Was tun, wenn es den akademischen Medizinnachwuchs immerzu in Ballungsräume zieht und auf dem Land eine Arztpraxis nach der anderen dichtmacht? In Bayern ist man hierbei in den vergangenen Jahren kreativ geworden. Die Idee: Anatomie, Biochemie und Histologie lernen Studierende zunächst an einer etablierten Medizinfakultät; mit dem Physikum in der Tasche wechseln sie dann an ein Klinikum abseits der großen Städte, um dort die sogenannte klinische Ausbildung zu durchlaufen und im Anschluss - so die Hoffnung - in der Region zu bleiben.
"Medizincampus" lautet das Zauberwort, und meint vor allem die Verpartnerung verschiedener Institutionen, weniger ein Universitätsgelände. Für Oberfranken ist nun mit der Friedrich-Alexander-Universität (FAU), der Uni und dem Klinikum Bayreuth sowie dem Uni-Klinikum Erlangen der "Medizincampus Oberfranken" (MCO) offiziell gestartet. 55 Studierende des Studiengangs "Humanmedizin Erlangen-Nürnberg/Bayreuth", die an der FAU eingeschrieben sind, sind zum 1. April zum Klinikstudium nach Bayreuth gewechselt.
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Schon seit 2017 tut man sich in Oberfranken mit dem MCO um, damals erhielt eine "Task-Force" den Planungsauftrag, 2019 folgte der Beschluss der Staatsregierung, zwei Jahre später feierte man Richtfest für ein Lehrgebäude am Bayreuther Klinikum, das nun steht, zwei weitere sollen folgen. Insgesamt erwartet werden bis 2026 gut 400 Studierende in Bayreuth - und die brauchen Platz. Kostenpunkt: 36 Millionen Euro jährlich, wenn das Gesamtprojekt einmal läuft.
Chance für Bayreuth - doch Zweifel bleiben
Für Bayreuth ist das eine Chance, sich mancher Zweifel zu entledigen, die in der Vergangenheit aufgekommen waren: Passen die Strukturen zu einer Uni-Klinik wie der von Erlangen? Können die Bayreuther Ärzte die Lehre? Kurzum: Kann das Klinikum auch Uni-Klinikum? Als die versammelten Hochschulpräsidenten und Klinik-Geschäftsführer 2019 im Beisein des damaligen Wissenschaftsministers Bernd Sibler die Verträge für den MCO unterschrieben, waren nicht alle Zweifel ausgeräumt.
Zuletzt haperte es beim Geld. Zwar ist das Sommersemester schon gestartet; im Mai sollen die Vorlesungen beginnen, doch längst nicht alle vorgesehenen Dozierenden stehen bereit. Aus Kreisen des MCO ist zu hören, dass manchen Chefärzten, die zu Professoren an die Uni berufen wurden, die geplante Vergütung missfällt. Sie sollen neben ihrem Klinikumsgehalt ein bayernweit festgelegtes Professur-Gehalt bekommen - doch zugleich will das Bayreuther Klinikum das Chefarzt-Gehalt nun offenbar kürzen.
Ärzte fordern mehr Geld
Dort ist die Rede von "Anpassungen", weil eine Doppeltätigkeit nun einmal "Verschiebungen", sprich: weniger Zeit für die Chefarztarbeit mit sich bringe, teilt ein Klinikumssprecher mit. Einzelne Ärzte erwägen nun, die Professur nicht anzutreten. Sie argumentieren mit Mehrbelastung, die vergütet werden müsse. Und die Zeit dränge, die Lehrveranstaltungen müssten vorbereitet werden. Ein Klinikumssprecher beschwichtigt, man sei "sehr zuversichtlich", dass man sich bald einige und mache "attraktive Angebote".
Auch die Gefahr, dass Lehrveranstaltungen ausfallen könnten, sieht der Sprecher nicht: Es sei normal, dass Professuren erst nach und nach besetzt würden. Gelinge dies bis Mai nicht, unterrichte ein jeweiliger Fachvertreter der FAU. Alles nur Geburtsschmerz eines Projekts, das die theoretische Hochschulwelt mit der angewandten Praxis eines Regionalkrankenhauses verpartnern will? Im Klinikum gibt man sich selbstbewusst, spricht von einer Lehre "auf hohem Niveau".
Wie der Betrieb in Franken nun anläuft, wird auch in Niederbayern beobachtet. Auch dort soll ein Medizincampus gegen die drohende Unterversorgung entstehen, so hat es der Ministerrat beschlossen. Und auch dort ist das Projekt nicht unumstritten: Externe Gutachter hatten dem Vorstoß keine rosige Zukunft prognostiziert. Erst in vielen Jahren wird sich zeigen, ob die neuen Medizinstandorte den Regionen auch wirklich mehr Ärztinnen und Ärzte bescheren.