Energiepolitik:Söders Sorge ums Gas

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Wie lange ist noch Druck auf den Erdgas-Leitungen? Angesichts eines möglichen Embargos gegen Russland stellen sich diese Frage Politiker und ebenso Verbraucher. Das Bild zeigt die Kompressorenhalle des Erdgas-Untergrundspeichers in Wolfersberg, einem Ortsteil der Gemeinde Oberpframmern, die circa 20 Kilometer südöstlich von München liegt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Befürchtung, dass ein deutsches Embargo gegen Russland insbesondere Bayern beeinträchtigen würde, ist umstritten. Wie der aktuell von einer Coronainfektion ausgebremste Ministerpräsident neue Wege sucht, um die Energieversorgung des Freistaats zu sichern.

Von Andreas Glas und Christian Sebald, München

Eigentlich wäre Markus Söder am Sonntag ins Flugzeug gestiegen. "Eine perspektivische Reise für die Energiesicherheit Bayerns bis 2030", hatte Söder (CSU) angekündigt. Dann hat Corona auch Bayerns Ministerpräsidenten erwischt. Seine Reise in die Vereinigten Arabischen Emirate und nach Saudi-Arabien ist abgesagt, doch sein Plan steht: "Es ist notwendig, sich bei Energie unabhängig zu machen von Russland", twitterte Söder am Sonntag aus der Isolation. Zwei Tage zuvor hatte er seine Reiseabsichten so begründet: "Wir wollen gerade für den Süden Deutschlands Türöffner sein und suchen Partner für eine eigene Wasserstoff-Infrastruktur. Es braucht auch südliche Pipelines für die langfristige Energiesicherheit." Söder spricht zurzeit oft darüber, wie schützenswert der Süden der Bundesrepublik sei. Und darüber, dass Bayern besonders von der Energiekrise bedroht sei. Allerdings: Ob das die Realität angemessen beschreibt, ist umstritten.

Der Ministerpräsident inszeniere sich als Kämpfer gegen eine bayernfeindliche Bundesregierung, die es gar nicht gebe, sagen Kritiker. "Wenn man jetzt wie die Bundesregierung Wasserkraft abwertet und nur Windkraft fördert, benachteiligt man den Süden", klagte Söder vor kurzem auch über die Pläne, die Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei erneuerbaren Energien hat. Nebenbei spekulierte Söder laut über "Taktik" und "Strategie" der Berliner Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP, den Süden gezielt zu benachteiligen. Alles Bluff? Nun, vor wenigen Tagen befeuerte ausgerechnet Habecks Ministerium die Sorgen bei manchen im Süden der Republik. Eine Sprecherin warnte, dass ein deutsches Gasembargo gegen Russland "unterschiedliche regionale Folgen" habe. Man konnte das durchaus so verstehen, dass Söder recht hat, wenn er Bayern als stärker gefährdet darstellt.

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"Bayern hängt physikalisch an dem russischen Strang"

Fest steht, dass der industriestarke Süden Deutschlands besonders abhängig ist von russischem Gas. "Nordrhein-Westfalen verbraucht das Gas aus Holland, Norddeutschland mehr norwegisches Gas, Bayern hängt physikalisch an dem russischen Strang", sagte kürzlich Detlef Fischer, Geschäftsführer des Verbands der bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW). Rund 90 Prozent des im Freistaat verbrauchten Erdgases kommen aus Russland - aus dieser Abhängigkeit will sich Ministerpräsident Söder nun lösen, da Russland die Ukraine angreift.

Das Problem, das er dabei sieht: Während Bundesminister Habeck nun mehr Flüssiggas (LNG) importieren möchte, das per Schiff in den norddeutschen Häfen ankommen soll, hat Bayern weder einen Meereshafen noch gibt es Leitungen, die das LNG auf direktem Weg in den Süden bringen könnten. Stattdessen ist der Gasimport im Freistaat auch technisch auf Russland ausgerichtet. Das bedeutet: Die Hauptrichtung der Leitungen und Pipelines führt von Ost nach West. Es gibt kaum welche aus anderen Himmelsrichtungen nach Bayern - dementsprechend auch nicht aus Norden. "Unsere große Sorge ist, dass die Energielieferungen durch den Bund in Zukunft nur über Norddeutschland geplant werden", sagt Söder vor diesem Hintergrund. Er fordert südliche Pipelines für Gas und Wasserstoff, etwa vom italienischen Triest nach Bayern.

Aus Expertensicht ist Söders Befürchtung, dass Bayern bei einem Embargo von der Gasversorgung abgehängt werden könnte, dennoch wenig stichhaltig. In einem solchen Szenario greift nämlich der sogenannte "Notfallplan Gas" des Bundes vom September 2019. Dieser Plan umfasst neben einer Frühwarnstufe, die Bundeswirtschaftsminister Habeck wegen des Krieges in der Ukraine unlängst ausgerufen hat, auch noch eine Alarmstufe und die Notfallstufe. Letztere wird ausgerufen, wenn sehr viel weniger Erdgas in Deutschland ankommt, als hier benötigt wird.

Im Notfall übernimmt die Bundesnetzagentur

"In so einem Notfall übernimmt die Bundesnetzagentur zusammen mit den Netzbetreibern als sogenannter Bundeslastverteiler die Verteilung des Erdgases, das dann noch zur Verfügung steht", sagt ein hochrangiger Vertreter der Energiewirtschaft im Freistaat, der wegen der politischen Brisanz des Themas anonym bleiben will. "Das ist dann zwar eine absolute Mangelverwaltung mit massiven Einschränkungen für alle Bereiche und weitreichenden wirtschaftlichen Auswirkungen", sagt der Fachmann. "Aber es sollte zumindest gerecht zugehen" zwischen den Bundesländern im Norden und im Süden. Zumal gesetzlich festgelegt ist, dass bestimmte Verbrauchergruppen, soziale Einrichtungen und private Haushalte etwa, Vorrang vor anderen haben.

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Um Klarstellung bemüht ist auf Nachfrage auch Robert Habecks Bundeswirtschaftsministerium. Man bleibe dabei, dass ein Gasembargo in den unterschiedlichen Regionen Deutschlands unterschiedliche Folgen habe. Dass Flüssiggas in Bundesländern mit Küste ankomme, bedeute deshalb aber nicht, "dass damit nur diese norddeutschen Länder versorgt werden", teilt eine Sprecherin mit. Und weiter: "Auch bisher kam Gas aus Pipelines, die zu einem Großteil nicht im Süden anlandeten, und auch hier erfolgte eine Lieferung in süddeutsche Speicher."

Ministerpräsident Söder will dennoch "neben dem Bund selbst aktiv" werden bei der Suche nach Partnerschaften, die über südliche Pipelines langfristig die bayerische Energieversorgung sichern. Das Virus hat ihn nun etwas ausgebremst. Eine Sprecherin der Staatskanzlei sprach am Wochenende von minimalen Erkältungssymptomen. Der Ministerpräsident, sagte sie, habe "ein bisschen Schnupfen".

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