Zerstörte Kunstwerke:Und fertig ist das Mondgesicht

Zerstörte Kunstwerke: Zwei der "Drei Figuren" der Malerin Anna Leporskaja haben jetzt Augen.

Zwei der "Drei Figuren" der Malerin Anna Leporskaja haben jetzt Augen.

(Foto: The Art Newspaper Russia)

In Jekaterinburg soll ein Museumswärter einem wertvollen Gemälde Augen verpasst haben. Es ist das jüngste Beispiel für die rätselhafte Lust des Menschen, Kunst zu reparieren.

Von Marcel Laskus

Vielleicht gab es für den Wärter des Boris-Jelzin-Museums im russischen Jekaterinburg einfach wenig zu tun an seinem ersten Arbeitstag. Vielleicht war es einer dieser Kaugummitage mit braven Besuchern, die ihre Handyblitze deaktiviert ließen, und mit Schulkindern, die den Rundgang ertrugen, ganz ohne Gequengel. Nach allem, was man weiß, griff dieser Wärter jedenfalls irgendwann nach seinem Kugelschreiber und fühlte sich, umgeben von allerlei Gemälden, zu Höherem berufen. Er schritt auf das Werk "Drei Figuren" der Malerin Anna Leporskaja zu, und malte mehrere Augenpaare in die bis dahin augenlosen Gesichter, so berichtet es The Art Newspaper Russia.

Was ein Dreijähriger nur als logischen ersten und zweiten Arbeitsschritt in Richtung Mondgesicht erachten dürfte, bekommt in der Welt der Erwachsenen das recht ernste Label "Sachbeschädigung" aufgedrückt. Immerhin hat das Werk einen Wert von umgerechnet 880 000 Euro. Dem 63-jährigen Museumswärter wurde gekündigt.

Der Fall könnte damit beiseitegelegt werden, denn glücklicherweise lassen sich die ergänzten Augenpaare für umgerechnet 2800 Euro wieder entfernen. Wäre da nicht die akute Wiederholungsgefahr -nicht nur in Jekaterinburg, sondern an jedem Ort, an dem Kunst nicht hinter Plexiglas steht. Der Mensch trägt offenbar etwas in sich, das in dazu drängt, Kunstwerke reparieren zu wollen, aber damit alles nur noch schlimmer zu machen.

Hobby-Restauratorin macht aus Jesus einen Affen

Unvergessen ist die gescheiterte Restaurierung des "Ecce homo" des Künstlers Elías García Martínez aus dem 19. Jahrhundert, das im spanischen Saragossa zu sehen ist. Eine Frau, passionierte Hobby-Restauratorin und damals in ihren Achtzigern, wollte im Jahr 2012 das durch Witterung beschädigte Jesus-Fresko ausbessern, und so brachte sie zum "Ecco homo" ihr Malwerkzeug mit. Einige Pinselstriche später gelang ihr eine Kreatur, die nicht mehr an Jesus, sondern an einen Affen erinnerte. Sie selbst war offenbar auch nicht ganz zufrieden: Sie stellte sich der Polizei.

Zerstörte Kunstwerke: Jesus oder Affe? Unvergessen ist die gescheiterte Restaurierung des "Ecce homo" des Künstlers Elías García Martínez aus dem 19. Jahrhundert.

Jesus oder Affe? Unvergessen ist die gescheiterte Restaurierung des "Ecce homo" des Künstlers Elías García Martínez aus dem 19. Jahrhundert.

(Foto: Centro De Estudios Borjanos/picture alliance / dpa)

Aber warum nur tut der Mensch so etwas?

Die Gründe lassen sich kaum verallgemeinern. Vom 1986 verstorbenen Joseph Beuys stammt jedenfalls der Satz "Jeder Mensch ist ein Künstler". Doch damit meinte er keinesfalls, dass alle 7,89 Milliarden Erdenbürger jederzeit und beim Anblick einer jeden hölzernen und papierenen Oberfläche immer auch die Lizenz zum Restaurieren und Ausbessern erhalten. Der Beuys-Kenner und Pariser Kunstprofessor Jean-Philippe Antoine versuchte im vergangenen Jahr, diesen Irrtum in einem Interview geradezurücken: "Beuys meinte damit nicht, dass alle Menschen Maler oder Bildhauer werden sollten. Vielmehr ging es ihm um die jedem Menschen innewohnende schöpferische Kraft und Kreativität." Künstler sein, das bedeutet eben nicht, alles vollzukleistern, nur weil es einem in seinem vorgefundenen Zustand nicht gefällt. "Kreativität kann in vielen verschiedenen Bereichen zum Ausdruck kommen, wie beispielsweise in der Medizin, der Landwirtschaft, dem Recht, oder der Wirtschaft", so Antoine.

Eine schöne Botschaft ist das, aber der Mensch lässt sich wohl kaum von seiner Hybris abbringen. Und so ist es an den Künstlern, proaktiv auf Vandalen zuzugehen, was manche zum Glück auch tun.

Im April besuchte ein junges Paar eine Ausstellung im südkoreanischen Seoul und machte dabei halt vor einem 7 mal 2,36 Meter großen Werk des US-amerikanischen Künstlers John Andrew Perello. Auch sie ertrugen offenbar nicht, dass das ziemlich teure Acrylgemälde aus ihrer Sicht schrecklich unfertig aussah, und so ergänzten sie es um einige Farbtupfer. Überwachungskameras zeichneten das Ganze auf, die Täter waren schnell überführt. Doch ausgerechnet Künstler Perello äußerte sich gelassen: "Ich hoffe, dass ich eines Tages die Möglichkeit habe, mit ihnen in Korea einen Tee zu trinken", sagte er über die Täter. Zahlen müsse das Paar nicht für den Schaden. Im Gegenteil: Laut Perello hätten sie den Wert seines Gemäldes sogar gesteigert.

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