Über den geplanten Medizincampus Niederbayern hörte man bisher vor allem Gutes: von Wissenschaftsminister Bernd Sibler, möglichen beteiligten Kliniken in Straubing, Passau, Deggendorf und Landshut, von Kommunalpolitikern und der lokalen Presse. Das könnte daran liegen, dass der Öffentlichkeit bisher wenig Konkretes über das Projekt bekannt war. Zum Beispiel, dass externe Experten den Konzepten von Uni Regensburg und TU München schlechte Noten ausstellten. Dieses Gutachten liegt der SZ vor. Der Bericht von vergangener Woche veranlasste SPD und Grüne im Landtag nun, mehr Transparenz in der Sache zu fordern - mit Erfolg. Der Ausschuss für Wissenschaft und Kunst hat beschlossen, dass das Ministerium dem Landtag einen ausführlichen Bericht mit allen Konzepten und Gutachten vorlegen soll - bis spätestens vor der Sommerpause. Dem werde man gerne nachkommen, heißt es aus dem Wissenschaftsministerium, wenn möglich auch früher.
Das ambitionierte Projekt ist Wissenschaftsminister Bernd Sibler ein persönliches Anliegen. "Als Niederbayer ist es mir wichtig, dieses Projekt zum Erfolg zu führen", sagte er im Gespräch mit der SZ. In Niederbayern droht eine ärztliche Unterversorgung. Richten soll das unter anderem der Medizincampus. Der soll bewirken, dass sich mehr Ärzte in Niederbayern niederlassen, weil sie dort den klinischen Teil ihres Studiums absolviert haben. "Klebeeffekt" wird das in den Konzepten genannt. Da Niederbayern aber der einzige Regierungsbezirk Bayerns ohne medizinische Fakultät ist, behilft man sich mit einem Konstrukt, bei dem die Universität Passau entweder mit der Universität Regensburg oder mit der Technischen Universität München (TUM) kooperiert. In Regensburg oder München wären die Studierenden eingeschrieben, den klinischen Teil ihrer Ausbildung absolvieren sie an mehreren niederbayerischen Krankenhäusern, an denen dafür Hörsäle und Seminarräume geschaffen und Professuren eingerichtet werden.
Experten warnen vor einem Medizinstudium zweiter Klasse
Das klingt auf dem Papier gut, Experten bezweifeln allerdings, dass das auch in der Realität so funktionieren wird. Solange die Lebensverhältnisse in Niederbayern "nicht als hinreichend attraktiv gesehen" würden, werde der Ansatz keine Früchte tragen, es bestehe "kaum eine Chance auf eine nachhaltige Strukturförderung für die Region", heißt es im Gutachten. Nur wusste das bisher niemand. Minister Sibler sprach zwar von "Nachholbedarf" und ließ die Konzepte überarbeiten. Die Gutachter sprechen in ihrem Fazit aber von grundlegenden Problemen, nicht nur, was den postulierten "Klebeeffekt" angeht. Die Experten befürchten, dass ein Medizinstudium zweiter Klasse geschaffen werde und internationale Forschungsimpulse ausbleiben, da die beteiligten Kliniken lediglich die Versorgungsstufe I oder höchstens II haben. Für die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Verena Osgyan, klingen die Erkenntnisse aus dem Gutachten "für das Projekt verheerend".
TUM und Uni Regensburg haben ihre Konzepte inzwischen überarbeitet. Zumindest die Anzahl der beteiligten Kliniken soll dabei laut Matthias Wettstein, Ärztlicher Direktor des Klinikums Passau, verringert worden sein. Es bleiben aber die grundsätzlichen Zweifel, ob der Medizincampus das geeignete Instrument ist, um das zu liefern, wofür er geplant wurde: mehr Medizinernachwuchs für Niederbayern zu gewinnen.
Ursprünglich sollte die Prüfung der überarbeiteten Konzepte nach den Plänen des Wissenschaftsministeriums noch im ersten Quartal abgeschlossen sein und dem Kabinett zur Abstimmung vorgelegt werden. Mit dem Bau von Gebäuden sollte ebenfalls dieses Jahr begonnen werden. Ob es bei diesem ambitionierten Zeitplan bleibt, muss sich nun zeigen.