SPD
Sie zitiert derzeit gerne eine Umfrage. Das klingt zunächst befremdlich, denn eigentlich kann die SPD-Spitzenkandidatin Natascha Kohnen in Umfragen nicht viel Gutes über ihre Partei lesen. Mit traurigen elf Prozent hat sich die Zustimmung zur SPD seit der letzten Wahl fast halbiert. Davon aber redet Kohnen nicht, auch nicht von ihren niedrigen Bekanntheitswerten, fast jeder zweite Bayer kann zu ihr nichts sagen. Nein, Kohnen spricht von einer Zahl: 22 Prozent. So viele Bayern sehen Wohnen als das wichtigste Problem an.
Die meisten Bayern bewegt natürlich immer noch die Asylpolitik, aber es werden weniger. Es sind diese Werte, die Kohnen noch hoffen lassen und von denen sie sich bestätigt sieht. Seit Monaten spricht sie von kaum etwas anderem als dem Dach über dem Kopf, das sich jeder in Bayern leisten können müsse. Sie redet auch von der Kinderbetreuung, die ihrer Meinung nach kostenlos sein müsse, und von fairen Arbeitsbedingungen. Das bewege die Menschen wirklich, davon ist Kohnen überzeugt. Das Land und die Medien aber bewegte lange etwas ganz anderes, auch wegen der CSU. Die sprach viel über Flüchtlinge und trieb das Land im Asylstreit mit der CDU an den Rand einer Staatskrise.
Die meisten empörten sich über Söder, Seehofer und Co., davon konnten aber vor allem die Grünen profitieren. Kaum war wieder ein wenig Ruhe eingekehrt, kamen Kohnen der Streit um Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen und ihre eigene Parteichefin in Berlin dazwischen. Es war der Moment, in dem sie zum ersten Mal auf den Tisch haute. Und das mit einer Deutlichkeit, die sich manche schon früher gewünscht hätten. Kohnen aber verteidigt ihren neuen politischen Stil der Sachlichkeit. Jetzt hofft sie, dass endlich so viel Ruhe einkehrt, um damit durchzudringen.
AfD
Die Anti-Merkel-Taktik hat für die bayerische AfD bei der Bundestagswahl gut funktioniert. "Wer CSU wählt, bekommt Merkel", hieß der Slogan. Am Ende erzielten die Rechtspopulisten im Freistaat das beste Ergebnis in Westdeutschland: 12,4 Prozent. Dieses Kalkül bleibt, die AfD stilisiert die Landtagswahl zum Votum über die Kanzlerin und die Flüchtlingspolitik, auch wenn Angela Merkel gar nicht antritt. Und, so die Wahlwerbung: Man halte das, was die CSU nur verspreche.
In Umfragen steht die AfD bei zehn bis 13 Prozent. Migration ist Kernthema, neben der allgemeinen Gegen-das-System-Stimmung. Ihr Programm wendet sich gegen die "Ausbreitung" des "islamischen Herrschaftsanspruchs" - etwa gegen Burkas, Minarette und muslimischen Religionsunterricht. Der Wahlkampf läuft stark über soziale Netzwerke. Der Ton dort ist oft zornig, zuweilen mutmaßlich justiziabel. Spitzenkandidaten hat die AfD keinen - was man als Zeichen von Basisdemokratie wertet.
In Wahrheit gären in der Partei Richtungskonflikte und auch persönliche Fehden; mit dem Verzicht auf eine Kandidatenkür konnte man das alles kleinhalten. Landeschef Martin Sichert nimmt Wahlkampftermine wahr, der Bundestagsabgeordnete kandidiert aber nicht selbst für den Landtag. Er sieht "Verwerfungen in der Gesellschaft" durch Zuwanderung, "Messerangriffe, Vergewaltigungen, wir haben bereits auch in Bayern No-go-Areas". Auch würden "Massen von Illegalen üppig alimentiert, ohne jemals etwas geleistet zu haben; der deutsche Bürger fällt durchs Raster". Das nennt er "Rassismus gegen die eigene Bevölkerung".
Linke
Die Geschäftsstelle der Linken liegt im Westend. Es ist das einzige Viertel in München, wo an den Wänden Plakate mit Lenin und Engels zu finden sind. Bei den Linken blickt Karl Marx aus der Ecke in das kleine Ladenbüro. Einer der schlauesten Philosophen, aber mit Zitaten aus dem Kapital lasse sich heute kaum Wahlkampf machen, sagt Ates Gürpinar. Er redet deshalb lieber von ihrem Volksbegehren gegen den Pflegenotstand oder dem Mietwahnsinn in München.
Für ihre Politik werben Gürpinar und seine Kollegin Eva Bulling-Schröter vor allem auf der Straße. In Talkshows oder die Zeitung schaffen sie es nur selten. In letzter Zeit aber immer mehr, seitdem sie zum ersten Mal seit zehn Jahren in einer Umfrage wieder die Fünf-Prozent-Hürde genommen haben. Bulling-Schröter vergoss da sogar Freudentränen.
Die 62-Jährige ist die Erfahrene im Team. Zwanzig Jahre lang saß die gelernte Schlosserin im Bundestag mit Schwerpunkt Umweltpolitik. Gürpinar steht mit seinen 34 Jahren für die sehr junge Mitgliederschaft der Linken. Er glaubt, dass sie dieses Mal eine wirkliche Chance haben. Von Grünen bis SPD würden doch alle mit der CSU koalieren, sagt er. Die Linke sei da die einzig richtige Opposition.