Politik in Bayern:Kritik an angeblicher "Legenden-Strickerei" und "Opferkult" bei den Grünen

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Im oberfränkischen Hirschaid gab es kürzlich eine nicht angemeldete Protestveranstaltung vor einer Parteiversammlung der Grünen. (Foto: Merzbach/News 5/dpa)

Nach der Störung von Versammlungen beklagt die Partei mangelnde Solidarität von konservativer Seite. Staatsregierung und CSU werfen den Grünen nun vor, mit diesem Narrativ legitime Kritik an deren Politik ausbremsen zu wollen.

Von Johann Osel

Die bayerische Staatsregierung verwahrt sich gegen den Vorwurf der Grünen-Bundesvorsitzenden Ricarda Lang, zu zögerlich und halbherzig für das Versammlungsrecht ihrer Partei einzutreten. Staatskanzleiminister Florian Herrmann (CSU) sprach am Dienstag nach dem Kabinett von "Legenden-Strickerei". Fakt sei, dass jegliche Demonstrationen und Versammlungen in Bayern "in umfassender Art und Weise" von der Polizei geschützt würden. Dies betreffe sowohl die Präsenz als auch Absprachen im Vorfeld von Veranstaltungen etwa mit Landratsämtern. Bei Störungen gingen die Behörden entschieden dagegen vor, das sei "völliger Konsens". Es gehe aber los mit dem Schaffen von "Legenden" und einem "Narrativ", so Herrmann, wenn man legitime Kritik an Positionen der Grünen mit der Einschränkung von deren Versammlungsfreiheit gleichsetze.

Die Grünen-Chefin hatte zuvor beklagt, Ministerpräsident Markus Söder (CSU) habe noch immer nicht den Ernst der Lage erkannt, wenn es um die Bedrohung für grüne Veranstaltungen gehe. Vielfach in Deutschland, unter anderem auch bei einer Grünen-Kreisversammlung in Hirschaid bei Bamberg, war es zuletzt zu Zwischenfällen mit protestierenden Bauern und anderen Demonstranten gekommen. Der Grünen-Kreisverband Bamberg sprach von einem "Spießrutenlauf" mit Pöbeleien, die Situation sei als sehr gefährlich empfunden worden, die Polizei nicht ausreichend präsent gewesen.

Es gehe nicht um unterschiedliche Haltungen zu grüner Politik, sagte Lang, sondern darum, dass Angriffe auf Menschen "ein Problem für unsere ganze Demokratie" seien. Sie erwarte von Söder keine Freundlichkeiten gegenüber ihrer Partei, aber "dass wir uns darauf verlassen können, dass er mit uns gemeinsam die Grundfesten der Demokratie verteidigen wird".

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Staatskanzleichef Herrmann nahm auf Nachfrage der Presse zu Langs Äußerungen Stellung. Die "politisch getriebene Sicht" der Grünen-Chefin werde durch Angaben aus deren eigener Partei heraus "konterkariert", sagte er. So habe sich der grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck kürzlich bei Terminen in Bayern bei ihm "spontan von sich aus bedankt für die exzellente Polizeiarbeit", Habeck habe sich gut betreut und begleitet gefühlt.

Ricarda Lang hatte sich wiederum auch auf einen Fernsehauftritt von Markus Söder am Vortag bezogen. "Jeder, der bedroht ist, wird absolut geschützt", sagte der Ministerpräsident in der ARD-Sendung "Caren Miosga". Die Grünen sollten aber überlegen, welchen Beitrag sie selbst dazu leisteten, dass sie so viel Ablehnung in der Bevölkerung erführen. Es gebe keinen Anlass, Ton und Wortwahl gegenüber den Grünen zu ändern, sagte Söder und meinte damit auch Kritik an einigen Passagen seiner diesjährigen Rede am politischen Aschermittwoch. Er wolle keinen "Sprach-Moralkodex" mit Vorgaben, wie stark man die Grünen angreifen dürfe.

Ähnlich argumentierte auch CSU-Generalsekretär Martin Huber. "Es ist geradezu absurd, jetzt den Eindruck zu erwecken, die mehr als berechtigte Kritik der CSU ist schuld an der Stimmung", sagte der Landtagsabgeordnete am Montag vor Journalisten in München. "Es ist die schlechte Politik der Ampel, die schuld ist an der schlechten Stimmung." Huber warf den Grünen vor, "Opferkult" zu betreiben. Die Partei selbst habe jahrelang die "Grenzen des Protests verschoben", nach der Devise, der Zweck heilige die Mittel. Als Beispiel nannte Huber die Castor-Transporte, den Tagebau Lützerath in Nordrhein-Westfalen und die "Klimakleber".

Bayern fordert weniger Mehrwertsteuer in der Gastronomie, auch für Getränke

Das bayerische Kabinett befasste sich am Dienstag im Schwerpunkt mit Finanzen und Wirtschaft. Finanzminister Albert Füracker (CSU) brachte seine Freude darüber zum Ausdruck, dass der Freistaat soeben von einer internationalen Ratingagentur die Bestnote für die Kreditwürdigkeit erhalten habe. Dies hatte sein Haus bereits am Wochenende mitgeteilt. Man sei damit "belohnt" worden für die hohe Investitionsquote, die sich auch im kürzlich erstmals in den Landtag eingebrachten Doppelhaushalt zeige; ferner etwa für eine niedrige Verschuldung und ein wirtschaftlich stabiles Umfeld. Krise sei momentan überall, so Füracker, aber man sehe, dass es auf politische Weichenstellungen durchaus ankomme.

Der Ministerrat beschloss am Dienstag eine Bundesratsinitiative mit Ideen für eine steuer- und wirtschaftspolitische "Agenda 2030" - vor allem mit der Forderung nach kräftigen Steuersenkungen für Unternehmen. Die bereits beschlossene Streichung von Steuerentlastungen beim Agrardiesel für Landwirte soll indes revidiert werden, in der Gastronomie soll wieder der ermäßigte Mehrwertsteuersatz gelten; und zwar künftig auch für Getränke, nicht nur für Speisen. Die Stromsteuer soll auf das europäische Mindestmaß abgesenkt werden, der Ausstieg aus der Kernenergie erneut auf den Prüfstand gestellt werden.

Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) sagte, man habe "noch ein marginales Wirtschaftswachstum in Bayern, während der Bund schrumpft". Die Bundesregierung müsse "endlich erkennen, dass die Hütte brennt". Der Ampel fehle der Mut, Handlungsspielräume zu schaffen, um wieder wettbewerbsfähig zu werden.

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