Der Stadt Nürnberg wird niemand mehr vorwerfen können, zu wenig zu debattieren über das Thema "Sollte man eine Oper in einem von Nazis errichteten Propagandabau platzieren"? Kürzlich etwa haben sich darüber - auf Einladung der Stadt - Literaten und Intellektuelle aus dem obersten Regal Gedanken gemacht, Mitdiskutierende waren Albert Ostermaier, Thea Dorn, Nora Bossong.
Wie unterschiedlich Positionen dazu sein können - auch unter Geistesmenschen -, konnte man an dieser Runde ablesen. Selbst mit dem "Abriss" der NS-Wundmale von Nürnberg hätte sich da jemand anfreunden können. Sehr erstaunlich, die Bauten stehen seit Jahrzehnten unter Denkmalschutz, aus gutem Grund. Aber zur Illustration der geistigen Spannweite ist auch so eine Haltung hilfreich.
Zwar erfolgten diese und andere Debatten erst nach der Entscheidung des Stadtrates für ein Operninterim auf dem Ex-NS-Gelände, ein Schönheitsfleck. Andererseits gilt natürlich: besser spät als nie.
Die Experten seien "ausdrücklich" angewiesen worden, zu schweigen
Auch dass eine hochkarätige Jury eingesetzt wurde, um zu eruieren, wo exakt am NS-Bau der beste Platz wäre für eine Oper, ist löblich. Nur wüsste man nun auch gerne, wie die Experten von Doku-Zentrum Reichsparteitagsgelände die erfolgte Empfehlung einschätzen. Die aber sagen plötzlich nichts. Man sei "ausdrücklich" und "über den Dienstweg" angewiesen worden zu schweigen, heißt es. Öha.
Tatsächlich, bestätigt die Stadt, seien Hinweise erteilt worden, dass nur Presseamt, Oberbürgermeister und Referenten zu Stadtangelegenheiten Stellung nehmen. Grundsätzlich stimmt das. Nur muss man wissen, dass in der Vergangenheit wenige Einrichtungen der Stadt häufiger von Medien direkt befragt worden sein dürften als das Doku-Zentrum. Wer etwas über NS-Fragen wissen will - ob in Nürnberg, Hamburg oder London -, kommt rasch auf den Gedanken, bei den Nürnberger Historikern anzufragen. Und bekam dort zuverlässig Antwort.
In der Interims-Debatte hatten die Historiker mehrfach Zweifel an einer (nun von der Jury präferierten) Platzierung der Oper im NS-Innenhof geäußert. So ein Dissens ist nie ideal für eine Stadt. Andererseits, siehe oben, gibt es in der Frage eben keine Ideallösungen, auf die man sich einfach so einigen könnte. Eine Juryempfehlung, die womöglich von Teilen der Stadt hinterfragt wird, ist nicht optimal. Noch weniger optimal aber ist es, Experten zum Schweigen aufzufordern.