Der Bismarckplatz ist eine feste Größe im kulturellen Leben der Stadt Regensburg. Sobald es nachts nicht mehr gefriert, treffen sich hier die Jungen und Junggebliebenen, sitzen auf den Steinstufen zum Haus der Musik, auf den steinernen Rändern der beiden großen Springbrunnen oder einfach direkt auf dem Kopfsteinpflaster. Ja, es gibt bequemere Orte in Regensburg. Der Stadtpark zum Beispiel, da könnte man sich immerhin auf Gras betten.
Man hätte dann aber eine viel schlechtere Nachschubversorgung mit Kaltgetränken und auch die Aussicht am Bismarckplatz ist es durchaus wert, sich einen Bandscheibenvorfall zu holen. Während die Pobacken auf dem harten Untergrund allmählich einschlafen, darf man die Aussicht auf den klassizistischen Prachtbau des Stadttheaters genießen. Im Sommer, wenn Bürgerfest ist oder Jazz-Weekend oder ein anderes Straßenfest, von denen es viele in Regensburg gibt, stehen hier immerhin überall Bierbänke.
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Bier, Ausgehkultur, Musik und Architektur, damit ist man in Regensburg nun wirklich gut versorgt. Man muss nur kurz zum Bismarckplatz schlendern. Ganz umsonst ist die Kultur aber auch in Regensburg nicht zu haben. Das Bier sowieso nicht und dann will man ja das Theater nicht nur anschauen, sondern vielleicht auch mal reingehen. Die Regensburger gelten als theaterverrückt, etwa 180 000 Gäste bei an die 700 Vorstellungen verzeichnet das Haus jährlich in den fünf Sparten Musiktheater, Schauspiel, Tanz, Junges Theater und Konzerte.
Mehr Geld schadet da nicht im Geringsten. Und so war der kulturelle Mittelpunkt von Regensburg am Donnerstagnachmittag von einigen teuren Limousinen mit Münchner Kennzeichen zugeparkt. Polizisten und Security-Mitarbeiter checkten Ein- und Ausgänge. Die Politprominenz aus der Landeshauptstadt war schließlich im Anmarsch. Kunstminister Markus Blume war angekündigt, um über die "Zukunft des Theaters Regensburg" zu informieren, wie es kryptisch in der Presseeinladung hieß. Daneben war aber auch Finanzminister Albert Füracker geladen. Und dann noch Markus Söder (alle CSU). Spätestens dann dürfte auch dem größten Kulturbanausen klar gewesen sein, was gerüchteweise schon seit einigen Monaten kursierte: dass das Theater in Regensburg zum Staatstheater erhoben wird. Und so kam es dann natürlich auch.
Passend dazu sinnierte eine Schauspielerin zur Einstimmung darüber, dass man von Ruhm allein nicht leben könne. In jeder Theaterloge säße im besten Fall ein Millionär. "Mein kaufmännisches Herz ist auch besonders interessiert daran, was dieser Nachmittag noch bringen könnte", sagte der Kaufmännische Direktor des Theaters, Matthias Schloderer.
In sechs weißen ledernen Designersesseln auf der Bühne sitzend und eingeleitet von Bläserfanfaren informierten die Herren dann zusammen mit Regensburgs Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer (SPD) und Intendant Sebastian Ritschel die Öffentlichkeit. "Regensburg wird Staatstheater", verkündete der Ministerpräsident. Regensburg ist damit das sechste dieser Art in Bayern. "Es fehlte ein Staatstheater in Ostbayern", befand Söder.
Oberpfälzer und selbst erklärter "Erbsenzähler" Füracker skizzierte anschließend Regensburg als einen Ort, der jetzt quasi Vollkommenheit erreicht. "Es erfüllt sich der letzte Traum, den man noch so hat in Regensburg. Jetzt haben wir das völlige Glück gebracht. Weihnachten und Ostern fallen auf einen Tag. Das ist ein besonderes Ereignis für die Oberpfalz." Und Geld gibt es eben auch.
Bisher wurde das Theater als selbständiges Kommunalunternehmen zum größten Teil von der Stadt Regensburg finanziert. Wenn ein Haus Staatstheater wird, dann übernimmt der Freistaat 50 Prozent der Fördersumme für den Theaterbetrieb. Der Etat, der vom Freistaat kommt, soll nun Schritt für Schritt erhöht werden. Das zusätzliche Geld soll einerseits steigende Personal- und Energiekosten ausgleichen. Natürlich soll sich mit dem Prädikat Staatstheater auch die Qualität steigern. Die aber bereits herausragend sei, da sind sich alle einig. "Das ist auch eine Wertschätzung, eine Anerkennung. Wie ein Oscar", sagte Söder. "Staatstheater ist eine eigene Liga. Und Regensburg hat sich für diese Liga qualifiziert", befand Kunstminister Blume. Beide Politiker gaben in der späteren Fragerunde zu, dass ihr erster Besuch im Theater Regensburg allerdings noch aussteht - und ganz schnell erfolgen soll.
Die Nachrichten vom Aufstieg in den Rang eines Staatstheaters kommen nicht nur wegen des zu erwartenden Geldregens nicht ungelegen. Der Einstand des neuen Intendanten, Sebastian Ritschel, verlief etwas holprig. 40 Beschäftigten in allen Sparten des Theaters sprach er die Nichtverlängerung aus. Das ist in der Branche der euphemistische Begriff für Kündigung. Die Verträge der Mitarbeiter werden in der Regel für die Zeit einer Intendanz ausgestellt. Endet diese, werden sie oft nicht verlängert. Rechtlich ist das in der Theaterwelt korrekt, üblich ist es auch. Ein Intendant bringt nicht nur seine künstlerische Vision mit, sondern meistens auch das Personal, das er für deren Umsetzung im Auge hat. Gleich 40 Menschen vor die Tür zu setzen, löste angesichts der Größe des Hauses in Regensburg dann aber doch Bestürzung aus.
Zumal Ritschels Vorgänger Jens Neundorff von Enzberg einen exzellenten Ruf hatte - in der Stadt und auch darüber hinaus. Manch Kritiker und passionierter Theatergänger behauptet gar, dass Regensburg seinen Aufstieg in den Rang eines Staatstheaters vor allem auch ihm zu verdanken habe.
Der Ärger um den Intendantenwechsel dürfte mit der Staatstheater-Werdung endgültig verfliegen. Die Oberbürgermeisterin jedenfalls freue sich "riesig", müsse jetzt aber noch in eine Sitzung. "Und die Herren müssen leider auch weiter, sonst könnten wir jetzt Party machen", sagte Maltz-Schwarzfischer zum Abschluss. Die Party besorgte vielleicht das Regensburger Stadtvolk. Draußen vor der Tür auf dem Bismarckplatz begann in der Abendsonne schon die Kultur des Herumsitzens - nun mit Blick auf ein Staatstheater.