Experten haben es von Anbeginn für wahrscheinlich gehalten. Nun ist es amtlich. Im südöstlichen Oberbayern, in der Region Traunstein, streift ein Wolf herum und hat wiederholt Schafe und andere Nutztiere gerissen. Das haben jetzt Gentests im Auftrag des Landesamtes für Umwelt (LfU) bestätigt. Unklar bleibt jedoch, ob es sich bei allen Vorfällen um ein und denselben Wolf handelt oder ob es mehrere waren. Die sogenannte Individualisierung steht noch aus. Ihre Ergebnisse werden Anfang Januar erwartet.
Der Individualisierung kommt eine hohe Bedeutung zu für die Zukunft des Wolfs. Der Landrat des Landkreises Traunstein, Siegfried Walch (CSU), hat bereits Mitte November den Abschuss des Raubtiers beantragt. Er begründet ihn mit den vermehrten Rissen von Nutztieren in der Region und der Gefahr für Menschen, die aus seiner Sicht von dem Wolf ausgeht. Das Raubtier hat sich wiederholt nahe an Ortschaften und Gehöften aufgehalten. Zuständig für die Entscheidung ist die Regierung von Oberbayern, der Beschluss steht aus.
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Sowohl Risse als auch Sichtungen haben sich seit Walchs Antrag weiter gehäuft. Allein Mitte Dezember sind sechs Vorfälle dokumentiert worden. Außerdem wurde der Wolf aus einem Auto gefilmt, als er nachts durch die Ortschaft Bergen lief. Nach den Vorfällen erneuerte Landrat Walch seine Abschussforderung. Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) und Umweltminister Thorsten Glauber (FW) pflichteten ihm bei - wenn alle rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Die Tiere sind für gewöhnlich sehr scheu
Die Hürden für die Entnahme eines Wolfes aus der freien Natur - wie der Abschuss auf Amtsdeutsch heißt - sind hoch. Der Wolf ist sehr streng geschützt. Die Tiere, die für gewöhnlich sehr scheu sind, dürfen nur geschossen werden, wenn sie eine Gefahr für Menschen darstellen, hohe Schäden an Nutztieren anrichten oder sich über Nutztiere hermachen, die nicht geschützt werden können, etwa auf steilen Almweiden. So schreiben es europäisches und deutsches Naturschutzrecht vor. So steht es im bayerischen "Aktionsplan Wolf".
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Laut Experten muss eine ganze Reihe von Vorfällen dokumentiert sein, um den Abschuss eines Wolfs zu rechtfertigen. Einmalige Sichtungen oder einzelne Risse von Nutztieren reichen als Begründung nicht aus - vor allem wenn die Weiden nicht ausreichend geschützt sind. Nach SZ-Informationen hat das Expertengremium, das die Bezirksregierung bei der Entscheidung über den Abschussantrag berät, empfohlen, weitere Auskünfte über den Wolf einzuholen. Dazu gehören vor allem Belege, wie viele Vorfälle dem Raubtier tatsächlich zuzurechnen sind.
In Deutschland sind seit 2016 sieben Wölfe abgeschossen worden, weil sie eine Gefahr für Menschen darstellten oder zu große Schäden anrichteten - alle in nord- oder ostdeutschen Bundesländern. Aktuell gibt es deutschlandweit 157 Wolfsrudel, 27 Wolfspaare und 19 sesshafte Einzelwölfe. In Bayern sind es vier Rudel, ein Paar und fünf Einzeltiere. Der Abschuss des Traunsteiner Wolfes, wenn er genehmigt und vollzogen würde, wäre der erste seit Ausrottung der Raubtiere in Bayern.