Politik in Bayern:Der Landtag ist wieder offline

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Der Ort, an dem die Parteien bei der Landtagswahl möglichst viele der Ihrigen unterbringen möchte: der bayerische Landtag. (Foto: Robert Haas)

Das Live-Streamen der Ausschüsse ist beendet - so wollen das CSU und Freie Wähler. Doch nun kommt Bewegung in die Sache.

Von Johann Osel, München

Wenn diese Woche Minister Hubert Aiwanger (FW) dem Wirtschaftsausschuss zu den Folgen des Ukraine-Kriegs für bayerische Unternehmen berichtet oder wenn der Innenausschuss mit Minister Joachim Herrmann (CSU) über die Lehren aus dem neuen Verfassungsschutzbericht diskutiert - dann werden diese spannenden Termine in einer recht begrenzten Öffentlichkeit stattfinden. Nämlich nur für diejenigen interessierten Bürgerinnen und Bürger, beruflich Betroffenen, Fraktionsmitarbeiter oder Journalisten, die zum Maximilianeum fahren und sich im Sitzungssaal mit hineinquetschen. Und im Agrar- und im Wissenschaftsausschuss des Landtags werden am Mittwoch Petitionen behandelt. Geht es dort vielleicht um ein Lokalpolitikum, müssten die Betroffenen anreisen, im Extremfall aus Aschaffenburg oder Bayerisch Eisenstein. Ach, könnte man das nur per Video auf Youtube verfolgen.

Das konnte man während der Pandemie. Im Landtag herrschen jetzt nach der Osterpause neue Regeln, etwa die Glasscheiben zwischen den Stühlen im Plenum wurden entfernt, die Vollsitzung tagt wieder in normaler Personenstärke. Schon kürzlich ist eben auch das Live-Streamen der Ausschüsse, dem eigentlichen Arbeitsraum des Parlaments, ausgelaufen - was wegen der Ferien bisher kaum bemerkt wurde. Ende März wollten Grüne, SPD und FDP in letzter Minute mit einem gemeinsamen Antrag gegensteuern.

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Die aus der Not heraus geborene Idee habe sich bewährt, hieß es, sie sorge für "mehr Transparenz" und sei eine Arbeitserleichterung für alle im politischen Betrieb. Vor allem die CSU sträubte sich dagegen. Deren parlamentarischer Geschäftsführer Tobias Reiß warnte, man sei ein "Präsenzparlament" und solle "nicht meinen, die Demokratie lässt sich aus dem Home-Office organisieren". Stephan Oetzinger (CSU) nannte auch die Kosten-Nutzen-Bilanz. Etwa im Rechtsausschuss liege die durchschnittliche Zuschauerzahl bei 19. Also: Antrag abgelehnt, Ausschüsse seitdem offline.

Doch nun kommt wieder Bewegung in die Sache. Einerseits gibt es eine genaue Aufschlüsselung der Nutzerzahlen, das Landtagsamt teilte diese der SZ auf Anfrage mit. Andererseits soll es dazu Gespräche zwischen CSU und Freien Wählern gegeben haben. Gelistet sind in der Übersicht sämtliche Aufrufe - also nicht nur virtuelle Gäste einer kompletten Sitzung, sondern auch Klicks bei einzelnen Reden, Petitionen oder Anträgen. Niedrige zweistellige Zahlen, wie von der CSU ins Feld geführt, gab es 2021 und 2022 quer durch alle Ausschüsse so gut wie gar nicht; häufig sind die Zahlen dreistellig, vereinzelt gehen die Aufrufe in die Tausende. Der angeblich so unattraktive Rechtsausschuss findet tatsächlich mit am wenigsten Interesse. Die Zahlen aber zum Beispiel jetzt bei den drei Sitzungen im März: 198, 144 und 117.

Stark nachfragt sind Termine mit Ministerberichten oder Themen mit Erregungspotenzial

Stark nachfragt sind Termine mit Ministerberichten, Anhörungen oder Themen mit Erregungspotenzial. Nummer eins der Gesamtbilanz: der Bildungsausschuss im Januar 2021, mit 2678 Zuschauern. Damals sprach Kultusminister Michael Piazolo (FW) über die Pannen mit der Lernplattform Mebis im Distanzunterricht. Man kann sich denken, wie viele Lehrer, Schüler und Eltern im Freistaat die Neugier packte. Nebenbei vermittelt das übrigens politische Bildung: Wie funktioniert der Landtag?

Beim Antrag zum Erhalt des Streamings hatte die Opposition scharfe Kritik geübt. Etwa Jürgen Mistol (Grüne) sagte: Die Weigerung der Regierungsfraktionen "lässt sich wohl nur mit Gleichgültigkeit gegenüber gesellschaftlichen Veränderungen, mit einer gehörigen Portion Trägheit und einem rückwärtsgewandten Weltbild erklären". Seither wird auch über variable Modelle nachgedacht: etwa ein Dauer-Streaming für Presse oder Mitarbeiter des Landtags - und für die breite Öffentlichkeit etwa bei Ministerauftritten. Die FW stimmten damals mit der CSU, wirkten aber dialogbereit. Ihr parlamentarischer Geschäftsführer Fabian Mehring kündigte an, einen Kompromiss zu suchen - zwischen der CSU und der FDP, die "mit Ausnahme des Toilettengangs, am liebsten alles streamen will, was im Landtag stattfindet".

Mehring sagte auf Nachfrage der SZ, er habe mit der CSU verhandelt. "Es sieht gut aus, dass wir zu einem der Sache dienlichen Mittelweg kommen." Die Regierungsfraktionen wollen bald dazu beraten, dann soll es die Details geben, so Mehring. Auch die tatsächlichen Aufrufzahlen hätten dabei eine Rolle gespielt.

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