Homeoffice und Vier-Tage-Woche - was vor Corona unüblich war, ist heute in vielen Unternehmen Standard. Trotzdem bekommen längst nicht alle Menschen Familie und Job gut unter einen Hut. Wo das gelingt, leisten die Firmen meist noch mehr, wie ein Blick auf die Gewinner des von der Staatsregierung ausgeschriebenen bayernweiten Wettbewerbs "Erfolgreich.Familienfreundlich" zeigt. Ganz unabhängig von ihrer Größe, Branche und den speziellen Konzepten gingen diese Unternehmen vor allem sehr genau auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter ein. Den Preis erhielten sie für die Familienfreundlichkeit, eigentlich aber machen sie einfach gute Personalpolitik. Neun Beispiele.
Zwölf Wochen bezahlte Auszeit nach der Geburt
Die ersten Wochen nach der Geburt sind die intensivsten. MSD Sharp & Dohme aus München gewährt seinen 1228 Beschäftigten deshalb eine bis zu zwölf Wochen dauernde, voll bezahlte Auszeit. Länger ist das als die nach der Geburt gesetzlich geltenden acht Wochen Mutterschutz, in denen Frauen in Deutschland Mutterschutzgeld von den Kassen erhalten. Vor allem aber bietet der Vertreiber von Arzneimitteln diese Zahlung allen an, also Vätern wie Müttern und auch nach der Adoption eines Kindes oder bei Unterbringung eines Pflegekindes. Und das weltweit, also auch in Ländern wie den USA oder der Schweiz, wo die Frauen von deutschen Mutterschaftsregeln nur träumen können.
50 Jahre Betriebskindergarten
Die Firma IWIS aus München hat schon seit 1973 einen eigenen Betriebskindergarten mit Kinderkrippe. Die Idee dafür kam vom Firmengründer Gerhard Winklhofer - eine Überzeugungstat, heißt es aus dem Unternehmen. Auch der Sohn, der das Industrieunternehmen mit 799 Beschäftigten weiterführt, steht dazu. Im Juli gibt es ein großes Fest: Der Kindergarten wird 50.
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4-Tage-Woche für alle
Die Idee kam e-koris, einem klassischen Handwerksbetrieb aus Friedberg, irgendwann in der Pandemie. Viele Mitarbeiter konnten damals wegen Kindern und Homeschooling weniger arbeiten. Warum nicht immer auf vier Tage reduzieren, fragten sich die Chefs. Das neue Modell sieht so aus: Alle arbeiten an vier Tagen - insgesamt 38 Stunden statt vorher 40 Stunden an fünf Tagen. Mit 9,5 Stunden sind die Tage etwas länger geworden, dafür ist der Freitag frei. Am Anfang gab es ein paar Vorbehalte, erzählt Claudia Brandstädter, die das Unternehmen gemeinsam mit ihrem Mann führt. Inzwischen sind alle zufrieden: Die Kunden haben sich schnell dran gewöhnt, die Elektriker vergeuden durch die längeren Schichten weniger Zeit mit Auf- und Abbau. Und das Unternehmen spart sogar Kosten - etwa beim Benzin, weil sie jetzt einen Tag weniger auf die Baustelle fahren.
Klinik mit Wunschdienstplan
Kliniken, die sich in der Pflege mit überteuerten Leiharbeitern behelfen müssen, können sich vielleicht von der Personalpolitik der m&i-Fachklinik in Ichenhausen im schwäbischen Landkreis Günzburg etwas abschauen. Denn Leiharbeiter braucht man hier in der Pflege nicht. Auch so sind alle Stellen besetzt, worauf der Kaufmännische Direktor Stefan Krotschek ein bisschen stolz ist. Was sie hier anders machen? Man achte schon seit Jahren sehr genau auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter, sagt Krotschek. "Wir horchen in die Belegschaft rein, fragen, wo drückt der Schuh." Und sie versuchen, darauf zu reagieren. Dafür entwickeln sie Instrumente wie den Wunschdienstplan, in den jeder eintragen kann, wann er arbeiten kann - und auch, wann es mal gar nicht passt.
Kinder seit Firmengründung dabei
Die Minitüb GmbH aus Tiefenbach im Landkreis Landshut hat bei 145 Beschäftigten 52 verschiedene Arbeitszeitmodelle, steht in der Laudatio der Jury. "Neuerdings 53", sagt Katharina Rohrmüller, Mitglied der Geschäftsführung des Familienunternehmens. Flexible Arbeitszeiten und Kinder seien bei ihnen im Unternehmen seit jeher selbstverständlich. Als die Großeltern die Firma gründeten, die auf Fortpflanzungstechnologien für die moderne Tierzucht spezialisiert ist, hatten sie bereits vier Kinder. Inzwischen führen ihre Kinder und Enkel den Laden. Und auch Katharina Rohrmüller, eine Enkelin, hatte selbst bereits Kinder, als sie in die Firma einstieg. Mal muss die Mutter spontan Homeoffice machen, mal schiebt sie die Kinder mit Ipad oder Malsachen zum Onkel ins Büro. Diese Flexibilität brauchen sie und wollen sie darum auch den Mitarbeitern nicht verwehren, sagt Rohrmüller.
Chef in Teilzeit
Franz Brückner hatte gerade einen kleinen Sohn bekommen, als er zu dem von seinem Bruder gegründeten Handwerksunternehmen Brückner Haustechnik im unterfränkischen Erlenbach stieß. Die Vier-Tage-Woche war da optimal für ihn, und sie ist es noch, jetzt wo zuhause schon zwei kleine Kinder warten. Auch drei andere Kollegen der Neun-Mann-Firma haben die Arbeitszeit reduziert. Die individuelle Flexibilität der Mitarbeiter ist der Firma wichtig. Vielleicht muss einer mal für eine Zeit kürzertreten, weil ein Kind in die Kita eingewöhnt werden muss. Vielleicht aus anderen Gründen. Jeder soll seine optimale Arbeitszeit für seine Lebensphase finden, sagt Franz Brückner. Denn sie glauben, dass der Erfolg des Unternehmens zu Hause beginnt.
Nanny für den Notfall
Pflege heißt Schichtbetrieb. Darum lässt sie sich immer schon schwerer mit dem Familienalltag verbinden. Bei CeTa - Pflege mit Liebe aus Moosbach im Landkreis Neustadt an der Waldnaab versuchen sie deshalb, im Dienstplan sehr auf die Bedürfnisse der 19 Mitarbeiter einzugehen. Und wenn die Kinder dann doch plötzlich krank sind? Für solche Fälle hat die Firma, die zwei Wohngemeinschaften für Intensivpflege betreut, eine eigene Pflegekraft, die in Notfällen einspringen kann.
Industrieelektrikerin in Teilzeit
Vor ein paar Jahren bot die Firma ISA Industrieelektronik aus Weiden Umschulungen für alleinerziehende Frauen in Teilzeit an. Sie konnten sich zur Industrieelektrikerin oder Industrieelektronikerin ausbilden lassen. Klingt nach Männerberuf? Viele der Frauen blieben. In der Fertigung des auf Elektronik für Maschinen und Anlagenbau spezialisierten Unternehmens arbeiten inzwischen etwa zu 80 Prozent Frauen.
Wenn der Chef die Eltern pflegen muss
Homeoffice gab's bei der Kanzlei Manuel P. Stöhr aus Neustadt an der Aisch schon lange vor der Pandemie. Eine Mitarbeiterin arbeitete von München aus, eine andere aus dem Osten Sachsens. So richtig flexibel aber mussten sie alle erst in den vergangenen Jahren werden, als der Chef selbst zuerst seinen Vater und dann seine Mutter pflegen musste. Manuel Stöhr kümmerte sich tagsüber um seine Eltern und arbeitete vor allem nachts und am Wochenende. Die Mitarbeiter hielten in der Kanzlei die Stellung. Dafür will er vor allem den Mitarbeitern Danke sagen. Danke, dass Flexibilität auch mal so rum funktioniert.