Bayernheim:Ein Wahlkampfschlager, der keiner wurde

Lesezeit: 4 min

In der Münchner Studentenstadt (Bild) übernimmt die Bayernheim die Sanierung zweier maroder Häuser mit gut 1000 Appartements. (Foto: Florian Peljak)

10 000 neue staatliche Wohnungen bis 2025? Die von Ministerpräsident Markus Söder gegründete Baugesellschaft Bayernheim startete als Debakel, inzwischen gewinnen ihre Aktivitäten tatsächlich an Dynamik - wenn auch in Teilen noch auf dem Papier. Die SPD wittert einen "Etikettenschwindel".

Von Johann Osel

Wer sich bei Ralph Büchele, dem Geschäftsführer der staatlichen Wohnungsbaugesellschaft Bayernheim, nach dem Wirken seines Hauses erkundigt, der wird an eine Flipchart-Tafel gebeten. Zahlen, Pfeile und Balken kritzelt er in den Bavaria Towers im Münchner Osten energisch aufs Papier. Im Herbst 2021 übernahm Büchele - Bau- und Wirtschaftsingenieur, langjähriger Unternehmensberater - den Chefposten bei der Bayernheim. Jene Gesellschaft, die Ministerpräsident Markus Söder (CSU) 2018 kurz nach Amtsantritt gegründet hatte. Im Kampf gegen den Wohnungsmangel, der "zentralen sozialen Frage", so Söder damals, und mit dem Ziel, bis zum Jahr 2025 im Freistaat 10 000 neue bezahlbare Wohneinheiten zu schaffen. Doch lange Zeit lautete die Bilanz der Bayernheim: null, keine einzige Wohnung gebaut, nur ein paar Dutzend gekauft. Und das ganze Projekt stand im Ruch eines Rohrkrepierers.

Da klingeln einem nun regelrecht die Ohren, wenn Büchele von der Bayernheim als "Speed-Boot" spricht, das rasant unterwegs sei auf dem Markt. Von einem "Enabler", einem Möglichmacher also, der Dinge umsetzen könne, mit denen sich andere schwertun. Von einem Akteur, der "in die Vollen geht". Ist da wirklich von dieser Bayernheim die Rede?

Newsletter abonnieren
:Mei Bayern-Newsletter

Alles Wichtige zur Landespolitik und Geschichten aus dem Freistaat - direkt in Ihrem Postfach. Kostenlos anmelden.

Tatsächlich hat die Bayernheim einige Dynamik entwickelt, sie baut, kauft zu, steigt in Vorhaben ein, vernetzt sich mit Projektpartnern. Zwar hat die Gesellschaft zur Jahresmitte 2023 gerade mal 267 Wohnungen im Bestand, also schlüsselfertig, viele eben zugekauft. Doch mittlerweile sind 6101 Wohnungen "auf den Weg gebracht", wie das Bauministerium auf Anfrage mitteilt. Darunter befänden sich 1349 konkret im Bau, weitere 4485 in Planung und Entwicklung. Fertige, begonnene oder beim Notar besiegelte Projekte gibt es in Großstädten wie München, Nürnberg, Augsburg oder Regensburg. Aber auch etwa in Miesbach, Bayreuth und Dinkelsbühl. Oder Straubing. Dort war Bauminister Christian Bernreiter (CSU) am Freitag beim Spatenstich für ein Objekt mit 63 geförderten Wohnungen, für Familien, Paare und Singles.

Eher eine kleine Kategorie, meist ist die Bayernheim an Projekten mit einer dreistelligen Zahl an Einheiten interessiert. In der Vorwoche besuchte Bernreiter die Baustelle eines Quartiers in Ingolstadt, 433 Wohnungen, Infrastruktur wie eine Kita auf dem Gelände, Fertigstellung wohl Ende 2025. "Die Bayernheim leistet mit diesem Projekt einen erheblichen Beitrag für mehr und dauerhaft bezahlbaren Wohnraum in Ingolstadt", sagte der Minister. "Rund 1300 Menschen werden in den elf Häusern eine Heimat finden." Es ist etwas in Bewegung gekommen. Die Bilanz ordentlich aufgepeppt hat auch die Entscheidung, dass die Bayernheim die Sanierung zweier maroder Häuser mit gut 1000 Appartements in der Münchner Studentenstadt übernimmt. Sie sind in den 6101 auf den Weg gebrachten Einheiten inkludiert. "Während die private Bauwirtschaft Projekte storniert und massiv bremst, plant und baut die staatliche Bayernheim zuverlässig weiter und fährt das Tempo sogar noch hoch", meldet das Ministerium. Gerade in der aktuellen Krise des Wohnungsbaus erweise sich die Gesellschaft "als stabiler Anker". Ein Vorteil wohl: Die private Wirtschaft zielt auf hohe Gewinnmargen, schwierig etwa bei den steigenden Baukosten - der staatliche Akteur hat diesen Druck nicht.

Noch zum Jahresbeginn wurde im politischen München erwartet, dass die Bayernheim Großthema im Wahlkampf wird. "Debakel", "Pleite" oder "Realsatire" waren die Begriffe von Grünen, SPD, FDP und AfD über eine Baugesellschaft, die nichts baut. Ein leeres Versprechen des Ministerpräsidenten, das ist ja eine regelrechte Einladung an die Opposition. Hinzu kam, dass Söder als oberster Wohnungsbauer historisch ein Imageproblem hat. Unter seiner Ägide als Finanzminister hatte die Landesbank einst 33 000 Wohnungen der gemeinnützigen GBW an Investoren verkauft, in der Folge beklagten viele Bewohner drastische Mieterhöhungen. Aber jetzt im Wahlkampf, in dessen heißer Schlussphase? Ist die Bayernheim eher zur Randnotiz geworden. Kein Wahlkampfschlager.

Die wichtigsten Probleme im Land? Wohnen kommt da nur auf Platz sieben

Das dürfte ein Bündel an Gründen haben. Natürlich fehlt vielerorts in Bayern massiv bezahlbarer Wohnraum, das Mietniveau steigt, in Städten, Ballungsräumen und auch in ländliche Regionen hinein. Dennoch empfindet das eine Mehrheit der Menschen in Bayern offenbar nicht als enorm drängend. Im jüngsten BR-Bayerntrend, der repräsentativen Umfrage, kam Wohnen nur auf Platz sieben der wichtigsten Probleme, weit hinter Migration und Energie, auch hinter Schule und Verkehr. Und von Sachdebatten über Landesthemen ist dieser Wahlkampf ohnehin wenig geprägt; vielmehr von Bundespolitik und von Stimmungen. Dazu kommt, dass auch der Bund kaum Lösungen für den deutschlandweiten Wohnungsmangel in der Schublade hat.

Vielleicht spielt aber auch eine Rolle, dass die Bayernheim eben doch in Fahrt kommt. Sogar Söders 10 000-Marke ist jetzt wieder im Gespräch. Nicht mit vermieteten Wohnungen, das wäre utopisch. Aber zumindest als greifbare Zahl. Bayernheim-Geschäftsführer Büchele sagt: "Sollte sich die Dynamik so fortsetzen - und derzeit spricht nichts dagegen - werden wir unser Portfolio bestehend aus Projekten in Planung, Bau und Bestand bis Ende 2025 auf über 10 000 Wohneinheiten ausbauen." Auch im Bauministerium ist man diesbezüglich "optimistisch".

Nicht stehen lassen will man das alles so in der Opposition. SPD-Spitzenkandidat Florian von Brunn hat "ein bezahlbares Bayern" - Wohnen, Energie, Bildung, Pflege - zum Kern seiner Kampagne gemacht. Es fehlten 200 000 Wohnungen im Freistaat, die Staatsregierung mache sich "einen schlanken Fuß", findet er, auch bei sonstigen Maßnahmen in Bernreiters Ressort: zu wenig Geld, zu wenige Konzepte. Dem entgegen stünden SPD-Ideen wie für eine Baulandsteuer gegen Spekulation mit Grundstücken oder eine Entschlackung der bayerischen Bauordnung. Konkret bei der Bayernheim, die "für ihre Ineffizienz bekannt" sei, glaube er erst an Erfolge beim Wohnungsbau, "wenn diese nicht nur auf dem Papier stehen, sondern wenn Menschen drin wohnen. Davor kann ich das nicht ernst nehmen". Zudem ist es in Brunns Augen ein "Etikettenschwindel", wenn häufig nur die Trägerschaft bei Wohnungen übernommen werde, die eh im Bau gewesen seien.

Anders als die FDP will Brunn aber die Bayernheim erhalten. Die Liberalen fordern in einem Zehn-Punkte-Plan die Liquidierung, freiwerdende Mittel sollten kommunalen, privaten und genossenschaftlichen Baugesellschaften zur Verfügung stehen: "Der Staat soll Dienstleister sein, statt wie aktuell schlechterer Unternehmer." Brunn sieht indes Bedarf an einem staatlichen Akteur, der die Branche stabilisiere, aber "schlagkräftiger aufgestellt" müsse er sein, sich viel mehr dem jungen und studentischen Wohnen widmen. Er bleibe bei seiner Forderung, dass eine externe Kommission Söders Bayernheim unter die Lupe nehmen solle: "Es ist ja unfassbar, dass hier Jahre vergeudet wurden, bevor sie überhaupt anfängt zu planen."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusWahl in Bayern
:Liebe auf den letzten Blick

Markus Söder und die CSU, das war nie große Zuneigung, eher ein Handel. Aber seit der Aiwanger-Affäre finden viele in der Partei, dass ihr Chef da in etwas hineingeraten ist, für das er nichts kann. Wenn alles schiefgeht bei der Wahl, könnte ihn genau das retten.

Von Roman Deininger, Andreas Glas und Johann Osel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: