Zerstörtes Gemälde:Nach fränkischem Vorbild

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Zwei der "Drei Figuren" der Malerin Anna Leporskaja haben jetzt Augen. (Foto: The Art Newspaper Russia)

Berühmt werden will jeder - aber wie? Ein Wachmann einer Galerie in Jekaterinburg hat ein Kunstwerk verziert und dabei wohl auf Vorläufer aus Bayern zurückgegriffen.

Glosse von Olaf Przybilla, Nürnberg/Hof

Russischen Medien zufolge hat ein Wachmann in einer Galerie in Jekaterinburg ins Bild "Drei Figuren" - auf dem die Besagten ohne Gesichtszüge auskommen - augenähnliche Kringel gemalt, das Bild von Anna Leporskaja soll einen hohen sechsstelligen Betrag wert sein. Angeblich habe der Mann bereits an seinem ersten Arbeitstag zum Stift gegriffen - und nun rätseln natürlich alle, was den 60-Jährigen getrieben haben mag.

Auf die naheliegende Antwort kommt mal wieder keiner: Nach menschlichem Ermessen dürfte es sich bei dem Mann um einen profunden Franken-Bewunderer handeln. Dort nämlich ist beides - Tat und Typus des Handelnden - bereits bestens bekannt. Mit der Methode, mit Kugelschreiber in ein vermeintlich unvollständiges Kunstwerk einzugreifen, hat es in Franken eine Dame zu einiger Berühmtheit gebracht. Und der Typus des zupackenden Wachmanns ist dort aktuell in aller Munde. Der Mann aus dem Ural musste also nur zwei Dinge zusammenführen.

Belege? Nichts leichter als das. Vor fünf Jahren fühlte sich eine Dame, die auf 30 Jahre mehr Lebenserfahrung als der russische Wachtmann zurückblicken konnte, beim Besuch des Neuen Museums in Nürnberg herausgefordert. Ein Werk des Fluxuskünstlers Arthur Köpcke - Versicherungswert 80 000 Euro - war ihr ins Auge gefallen: eine Collage, die Kreuzworträtsel imitiert, inklusive der Anmerkung "Insert words". Englisch konnte die ehemalige Zahnärztin, aufs Lückenfüllen verstand sie sich und also nahm sie das beim Wort. So hat sie es später Polizisten zu Protokoll gegeben. Wegen "gemeinschädlicher Sachbeschädigung" wurde ermittelt, die Staatsanwaltschaft aber stellte das Verfahren ein.

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Im SZ-Gespräch hat die Dame damals erzählt, sie sei der festen Überzeugung gewesen, es sei ganz im Sinne des Künstlers, was sie da tue. Tatsächlich wurde sie im Netz hundertfach als die wahre Kreative gefeiert, die einem nicht wirklich bekannten Werk eines nicht übermäßig berühmten Künstlers zu Ruhm verholfen habe. Und es womöglich erst richtig wertvoll machte. Auch die BBC berichtete.

Ein zupackender Wachmann wiederum hat dieser Tage im Theater Hof behilflich sein wollen, die Brandschutzwand zwischen Zuschauerraum und Bühne zu heben. Drückte dabei wohl auf den falschen Knopf, die Sprinkleranlage ging an, Schaden vermutlich in Millionenhöhe. Bekannt aber ist der Mann jetzt.

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