Es geht um den Verdacht der "gemeinschädlichen Sachbeschädigung", ins Fadenkreuz ist eine 91-jährige Seniorin geraten. In einer ersten Vernehmung hat sie Angaben zur Sache gemacht. Demzufolge war die Beschuldigte mit einer Seniorengruppe zu Gast im Neuen Museum in Nürnberg. Dort sei ihr ein ansprechendes Werk des 1977 gestorbenen Fluxuskünstlers Arthur Köpcke ins Auge gefallen.
Die Collage imitiert Kreuzworträtsel, auf dem Werk finden sich die Anmerkungen "Insert words" und "so it suits". Des Englischen ist die Akademikerin mächtig und so habe sie, gab sie in ihrer halbstündigen Vernehmung im Polizeipräsidium an, diese Aufforderungen des Künstlers beim Wort genommen. Habe also ihren Kugelschreiber gezückt, ein Wort ergänzt und sich gedacht: Passt so.
Tut es nicht. Das Museumspersonal fand die Idee nicht gut, die Seniorin musste bei der Museumschefin Eva Kraus vorsprechen, diese verständigte die Polizei und ist am Tag danach nicht sicher, ob sie schon lachen kann über die Sache. Das Werk ist eine Leihgabe eines Privatsammlers, Versicherungswert: 80 000 Euro. Das ist wie ein Blechschaden an einem geliehenen Auto, sagt Kraus: Muss man melden, sonst hat man ein Problem.
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"Das kann doch gar nicht sein", dachte die schockierte Künstlerin. Dann hat sie das Missgeschick einfach in ihr Werk integriert.
Noch bewundernswert schnell im Kopf sei die Dame und ja, sie habe im Museum konstant ihren Standpunkt vertreten: Wenn da kein Schild stehe, dass der Bitte des Künstlers nicht Folge zu leisten sei, man im Gegenteil unter keinen Umständen Folge leisten dürfe, so dürfe man sich nicht wundern, wenn im Besucher der Beschluss reife: Gut, mach ich. Im Ermittlungsprotokoll der Polizei ist das genauso niederlegt. "Die Dame", sagt ein Polizeisprecher, "gibt an, Anmerkungen auf dem Werk zum Anlass genommen zu haben, das Kreuzworträtsel zu vervollständigen."
Mit Beuys muss man dem Polizeisprecher gar nicht erst kommen, da kommt er schon selbst drauf zu sprechen. Bei der Geschichte mit der Fettecke und dem übereifrigen Hausmeister war die Kunst ja quasi im Eimer, "hier ist der Schaden deutlich geringer", sagt er. Auch das Museum ist guter Dinge, dass der Eingriff ins Werk keine bleibenden Schäden hinterlässt. Sie werde die Seniorin verständigen, sagt Eva Kraus, dass der Sammler entspannt aufs gelöste Kreuzworträtsel - gesucht war das englische Wort für Wand - reagiert habe. "Damit sie nicht noch eine schlaflose Nacht hat." Auch signalisiere die Restauratorin, dass die Kugelschreiberfarbe einigermaßen zu entfernen ist.
Was die Betreuerin des Seniorenzentrums dazu sagt
Gerlinde Knopp, Sozialpädagogin am Seniorenzentrum am Tiergärtnertor, findet das alles nicht lustig. Sie leitet den Schreibkreis, im dem auch die ehemalige Zahnärztin mitmacht. Man unternehme regelmäßig Exkursionen und nehme diese als Schreibanlass. Die 91-Jährige sei eine besonders kreative Autorin, diesmal wollte man Texte über Museumskunst schreiben und in der Runde vorlesen.
Und dann das. Sie selbst habe nicht gesehen, wie die Seniorin das Rätsel löste, sagt Knopp. Nur sei das Haus "ja voller interaktiver Mitmachkunst", da könne man schon den Überblick verlieren, was man darf, muss, soll. Auch sei sie sicher, dass die 91-Jährige lange vorm Werk gestanden habe, der Gedanke gereift sei und also "das Aufsichtspersonal versagt" habe.
Über Kunst sollen die Senioren jetzt erst mal nichts schreiben. Dafür gebe es einen neuen Schreibanlass: Wie Frau K. zur Vernehmung ins Präsidium musste, weil sie das tat, was ein Künstler auf seinem Werk forderte. Auf die Texte freue sie sich schon, sagt Knopp.