NSU-Untersuchungsausschuss:Heftiger Streit um Bezahlung eines ehemaligen Neonazi-Spitzels

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Der Grünen-Abgeordnete Toni Schuberl leitete den zweiten NSU-Untersuchungsausschuss im Landtag. (Foto: Tobias Hase/dpa)

Bayerns Regierungsfraktionen blockieren im Landtag detaillierte Fragen der Opposition nach der Rolle eines früheren V-Mannes. Der Ausschussvorsitzende fühlt sich "verarscht".

Von Johann Osel

Welche Details über den Umgang mit V-Leuten muss der Verfassungsschutz preisgeben? Über diese Frage ist im Untersuchungsausschuss zum Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) heftiger Streit entbrannt - der nun in der Nacht auf Donnerstag zur Debatte ins Plenum kam. Es geht um Kai. D., einen in den Neunzigern bekannten Neonazi und früheren V-Mann des bayerischen Verfassungsschutzes. Er stand einst auf der "Garagenliste" - Kontaktdaten in der bundesweiten Neonaziszene, die 1998 bei den später als NSU enttarnten Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe vor deren Abtauchen gefunden wurde. Später ermordete der NSU unentdeckt allein in Bayern fünf Männer türkischer beziehungsweise griechischer Herkunft.

Grüne, SPD, FDP wollen zusätzlich zu internen Quellenberichten, die dem Gremium zur Verfügung stehen, Informationen zur V-Mann-Führung und zu Zahlungsmodalitäten erhalten. So ist bekannt, dass Kai D. weiter bezahlt wurde, als ihn das Landesamt schon als V-Mann "kaltgestellt" hatte. Zudem mutmaßt die Opposition, dass das übersandte Material unvollständig ist. Fraglich ist auch, ob dem Landesamt potenzielle Informationen zu Waffen bekannt waren. Ein Beweisantrag dazu fand im Ausschuss zuletzt keine Mehrheit, ein Kompromissversuch Anfang der Woche schlug fehl.

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Im Plenum sagte Ausschusschef Toni Schuberl (Grüne): "Die Fragen nach den genauen Geldzahlungen in diesem Fall sind für uns relevant, und sie sind höchst spannend." Angesichts der Blockade durch die Regierungsfraktionen fühle man sich "verarscht". Holger Dremel (CSU), Vize-Vorsitzender, wies den Antrag als unzulässig zurück. Es gehe letztlich um operative Maßnahmen der V-Mann-Führung, eine Offenlegung "würde unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung gefährden". Zudem komme ohnehin noch Verfassungsschutzchef Burkhard Körner als Zeuge.

Auch Kai D. selbst ist geladen, nicht die einzige Szene-Größe auf der Zeugenliste. Eine Leitfrage des Ausschusses ist das Umfeld des NSU in Bayern. Kürzlich hatte der frühere Ministerpräsident und Innenminister Günther Beckstein (CSU) ausgesagt, seiner Ansicht nach habe es in Nürnberg bisher unbekannte Helfer gegeben. Beckstein sprach auf Nachfragen auch zum V-Mann-Wesen. Der Szene-Spitzel an sich verdiene eigentlich kein Vertrauen, biete aber die Chance, dass man von ihm "Erkenntnisse gewinnt, selbst wenn er ein Lump sondersgleichen ist".

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