde der Warndienst 1967 - zwei Jahre nach einem Lawinenabgang auf der Zugspitze mit zehn Toten. Doch die Lawinenkommissionen sind nicht überall unterwegs, sondern vorrangig in erschlossenen Gebieten. Wie nah die Gefahr trotzdem sein kann, hat sich erst vor wenigen Tagen am Jenner bei Berchtesgaden gezeigt, wo eine Frau und ein Mann mitsamt ihrem Hund von einer Lawine erfasst wurden, sich aber selbst daraus befreien konnten und schließlich von der Bergwacht zurück in sicheres Gelände gebracht wurden.

Innenminister Joachim Herrmann (links) und Klaus Stöttner, Erster Vorsitzender des Bayerischen Kuratoriums für alpine Sicherheit, führen einen Airbag-Rucksack vor, der bei einem Lawinenabgang dafür sorgen soll, dass Menschen auf der Schneemasse aufschwimmen. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Das ehrenamtliche Engagement der insgesamt 5300 bayerischen Bergwachtler lobte Herrmann am Donnerstag genauso wie den Einsatz der Staatsregierung, die aktuell mit zehn Millionen Euro den Ausbau des Bergwacht-Ausbildungszentrums in Bad Tölz unterstütze. Für die Luftrettungsübungen dort würden unter anderem neue Hubschrauber-Kabinen angeschafft, die den acht neuen, etwas größeren und zusammen 145 Millionen Euro teuren Helikoptern entsprechen, mit denen der Freistaat gerade seine Polizei ausstattet. Der Freistaat werde da auch weiterhin investieren, denn die Naturkatastrophen würden in den kommenden Jahren wohl eher zunehmen, kündigte Herrmann an. "Wir müssen die Herausforderungen des Klimawandels ernst nehmen", bekräftigte der Minister, doch angesichts dessen schon das Ende des Skifahrens auszurufen, sei "deutlich verfrüht".

Tourengeher sollten sich auf Pisten "wie Gäste" verhalten

Darin ist sich Herrmann einig mit seinem Parteifreund Klaus Stöttner. Der ehemalige CSU-Landtagsabgeordnete aus Rosenheim leitet nicht nur das Kuratorium für alpine Sicherheit, zu dem sich von der Bergwacht über den Alpenverein bis zum Skilehrerverband nahezu alle irgendwie alpinen Organisationen im Freistaat zusammengeschlossen haben. Zugleich ist Stöttner Präsident des oberbayerischen Tourismusverbands. Entsprechend betonte auch der Minister, man wolle zwar miteinander "auf Risiken hinweisen", aber dabei "niemanden abschrecken".

Auf ihre alte Abschreckungstaktik setzen auch die Seilbahnbetreiber nicht mehr. Sie haben sich inzwischen mit den Tourengängern in ihren Skigebieten arrangiert, Gerichtsprozesse wie bis vor gut zehn Jahren gab es wegen der unentgeltlichen Abfahrt auf den Pisten zuletzt keine mehr. Gleichwohl stelle der seit der Corona-Pandemie anhaltende Trend zur Pistentour "uns als Seilbahnbetreiber vor große Herausforderungen", sagt Brauneckbahn-Chefin Asenstorfer. Das größte Problem seien nächtliche Touren und Abfahrten. So seien viele ihrer Mitarbeiter beim Präparieren der dann gesperrten Pisten "jede Nacht mit einem mulmigen Gefühl unterwegs" und fragten sich, ob ihnen nicht jemand in den Pistenbully fahre oder in eines der manchmal über einen ganzen Kilometer hinweg gespannten Drahtseile, von denen die schweren Geräte in den steilen Hängen gehalten würden.

Auf nachts gesperrten Pisten abzufahren, das ist für Stefan Winter vom Deutschen Alpenverein ohnehin tabu. Sperrungen und lokale Regelungen müssten unbedingt beachtet werden, betont der DAV-Experte. Der Alpenverein habe inzwischen immer mehr Aufstiegsspuren in den Skigebieten ausgeschildert und mit dem Seilbahnverband Verhaltensregeln erarbeitet, die Zusammenstöße zwischen Skifahrern und aufsteigenden Tourengehern verhindern sollen. So sollten sich Tourengeher auf den Pisten, die ja primär für die zahlenden Liftkunden präpariert würden, "wie Gäste" verhalten, stets am Rand bleiben und vor dem Queren genau schauen, ob von oben nicht doch jemand gefahren kommt. Insgesamt, sagt Winter, sei da "der gesunde Hausverstand gefragt". Joachim Herrmann hält dazu wie jeden Winter ganz innenministerlich zwei korrespondierende Empfehlungen bereit: Gefahren nicht zu unter- und die eigenen Fähigkeiten nicht zu überschätzen.

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