Prozessbeginn im Oktober:Masken-Millionärin Andrea Tandler kommt vor Gericht

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Die Unternehmerin Andrea Tandler, hier bei ihrem Auftritt im Masken-Untersuchungsausschuss des Landtags vor gut einem Jahr, muss sich bald vor Gericht verantworten. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in Höhe von 23,5 Millionen Euro muss sich die Unternehmerin einem Prozess stellen, der kurz vor der Landtagswahl startet. Sie hat die Vorwürfe wiederholt zurückgewiesen.

Von Klaus Ott

Mehr als ein halbes Jahr, nachdem die Münchner Werbeunternehmerin Andrea Tandler in Untersuchungshaft kam, steht fest: Die Tochter des einstigen CSU-Generalsekretärs Gerold Tandler kommt erwartungsgemäß auch vor Gericht. Die sechste Strafkammer des Landgerichts München I hat die Anklage der Staatsanwaltschaft München I gegen Tandler wegen Steuerhinterziehung zugelassen. Das bedeutet, die Werbeunternehmerin muss sich einem Prozess stellen.

Mit auf der Anklagebank sitzen wird auch Andrea Tandlers Partner Darius N., ein Münchner Gastronom. Die beiden hatten bei Deals mit Corona-Schutzmasken insgesamt mehr als 48 Millionen Euro an Provisionen kassiert; sollen aber einen erheblichen Teil davon nicht korrekt versteuert haben. Die Staatsanwaltschaft München I wirft der Unternehmerin Steuerhinterziehung in drei Fällen in Höhe von 23,5 Millionen Euro sowie Subventionsbetrug bei einer staatlichen Corona-Hilfe in Höhe von 9000 Euro vor.

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Bei Darius N. fallen die Vorwürfe weniger schwer aus; es geht um Steuerhinterziehung in Millionenhöhe sowie Beihilfe. Darius N. sitzt ebenso wie Andrea Tandler seit Januar in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft und die Münchner Justiz gehen bei beiden von Fluchtgefahr aus. Andrea Tandler verfüge über ein breites soziales Netz in der Schweiz; die Familie Tandler besitze dort eine Wohnung. Andrea Tandler habe diese Wohnung in Davos als zweites Zuhause bezeichnet, heißt es in den Ermittlungsakten.

Auch bei Darius N. befürchtet die Justiz, dass dieser sich ins Ausland absetzen könnte. Für die beiden Angeklagten gilt nach wie vor die Unschuldsvermutung. Daran ändern auch die Untersuchungshaft, die Anklage und der bevorstehende Prozess nichts. Andrea Tandler und Darius N. haben im Verlaufe der Ermittlungen wiederholt alle Vorwürfe zurückgewiesen. Es bleibt abzuwarten, was bei dem bevorstehenden Prozess herauskommt.

Die 48 Millionen Euro Maskenprovisionen stammten letztlich aus Steuermitteln

Mit Andrea Tandlers Hilfe war es der Schweizer Handelsfirma Emix gelungen, den Gesundheitsministerien in Bayern, Nordrhein-Westfalen und dem Bund kurz nach Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 für rund 700 Millionen Euro FFP2-Masken und andere Corona-Schutzkleidung zu verkaufen. Von diesen Erlösen aus deutschen Staatskassen zahlte Emix dann Tandler und ihrem Partner die mehr als 48 Millionen Euro Provision. Dieses Geld stammt also letztlich aus Steuermitteln.

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Der Prozess beginnt nach Angaben der Justizpressestelle am 4. Oktober, vier Tage vor der bayerischen Landtagswahl, was schon länger so geplant gewesen war. In der Anklage gegen Andrea Tandler werden als Grund für die erfolgreichen Maskendeals die Beziehungen der Münchner Werbeunternehmerin genannt. Andrea Tandler habe damals in einem Chat darauf verwiesen, dass ihr Vater einst Finanzminister in Bayern gewesen sei . Ein Zeuge wiederum will damals gehört haben, dass Andrea Tandler gute Kontakte zu Ministerien und zur Regierung habe. Eine der ausgewerteten Whatsapp-Gruppen hieß "Das Ministerium", eine andere offenbar "Masketiere".

Außerdem heißt es in der Anklage, Andrea Tandler habe die Verträge für Emix unter Zuhilfenahme ihrer Beziehungen zu Monika Hohlmeier vermittelt. Die CSU-Europaabgeordnete Hohlmeier ist die Tochter des einstigen CSU-Chefs und Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß. Die Familien Tandler und Strauß sind seit Jahrzehnten befreundet. Gerold Tandler war als bayerischer Innenminister, CSU-Generalsekretär und Fraktionschef im Landtag einer der engsten Vertrauten von Franz Josef Strauß gewesen. Hohlmeier hatte Andrea Tandler beim Handel mit Corona-Schutzmasken Kontakte ins bayerische Gesundheitsministerium und zum damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vermittelt.

Hohlmeier hat dafür nach eigenen Angaben aber weder ein Honorar verlangt noch bekommen; die Ermittlungen haben auch nichts dergleichen ergeben. Sie habe in der Notlage zu Beginn der Pandemie einfach nur helfen wollen. Die Generalstaatsanwaltschaft München hat Verdächtigungen des SPD-Landeschefs und Fraktionsvorsitzenden Florian von Brunn gegen Hohlmeier zurückgewiesen.

Andrea Tandlers CSU-Kanäle waren ausschlaggebend für die Maskendeals

Die sechste Strafkammer des Landgerichts München I war bereits wiederholt mit dem Fall Tandler befasst gewesen. In einem Beschluss vom März 2022 hatte die Kammer geschrieben, eine über die politischen Kontakte hinausgehende Qualifikation Tandlers für die Vermittlung der Maskengeschäfte sei nicht erkennbar gewesen. An anderer Stelle notierte das Gericht in diesem Beschluss: Damalige Chatverläufe von Andrea Tandler legten nahe, dass die PR-Unternehmerin davon ausgegangen sei, die Corona-Krisenlage ausnutzen zu können, um völlig überhöhte Preise durchzusetzen und sich auf diese Weise zu bereichern.

Andrea Tandlers politischer Draht habe Emix den Zugang zu maßgeblichen Entscheidungsträgern ermöglicht, lautete der Befund des Gerichts. Rein juristisch betrachtet war der Gerichtsbeschluss aber ein Erfolg für die Münchner Werbeunternehmerin gewesen. Sie hatte sich beim Landgericht erfolgreich gegen einen von der Staatsanwaltschaft München I erwirkten Durchsuchungsbeschluss gewehrt. Ermittlungen der Münchner wie auch der Berliner Staatsanwaltschaft wegen Geldwäsche- und Korruptionsverdacht sind im Sande verlaufen.

Den Vorsitz der sechsten Strafkammer beim Landgericht München I hat Richterin Andrea Wagner inne, die als sehr erfahren und akribisch gilt. Wagner und ihre Kammer hatten im Oktober vergangenen Jahres den Münchner Starkoch Alfons Schuhbeck wegen Steuerhinterziehung in Höhe von mehreren Millionen Euro zu drei Jahren und zwei Monaten Gefängnis verurteilt. Der Bundesgerichtshof verwarf eine Revision des prominenten Gastronomen. In diesen Tagen muss Schuhbeck seine Haftstrafe antreten.

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