Affären um fragwürdige Geschäfte mit Corona-Schutzmasken haben in den vergangenen Monaten der CSU schwer zugesetzt. Jetzt könnte es auch für den Regierungspartner der CSU, die Freien Wähler, ungemütlich werden. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung sitzt ein Kommunalpolitiker der Freien Wähler aus dem Kreis Neumarkt in der Oberpfalz in Untersuchungshaft. Ihm wird vorgeworfen, als Geschäftsführer einer Firma aus dem Raum Neumarkt zusammen mit seinem Co-Chef dem Freistaat minderwertige medizinische Mund-Nasen-Schutzmasken teuer verkauft zu haben.
Die mehr als zehn Millionen Masken hatten den Staat knapp 7,2 Millionen Euro an Steuergeld gekostet. Ermittelt wird wegen Betrugsverdacht. Auch der Co-Chef der Firma befindet sich in Untersuchungshaft. Die Verhaftung eines ihrer Kommunalpolitiker sorgt bei den Freien Wählern für große Aufregung. "Ich will da schnellstmöglich Klarheit, was an den Betrugsvorwürfen dran ist", erklärte der Landesvorsitzende und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger auf Anfrage der SZ. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hatte am Donnerstag die Verhaftung der beiden Geschäftsleute mitgeteilt, aber weder den Namen der betreffenden Firma noch der beiden Chefs genannt.
Die Freien Wähler im Kreis Neumarkt bestätigten auf Anfrage, dass es sich bei einem der beiden Verhafteten um einen ihrer Kommunalpolitiker handelt. "Das kam für uns alle überraschend", sagte Sebastian Schauer, Vizechef der Fraktion der Freien Wähler im Kreistag. Man könne dazu noch nicht Stellung beziehen. "Wir müssen uns erst intern abstimmen, wir müssen der ganzen Sache erst nachgehen." Bei dem betreffenden Kommunalpolitiker handelt es sich um einen Freien Wähler, der mehrere Mandate und Funktionen innehat und der auch schon für den Landtag kandidiert hatte. Nach der Landtagswahl 2018 hatte er von dem schönen Gefühl gesprochen, endlich "Regierungsluft zu schnuppern".
Jetzt befindet er sich in einen unschönen Lage. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth begründet die Untersuchungshaft für die beiden Beschuldigten mit Fluchtgefahr. Mehrere Wohn- und Geschäftsräume seien mehrere Stunden lang durchsucht worden, teilte die Staatsanwaltschaft weiter mit.
Bei dem Vorgehen der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth handelt es sich um einen der strafrechtlich bislang krassesten Verdachtsfälle beim Handel mit Corona-Schutzmasken. Dass Beschuldigte in Untersuchungshaft genommen werden, ist ein schwerwiegender Vorgang. Die politisch höchsten Wellen hat bislang der Vorwurf gegen die langjährigen CSU-Abgeordneten Georg Nüßlein (Bundestag) und Alfred Sauter (Landtag) geschlagen, sie hätten sich als Parlamentarier bestechen lassen, um einer Firma zu Maskenverkäufen in Höhe von gut 60 Millionen Euro an den Freistaat Bayern und den Bund zu verhelfen. Nüßlein und Sauter weisen das zurück. In ihrem Fall betrifft das FFP2- und FFP3-Masken, die im Schnitt rund 3,60 Euro pro Stück kosteten.
Bei dem Fall in der Oberpfalz handelt es sich um sogenannte OP-Masken (chirurgische Masken), die weniger Schutz bieten und deutlich günstiger sind. Die betreffende Firma, die nicht aus der Gesundheitsbranche kommt, hatte im vergangenen Frühjahr diese Masken aus angeblich hochwertiger chinesischer Produktion besorgt, meist sind sie grün oder türkis. Zwischen dem 6. und dem 23. April 2020 gingen etwas mehr als 10,7 Millionen Stück davon in fünf Tranchen an das bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL). Das LGL zahlte zwischen 64 und 71 Cent pro Stück; insgesamt knapp 7,2 Millionen Euro. Das geht aus einer der SZ vorliegenden Beschaffungsliste hervor.
Darin sind die Masken der Firma aus dem Raum Neumarkt unter dem Kürzel OPM registriert: Das steht für OP-Masken und sonstige Masken. Laut Staatsanwaltschaft besteht der Verdacht, dass die Masken anders als angegeben nicht dem europäischen Schutzstandard mit entsprechender Zertifizierung entsprochen hätten. Stattdessen seien es nur sogenannte Community- oder Alltagsmasken ohne Zertifizierung gewesen. Diese filtern in der Regel weniger Partikel aus der Luft und schützen damit schlechter vor einer Ansteckung mit Corona- und anderen Viren. Die Beschuldigten sollen eine gefälschte Bestätigung der Qualität vorgelegt haben. Die Masken, die angeblich für den medizinischen Bedarf vorgesehen waren, sollen daher ungeeignet gewesen sein, hieß es von der Staatsanwaltschaft.
Die SZ versuchte mehrmals vergebens, unter den beiden Telefonnummern des Kommunalpolitikers eine Stellungnahme zu bekommen. In beiden Fällen erklärten Personen, die sich nicht namentlich nannten, man solle nicht mehr anrufen und legten auf. Unter der Firmennummer war niemand erreichbar, ein Rückruf erfolgte trotz auf dem Anrufbeantworter hinterlassener Bitte nicht. Das bayerische Gesundheitsministerium verwies auf Anfrage auf die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und erklärte, "wir lassen uns gleichzeitig vom LGL den dort bekannten Sachstand berichten". Das LGL wiederum erklärte, man sei "Geschädigter". Mehr wollte das LGL wegen der laufenden Ermittlungen nicht mitteilen.
Ob der Betrugsverdacht sich bestätigt, oder nicht, bleibt abzuwarten. Ermittlungen müssen nicht automatisch zu einer Anklage, einem Prozess, oder gar einer Verurteilung führen. Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt für Beschuldigte die Unschuldsvermutung.